FrauenRechtsBüro gegen sexuelle Folter
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Prozessbeobachtungsdelegation des FrauenRechtsBüros gegen sexuelle Folter

Istanbul 21.03 01

Strafverfahren gegen 17 Frauen und 2 Männer, die über sexuelle Folter durch türkische Sicherheitskräfte berichteten

Heute, am 21.3.01, begann vor einem Istanbuler Strafgericht zum ersten mal ein Strafverfahren gegen Betroffene von sexueller Folter, deren Unterstützer/innen, Angehörigen und Anwält/innen. Ihnen wird vorgeworfen, durch Berichte über eigene erlebte sexuelle Folter und den Hinweis auf die Realität des Einsatzes dieses Repressionsinstrumentes insbesondere gegen kurdische Frauen den "türkischen Staat und seine Sicherheitsorgane verunglimpft" zu haben. Hintergrund ist ein Kongreß zum Thema "Sexuelle Folter, verübt durch staatliche Sicherheitskräfte", der im Juni 2000 in Istanbul stattgefunden hatte. Unter den Angeklagten befinden sich sowohl die Organisatorinnen des Kongresses als auch von sexueller Folter betroffene Frauen, Angehörige und Rechtsanwältinnen. Auf diesem Kongreß berichteten die jetzigen Angeklagten über die an ihnen und anderen verübte sexuelle Folter, insbesondere Vergewaltigung durch Sicherheitskräfte.

Der Prozess fand in einem Raum statt, in dem gerade Platz für die Prozessbeteiligten war. Jedoch war ein auffällig grosser öffentlicher Andrang -insbesondere durch Medienvertreter/innen - zu verzeichnen, so dass die Öffentlichkeit nur darüber hergestellt werden konnte, dass die Besucherinnen zum Teil mit auf den Anklagebänken und zum Teil auf dem Boden Platz nahmen. Die Tür zum Verhandlungssaal blieb offen, da sich auch auf dem Korridor noch etliche Besucherinnen drängten. Alle Angeklagten, die zu Worte kamen, betonten, daß nicht sie als Betroffene, sondern die staatlichen Täter von und die Verantwortlichen für sexuelle Folter strafrechtlich belangt werden müssten. Die Rechtsanwältin Eren Keskin wies auf einen besonders offensichtlichen Ermittlungsfehler hin: Eine der Angeklagten - selber Betroffene von Folter und Vergewaltigung - befand sich zur Zeit des Kongresses nachweislich in Haft. Nun ist sie angeklagt, auf dem Kongreß als Rednerin aufgetreten zu sein. Zwecks Durchführung weiterer Ermittlungen wurde der Prozeß auf den 21.6.2001, 14 Uhr 30, vertagt. Die Angeklagten hoffen, daß durch noch größeres internationales Interesse und die Entsendung weiterer Prozeßbeobachtungsdelegationen eine Verurteilung verhindert werden kann. Sie gehen davon aus, daß das gegen sie eingeleitete Verfahren lediglich andere Frauen davon abhalten soll, sich gemeinsam gegen sexuelle Folter zu verhalten. Ein Freispruch würde daher die betroffenen Frauen ermutigen, ihr Schweigen zu brechen und die Bestrafung der Täter zu fordern.