Özgür
Politika - 1. Juli 2001 Assoziationen zur Schule des Lebens von Zeynep Bingöl Das Heute zu verstehen ist nur möglich, wenn man es in Beziehung zur Geschichte setzt. Indem die Frauen unsichtbar wurden, wurde auch ihre Geschichte unsichtbar. Wird das Geschichtsbewußtsein der Einzelnen nicht auf dieser Grundlage entwickelt, ist ein zukunftsweisendes Arbeiten nicht möglich. Die eigene Befreiung ist nicht sicher, die sich Probleme der Menschheit die immer größer und schwerwiegender werden, können nicht gelöst werden. Die Sonne hat alles wieder erhellt, das erhitzte Licht dringt mit unsichtbarer Hartnäckigkeit in die Poren unserer Haut ein und läßt unsere Körpertemperatur steigen. Ein leichter Wind streichelt unsere Gefühle. Das in der Nähe fließende Wasser weckt die Assoziation der Grenzenlosigkeit. Der Klang erinnert an romantische, leise Musik, die Stimmen der Studentinnen der Akademie Freie Frau hören sich damit vermischt noch schöner an. Vereint sich die Lebendigkeit der Natur mit der Bewegung der Studentinnen, erneuert sich alles Gesehene und Gehörte von selbst. In den frühen Morgenstunden haben sich die Studentinnen der AFF vor dem Tor des Schulungsplatzes versammelt, sich gemäß ihrer Manga und ihrer Einheit aufgestellt und gehen danach an die für sie bestimmten Plätze. Wie immer hält die Wache vor der Schulung noch ihre Tekmil . Dieses gibt die Kommandantin der Einheit. Danach nimmt eine dreiköpfige Kommission der Wache am Unterricht teil. Dann stehen alle auf, und die Sprecherin der Kommission sagt: "Freundinnen! Ihr wisst, unser Unterricht handelt vom Beginn und der Entwicklung der Frauenbewegung der PKK. Bevor wir mit dem Unterricht beginnen, möchten wir die Methode darstellen, indem wir die Konzeption und die Inhalte mit Euch diskutieren. Die erste, die sich zu Wort meldet, ist Hevidar vom Guyi Stamm. Sie sitzt in der ersten Reihe, ist 17 Jahre alt, von zierlichem Körperbau mit hellem Haar. Sie steht auf und berichtet sehr lebendig und in kurdisch: "Wie wir erarbeitet haben, setzt sich der geschichtliche Werdegang in der Realität Kurdistans fort. Ich schlage vor, die Kämpfe und die Persönlichkeiten der Freundinnen zu untersuchen, die mit ihrem Lebenseinsatz der Frauenbewegung den Weg bereiteten. Ich denke, daß wir uns dadurch noch besser verstehen." "Die Ansichten, die zur Sprache gebracht werden, nehmen wir aufmerksam auf und verarbeiten sie in der Vorbereitung des Unterrichts. Jeden Beitrag und jede Diskussion nehmen wir auf Band auf, schreiben Protokoll und werden so jeden Unterricht in schriftlicher Form festhalten." Dann steht Devran Dersim auf, die am Eingang sitzt, eher klein und schmächtig ist, ihr Aussehen verrät die Herkunft aus Dersim. Sie sagt: "Dies ist ein in politischer, ideologischer und geistiger Hinsicht bedeutungsvoller Unterricht. Er muß von den Bedürfnissen ausgehend entwickelt werden. Er muß neue Anfänge und Wege aufzeigen." Dr. Bermal aus Cukurca, die dahinter sitzt, steht mit kindlicher Reinheit im Gesicht auf und spricht mit feiner klarer Stimme auf kurdisch: "Wir setzen uns zusammen Frauen, die von überall herkommen aus allen Gebieten. Es wird von großem Vorteil sein, wenn in dieser Zusammensetzung der geschichtliche Werdegang der Frauenbewegung untersucht wird. Es ist wichtig, dass die Frau sich auf historische Weise sich selbst annähert. Wir müssen die Geschichte in Frauensprache kommentieren." Medya Silvan, die in der ersten Reihe sitzt und Protokoll schreibt, ergreift das Wort: "Wir versuchen, unsere Bewegung zu entwickeln, indem wir die Siege aus der Geschichte des Widerstandskampfes der Frauen verdeutlichen und ihre Fehler nicht wiederholen. Wie wir in der Geschichte wie auch heute sehen, versuchen Machthungrige, die