Özgür Politika, Gespräch der Woche 03.06.2001 "Unsere Akademie ist ein Rosengarten" "Die Vereinigung der Studentinnen der `Akademie der freien Frau´ (ÖKA) können wir mit einem bunten Rosengarten vergleichen. Sicher gibt es unter diesen Rosen, welche, die früh aufblühen, welche, die schön aufblühen, welche die später aufblühen. Im Blickpunkt steht das Ziel, daß alle Rosen des Gartens gemäß ihrer eigenen Entwicklung aufblühen, überall Schönheit streuen, den Geruch dieses Windes wirbelnd, in die Umgebung streuen." Wir haben uns mit Militanten getroffen, die in der Akademie, errichtet neben einem Flüßchen in einem grünen Tal, das das erste Licht widerspiegelt, die Schaffung eines freien Menschen der Zukunft anstreben. Wir veröffentlichen das Interview, um über den Sinn und die Wichtigkeit der Schulung, die Ausbildungsaktivitäten mit Guerillafrauen, die aus den vier Teilen Kurdistans und aus verschiedenen Nationen kommen zu informieren und mit ihnen die Gefühle und Gedanken der Guerilla-Frauen vor der Prüfung zu teilen. Özgür Politika: Wie bewerten Sie das Hauptziel der ÖKA-Schulung? Siya: Als Begriff bedeutet Schulung (Ausbildung/Erziehung), jemandem eine bestimmte Art und Weise zu handeln zu vermitteln. Damit und mit auf Wissensvermittlung gestützte Bewußtseinsschaffung wird die Sichtweise jeder Einzelnen entwickelt. Ein anderer Ansatz ist die Führung. Aus der Sicht der Persönlichkeitsentwicklung sind Vorträge und Diskussionen wichtig. Die Einzelne kann mit Fragen an sich selbst sowie an ihre Umgebung das eigene Selbstverständnis mit dem der Umgebung zusammenbringen. Das andere ist, eine dazu zu bringen, sich zu erklären, sich in einer guten Form ausdrücken zu können, den Mut zur Ansprache zu finden, was bei der Frau in der Gesellschaft nicht weit entwickelt ist und dem daher Vorrang eingeräumt werden muß. Die Meinungsbildung jeder einzelnen soll entwickelt werden. Sie haben von der Vermittlung einer bestimmten Art und Weise zu handeln gesprochen. Dies ist ein Hauptziel im kapitalistischen Schulungssystem. Was sind die Unterschiede in diesem Sinne zwischen kapitalistischer Ausbildung und der Form der Schulung in der ÖKA? Siya: Aus historischer Sicht vermittelt jedes System mit einem Schulungsprogramm eine Herrschaftsideologie. Anstatt sich dem Schulungssystem des Kapitalismus vollkommen negativ anzunähern, ist die Kette von daher zu lösen, wieviel Gefahr, Positives, Negatives, Ansammlung und Wahrheit im Hinblick auf die Entwicklung der Gesellschaft die Schulung vermittelt und so die Geschichte ins Heute und in die Zukunft zu vermitteln. Das Denken der Menschen ist unendlich. Während in dem kapitalistischen System versucht wird, eine Begrenzung zu entwickeln, ist unser Ziel vielmehr den Horizont zu öffnen. Wie ist das System der ÖKA? Siya:
Indem aus der Funktion der Entwicklung der Einzelnen eine Grundlage geschaffen
wird, wird für die Entwicklung der Gesellschaft eine Verbindung von
Erziehung zu Wissensvermittlung begründet. Das Schulungssystem der
ÖKA hat eine alternative Dimension. Das ist wichtig zu sehen. Es
werden nicht nur Fakten diskutiert, es wird eine neue Herangehensweise
entwickelt, indem die Entwicklung des Menschen in geschichtlicher, gesellschaftlicher,
gedanklicher Dimension untersucht wird. Ich denke, daß es wie folgt
gut dargestellt werden kann: Der Mensch existiert nicht nur in der Vergangenheit,
sondern auch im Heute und darin, die Zukunft zu gestalten. Können Sie das Frauenidentitäts Schulungsprogramm der ÖKA-Ausbildung kurz schildern? Medya Silvan: Es ist ein Schulungssystem, daß in der vergrabenen Geschichte, in der zum größten Teil gelebten aber nicht geschriebenen Frauenvergangenheit, das untersucht, was die eigene Realität geschaffen hat. Es beinhaltet ein umfassendes Programm mit Kursen wie neolithischer Phase, Demokratie und Frieden, Internationalisierung der Freiheit der Frauen, Kultur/Kunst, Ästhetik u.