Über
den Entwurf für einen neuen Gesellschaftsvertrag
Der
Entwurf für einen neuen Gesellschaftsvertrag von der Partei der Freien
Frau (PJA) kommt in einer Zeit, in der die Menschheit mit neuen unvorhersehbaren
Entwicklungen bedroht wird. Alle gegenwärtigen Entwicklungen, aber
auch der internationale Charakter der damaligen Diskussionen über
und die Beteiligung am Irak-Krieg haben deutlich gemacht, dass dies ein
Krieg „ist“, der das 21. Jahrhundert geprägt hat. Im
Zentrum dieses „Krieges“ steht der Mittlere Osten. Historisch
gesehen sind der Irak und Kurdistan das Herz Mesopotamiens. Angesichts
der zu erwartenden und geschehenden Veränderungen in der Region ist
es wichtig, die Kriegsthematik radikal zu analysieren.
Für
eine Frauenbewegung ist es daher wichtig, Stellung zu beziehen und eine
neue Definition der Rolle der Frauen in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts
anzustreben. Es reicht nicht aus, nur Frieden zu fordern. Viel mehr ist
es wichtig, die Ursachen von Kriegen im historischen Kontext zu finden.
Frauen der PJA haben am 8. März 1998 mit dem KADEK-Vorsitzenden Abdullah
Öcalan nach langjährigen Analysen, Diskussionen und Erfahrungen
die Ideologie der Frauenbefreiung entworfen. Es handelt sich dabei um
eine Ideologie, die die Welt aus den Augen von Frauen betrachtet und bewertet.
Frauen der PJA haben damit begonnen, sich selbst zu definieren. Die Frauenbefreiungsideologie
ist eine Alternative zu allen bisherigen Weltanschauungen, egal ob von
rechts oder links. Sie ist auch ein Resultat der Kritik an diesen Ideologien.
Denn die bisherigen Ideologien, wie sie in den letzten Jahrhunderten als
sozialistisch oder kapitalistisch kategorisiert wurden, sind männlich
geprägt. Das heißt, sie sind geprägt vom Patriarchat,
das sich seit 5000 Jahren in allen Lebensbereichen als System institutionalisiert
hat. Der Entwurf für einen neuen Gesellschaftsvertrag stellt den
Höhepunkt der erfahrungspraktisch reflektierten Analysen der PJA
dar.
Dieser Entwurf beinhaltet Kritiken, Vorschläge, Fragen, gesellschaftliche
Problemfelder sowie mögliche Antworten und Lösungen. Die Frauen,
die etwa ein Jahr an der Akademie der Freien Frau daran gearbeitet haben,
legen großen Wert darauf, ihre Idee in einer bescheidenen Weise
zur Diskussion zu stellen. Es werden keine fertigen Lösungen aufoktroyiert.
Auf der anderen Seite sprechen die Frauen eine klare Sprache. Bezogen
auf Kurdistan und den Mittleren Osten wird verdeutlicht, wie eine andere
Herangehensweise an Geschichte und Realität des Mittleren Ostens
angegangen werden kann. Somit gesehen handelt es sich bei dem Entwurf
um die Arbeit von Frauen einer Region, die historisch sowohl die Wiege
des Matriarchats als auch des Patriarchats war. Daher ist die Überzeugung,
eine Lösung an dieser Stelle der Erde anzusetzen, auch mit dieser
historischen Realität mehr als begründet.
Wir laden alle Frauen ein, mit uns zu diskutieren, zu streiken und sich
zu freuen. Nur die Formen unserer Unterdrückung sind andere, doch
die Schmerzen der Erniedrigung und Ausbeutung sind dieselben. Lasst uns
die gemeinsamen Schmerzen in gemeinsame Stärke umwandeln.
In diesem Sinne freuen wir uns jetzt schon auf Kritik, Denkanstöße,
Ideen und Vorschläge für eine alternative neue Weltordnung.
Im
folgenden eine kurze Zusammenfassung des Entwurfs:
- Die
Rolle des Individuums innerhalb der Gesellschaft und der Vertrag mit
der Gesellschaft unter demokratischen Bedingungen. Egoismus und Konsumhaltung
werden abgelehnt, Respekt vor dem Leben gefördert.
-
Die traditionelle Beziehung zwischen Männern und Frauen muss verändert
werden. Sie muss auf Gleichheit und gegenseitigem Respekt basieren.
Die Familie sollte nach demokratischen Prinzipien organisiert sein.
Jedes Individuum (Kinder, Frauen, Männer, Senioren und Jugendliche)
hat ein Anrecht auf Respekt und Liebe. Entsprechend der jeweiligen individuellen
Bedürfnisse sollte ihre Lebensweise garantiert werden. Die Gesellschaft
muss mit diesen Begriffen vertraut gemacht werden.
-
Innerhalb der Prinzipien einer demokratischen Republik sollte der Staat
seinen Bürgern gleiche Rechte zur Verfügung stellen. Außerdem
ist es seine Aufgabe, Sicherheit zu gewährleisten. In diesem Sinne
sollten alle wichtigen Institutionen und produktiven Schichten der Gesellschaft
den Schutz der gesellschaftlichen Freiheit garantieren.
-
Es ist notwendig, einen politischen Weg zu schaffen, der auf demokratischen
und ebenbürtigen Rechten basiert. Dieser Weg sollte alle Hürden
vor der Redefreiheit überwinden.
-
Die Bildung und Anwendung eines „gerechten“ Rechtssystems
ist notwendig.
-
Wissenschaft und Technik sollten für den Vorteil der Menschheit
und die Freiheit der Individuen genutzt werden. Außerdem sollten
diese so genutzt werden, dass die Natur dabei geschützt wird.
-
Die gesamte Menschheit sollte vom wirtschaftlichen Fortschritt profitieren.
Deshalb ist es nötig, den wirtschaftlichen Fortschritt nach dem
Gleichheitsprinzip aufzuteilen. Die Eigentumsverhältnisse müssen
in Frage gestellt werden.
-
Alle Kulturen und Sprachen müssen geschützt werden, denn sie
sind Teil der menschlichen Geschichte. Künstlerische Tätigkeiten
sollten der Menschheit zugute kommen.
-
Jegliche Hindernisse vor dem Glauben müssen aufgehoben werden.
Jeder Glaube der Menschheit sollte Toleranz erfahren. Weiterhin dürfen
Glauben nicht für politische Konfrontation genutzt werden.
-
Die Ablehnung von allem, was das Individuum unterdrückt und die
individuelle Freiheit einschränkt. Zivile Institutionen, die sich
für die Rolle des Individuums in der Gesellschaft einsetzen, sollten
unter der Leitung der Frau gestärkt werden.
Bei
diesem Gesellschaftsvertrag handelt es sich um einen Entwurf. Unser Anliegen
ist es, diesen Entwurf in naher Zukunft miteinander zu diskutieren. Eure
Meinung, Eure Kritiken, Eure Vorschläge für den Vertrag und
für gemeinsame Plattformen, auf denen der Entwurf diskutiert werden
soll, werden ihm mehr Fülle und der Anwendbarkeit eines solchen gegenseitigen
Gesellschaftsvertrages an Kraft dazugewinnen.
Der
„Entwurf für einen neuen Gesellschaftsvertrag“ kann bei
der unten angegebenen Emailadresse, unter Angabe der Postanschrift, in
englisch, französisch, türkisch und arabisch bestellt werden.
Bestelladresse:
Kurdisches Frauenbüro für Frieden
Grupellostr. 27
40210 Düsseldorf
email: ceni_frauen@gmx.de
|