FrauenRechtsBüro
gegen sexuelle Folter e.V. Berlin, den 5.6.2001 Strafverfahren gegen Betroffene von sexueller Folter, Rechtsanwältinnen und Unterstützerinnen in der Türkei: Aufruf zur Prozeßbeobachtung Der
gemeinnützige Verein "FrauenRechtsBüro gegen sexuelle Folter
e.V." in Berlin hat sich im Exil als Zweigstelle des Istanbuler Projekts
"Rechtliche Hilfe für Frauen, die von staatlichen Sicherheitskräften
vergewaltigt oder auf andere Weise sexuell gefoltert wurden" gegründet.
Hintergrund war die während unserer Arbeiten in der Türkei einschließlich
der kurdischen Gebiete gewonnene Erfahrung, daß nicht wenige Frauen,
die sich entschieden, die staatlichen Täter sexueller Folter zur
Anzeige zu bringen, aufgrund berechtigter Furcht vor erneuter Repression
das Land verlassen und fliehen mußten. Aber auch unter denjenigen
Frauen aus der Türkei einschließlich der kurdischen Gebiete,
die schon seit längerer Zeit im Exil um die Gewährung politischen
Asyls kämpfen, befinden sich unzählige, die aus unterschiedlichsten
Gründen bisher nicht den Mut aufbrachten, über die an ihnen
verübte sexuelle Folter zu sprechen. Zu diesen Gründen gehören
die Furcht, daß bei Anzeigenerstattung aus dem Exil heraus zurückgebliebene
Familienangehörige mit staatlichen Repressionen überzogen werden
könnten, ein unsicherer Aufenthaltsstatus sowie die aufgrund der
gesellschaftlichen Wert- und Moralvorstellungen begründete Angst,
aus dem Familien- und Gesellschaftsverband ausgestoßen zu werden.
Das durch diese Befürchtungen verursachte lähmende Schweigen
wirkt sich nicht nur auf die Straflosigkeit staatlicher Täter von
Menschenrechtsverletzungen sondern auch auf den negativen Verlauf der
hiesigen Asylverfahren und insbesondere auf die psychischen Folgen dieser
Art von Folter bei den Betroffenen selber aus. Ein
wichtiges Tätigkeitsfeld des Vereins in Berlin besteht in der Dokumentation
der Situation in der Türkei in Zusammenarbeit mit dem Istanbuler
Büro sowie in der Herstellung von Öffentlichkeit im Exil. Öffentlichkeit
ist ein nicht unerheblicher Schutz für Betroffene wie für Menschenrechtsaktivistinnen.
Diese bedürfen unserer uneingeschränkten Solidarität. Hintergrundinformationen: " Durch die folgenden Ausführungen auf Seite 1 und 6 der Zeitung ist der Straftatbestand der Verunglimpfung der staatlichen Streitkräfte erfüllt: ...Keskin äußerte nach einem Besuch bei den Friedensmüttern in der Haftanstalt von Mardin: Die Mütter, deren Augen verbunden und die völlig entkleidet wurden, sind durch Militärs im Alter ihrer Enkelkinder sexuell mißhandelt worden. In den Zellen wurde ihnen nicht erlaubt, sich zu setzen oder zu legen, sie wurden belästigt und mit Ausdrücken wie "Huren, Nutten" beschimpft und gedemütigt...." Das
heißt, allein der Bericht von Frau Keskin über die von den
"Friedensmüttern" durchgemachte sexuelle Folter zwecks
Unterrichtung der Öffentlichkeit, wird als Straftat bewertet und
ist Grundlage dieses Prozesses. 3. 4. "... Es ist nicht so, wie sie behaupten, daß die Anwendung von Folter nur Einzefälle beträfe, sie wird systematisch zur Anwendung gebracht, wozu nicht nur die Folterer selber beitragen. Auch diejenigen, die die Folterer straffrei ausgehen lassen oder nur hinter verschlossenen Türen gegen sie verhandeln, haben ihren Anteil an der fortbestehenden Systematik von Folter. Ceren und Deniz (die beiden betroffenen Frauen, Anm.d.Ü.) wurden sexuell gefoltert: dies ist die Form der Folter, die am unaussprechlichsten ist und ihre einzige Chance besteht darin, die an ihnen begangene Folter durch psychologische Gutachten attestieren zu lassen. Daher sind sie an das Psycho-Soziale Traumzentrum der medizinischen Fakultät Capa überwiesen worden. Aber entweder werden sie gar nicht zu den Terminen transportiert oder die Gendarmerie besteht drauf, mit im Behandlungszimmer zu verbleiben. Aus diesem Grund wird der gesamte Prozeß in die Länge gezogen. Ich bin der Überzeugung, daß nach Erstellung dieser Gutachten das stattfindende Verfahren (gegen die Beamten, Anm.d.Ü.) eine entscheidende Wendung nehmen wird..." Dies ist der gesamte Vorwurf und durch diese Äußerung in der Öffentlichkeit soll sich Frau Keskin strafbar gemacht haben. Ein Termin für die erste Hauptverhandlung wurde noch nicht anberaumt. Der Mut betroffener Frauen sowie von Menschenrechtsaktivistinnen, über die erlebte sexuelle Folter zu berichten, Anzeige gegen die staatlichen Täter zu erstatten und Öffentlichkeit herzustellen, sind entscheidende Schritte auf dem Weg, der Straflosigkeit staatlicher Täter von Menschenrechtsverletzungen ein Ende zu bereiten. Genauso wichtig ist es, daß dies nicht nur als individueller Akt geschieht, da auch die Konfrontation mit staatlich organisierten, systematisch zur Anwendung gelangenden Menschenrechtsverbrechen nicht nur individueller Art ist. Den obigen dargestellten und anderen Repressionsmaßnahmen läßt sich nur gemeinsam etwas entgegensetzen. Öffentlichkeitsarbeit im Ausland ist dabei unverzichtbarer Bestandteil. Wir bitten daher alle, die unserem Aufruf folgen und an einer Delegation teilnehmen wollen, uns dies mitzuteilen.
Anlage: Programm für die Delegation zum Hauptverhandlungstermin am 21.6.2001 Für die Delegation, die zum Prozeß am 21.6.2001 nach Istanbul fährt, ist folgendes Programm vorgesehen: Donnerstag,
21.6.2001 Freitag,
22.6.2001 Für Übersetzungen während aller vorgesehenen Termine ist gesorgt. Kontakt
über: oder Gözaltinda
Cinsel Taciz |