ä. Außerdem gibt es Sportaktivitäten. Früher haben Sie das Lehramt in Schulen der Türkei ausgeübt, nun sind Sie Studentin in der ÖKA, wie läuft Ihr Studentinnendasein? M. Silvan: Wenn wir es mit der dortigen Ausbildung vergleichen, liegen Welten dazwischen. Die kapitalistische Ideologie möchte ein Individuum, das sich einer eigenen Meinung enthält, ihm eine Säule ist und stützt sich hierzu auf das bekannte Prinzip des Auswendiglernens. Anstatt die vorhandene Energie entwickeln, wird vielmehr eine Erblindung angestrebt. Die Schulung bei uns hingegen verläuft mit Aktivitäten, den Willen der Einzelnen aus dem weiblichen Blickwinkel zu fördern, das Neue zu gestalten. Die Natürlichkeit, die eine Frauenumgebung schafft, läßt es zu, daß Frauen ihre Gedanken und Gefühle leichter ausdrücken. Gibt es am Ende der Kurse Prüfungen? Können Sie uns Ihren Stand der Vorbereitungen und Ihre ersten Empfindungen mitteilen? Evin Derik: Es sind meine zweiten Prüfungen bei der Guerilla. Die erste hatte ich im `Sehid Ayhan Camp´. Ich war übermäßig aufgeregt, was ich natürlich fand. Hier haben sie uns einen Tag vorher Bescheid gesagt, um uns vorzubereiten. Ich bin sechs Jahre bei der Guerilla und dieses Mal habe ich mich vorbereitet, wie vor einer Aktion. Als sie uns am Prüfungstag weißes Papier für die Beantwortung der Fragen gaben, war ich sehr aufgeregt. Während ich die Fragen beantwortete, umfaßte ich den Stift, als würde ich in einem Gefecht die Waffe abdrücken. Ich beruhigte mich, dann habe ich die Antworten geschrieben. Inwiefern sind solche Prüfungen sinnvoll für das Schulungssystem? E. Derik: Mit dieser Methode werden die bearbeiteten Themen intensiviert und von der Einzelnen verinnerlicht. Gleichzeitig sieht mensch die eigenen Fähigkeiten und den Grad des eigenen Verständnisses und steigert das Niveau und das Interesse an Kommentierung und das Interesse zu untersuchen und zu lernen. Sie haben in der Türkei das Lehramt ausgeübt. Wie finden Sie die Art und Weise der ÖKA-Schulungen? Delal Serbilind: Es gibt einen sehr großen Unterschied zwischen meiner Lehrertätigkeit in der Vergangenheit und dem, was ich hier mache. Da ich die Haltung einer Beamtin hatte, versuchte ich die Stunde vollzubekommen, am Monatsende mein Gehalt zu bekommen. Ohne der Beziehung zwischen Lehrer/in und Schüler/in viel Raum zu geben, hatte ich auch nicht den Anspruch, ein Individuum bei seiner Entwicklung zu unterstützen und ihm etwas zu vermitteln. Bei uns ist die Ausbildung ganz anders, zwischen Lehrerin und Schülerin gibt es keine Unterschiede. Es besteht ein absolutes Miteinander von Schülerinnen und Lehrerinnen. Deshalb gibt es bei uns keine feststehenden Lehrerinnen. In der Akademiestruktur hat die Lehrerin die Funktion, das vorhandene Wissen und die Entwicklung im theoretischen Bereich mit dem Leben in der Praxis zu verbinden. Bei uns gibt es die Besonderheit, daß die Entwicklung der Einzelnen im Vordergrund steht, die Aneignung von Wissen mit Verantwortung erarbeitet wird und - ist es angeeignet - eine Erweiterung angestrebt wird. Was ist die am häufigsten angewandte Methode in diesem Schulungssystem? D. Serbilind: Die Akademie führt sich die individuellen Eigenheiten vor Augen, bestimmt je nach Zusammensetzung die Schulungsthemen und macht die Dialogmethode noch mehr zu einer Grundlage. Sieht man sich mit solch einer Methode die Phase und den Prozeß des Individuums an, wird mit dem Umfang der Fragen und des Fragen-stellen-lassens die Weiterentwicklung der Kapazitäten der Schülerin gesichert. Der zweite Bereich ist die in letzter Zeit entwickelte Prüfungsmethode. Trotzdem sie eine begrenzende Methode ist, wird sie angewandt, um zu sehen, inwieweit die bearbeiteten Kurse von der Schülerin verstanden wurden. Jedoch ist es keine Methode, die wir ständig anwenden. Denn der Unterricht bleibt nicht auf dem Bereich von Ideologie und Theorie begrenzt, die größte Prüfung ist, - im Bewußtsein, daß es ein Teil des Lebens ist - die Ergebnisse der Schulung im Leben wiederzuerkennen und zu fühlen. Jetzt nehmen und geben Sie gleichzeitig Unterricht in der Akademie. Was sind die Erwartungen an die Schülerinnen im Hinblick auf die Schulungsergebnisse? D. Serbilind: Wir können die Zusammensetzung der Schülerinnen der Akademie mit einem kunterbunten Rosengarten vergleichen. Natürlich blühen einige früh, andere schön, einige später. Im Blickpunkt steht das Ziel, daß alle Rosen des Gartens gemäß ihrer eigenen Entwicklung aufblühen, überall Schönheit streuen, den Geruch dieses Windes wirbelnd, in die Umgebung streuen. Wenn ich die Schülerinnen mit Blumen vergleiche, ist das sehr phantastisch, gleichzeitig wird ihre weibliche Identität von neuem geschaffen, werden unsere Gefallenen erreicht und die Schülerinnen im Dienst der Bewegung `Freie Frau´ für die Aufgaben dieser Zeit vorbereitet. |