Frauenbasis für ihre eigenen Ziele zu benutzen. Wir müssen als erstes eine Antwort auf die Frage suchen, warum Persönlichkeiten, die den Kampf zerstören wollen auf der Suche nach der Macht als erstes die Frauenbasis für sich zu gewinnen versuchen. Die am zweiten Eingang sitzende Beritan Adir steht auf. Ihre Brille ist eine Nummer zu groß. Dass sie bereits viel untersucht und gelesen hat, ist ihr anzusehen. "Bis jetzt ist in der Geschichte noch nicht niedergeschrieben, was Frauen erlebt haben. Wir können unsere Schulungsbeiträge und -diskussionen zu Broschüren verarbeiten. So können wir mit geschriebenen Dokumentationen unseren Nachfolgenden ein Erbe aus unserer Frauenbewegung hinterlassen." Aze, eine Handballspielerin, die unweigerlich Erinnerungen an Amazonen wachruft, sagt: "Wir müssen die Kraft der großen Analyse hervorbringen, indem wir in unserem Unterricht die Dialogmethode anwenden. In derselben Weise müssen wir die Lösung der Schwierigkeiten des Individuums klären gewährleisten und die Suche fortsetzen." Nach langer Diskussion faßt die Sprecherin der Kommission die vorgebrachten Ansichten zusammen und bietet damit eine grundlegende Klärung. Sie setzt die Rede an den verbliebenen Punkten fort: "Die zur Sprache gebrachten Ansichten nehmen wir aufmerksam auf und verarbeiten sie in der Vorbereitung des Unterrichts. Jeden Beitrag und jede Diskussion nehmen wir auf Band auf, schreiben Protokoll und werden so jeden Unterricht in schriftlicher Form festhalten. Unser Ziel ist es, die hier behandelten Themen allen Frauenkräften und der Basis zukommen zu lassen. Ich bin davon überzeugt, dass jede Freundin dem frauenbewußt und sensibel begegnen wird." Ihr Druck auf die Aufnahmetaste des Kasettenrekorders ist zugleich das Zeichen, dass nun der Vortragsteil des Unterrichts beginnt. Während die Studentinnen
von der Aufregung erfaßt sind, sich mit ihrer eigenen Geschichte
auseinanderzusetzen und interessiert den Stift schreibbereit halten, setzt
die Kommissionssprecherin ihre Rede fort: "Der Parteivorsitzende
hat die Frauenbewegung dadurch sehr voran gebracht, daß er mit seiner
großen Analyse- und Bildungsarbeit konkret unter den militanten
Frauen Freiheitsbemühungen entwickelt hat. In allen Bemühungen
waren so die Freiheitsbemühungen die Grundlage. Auf einem Niveau,
das es mit der gesamten Welt aufnehmen kann, ist ein neues Arbeitssystem,
das auf Verständnis beruht, eingeführt worden. Wer sich in der Geschichte nicht auskennt, kann keine in die Zukunft gerichtete Arbeit leisten. Indem die Frauen unsichtbar
wurden, wurde auch ihre Geschichte unsichtbar. Wird das Geschichtsbewußtsein
der/s Einzelnen nicht auf dieser Grundlage entwickelt, ist ein zukunftsweisendes
Arbeiten nicht möglich. Die eigene Befreiung ist nicht sicher, die
sich Probleme der Menschheit die immer größer und schwerwiegender
werden, können nicht gelöst werden. "Unser Ziel ist es, die hier behandelten Themen allen Frauenkräften und der Basis zukommen zu lassen. Ich bin davon überzeugt, daß jede Freundin dem frauenbewußt und sensibel begegnen wird."
Die Studentinnen der Akademie Freie Frau bemühen sich, die der Frau auferlegte Begrenzungs- und Verbotslogik des Systems, den Status der Frau in der Gesellschaft mithilfe wissenschaftlicher Schulungsarbeit und der Weiterentwicklung des geschichtlichen und sozialen Analysenniveaus auf der Basis einer Frauenbefreiungsideologie zu vermitteln. Der Kampf um eine gemeinsame Befreiung, bei allen Unterschieden, läßt bei den Studentinnen ein gemeinsames Gefühl entstehen und verbindet bei der gemeinsamen Suche. In jedem Bereich des Lebens spiegeln sie die Hoffnung und die Begeisterung wider, die Schönheiten gemeinsamer Ziele in die Zukunft tragen zu können. |