FrauenRechtsBüro
gegen sexuelle Folter e.V.
(gemeinnütziger
Verein)
Kooperationsbüro
des Istanbuler Projekts
"Rechtliche Hilfe für Frauen, die von
staatlichen Sicherheitskräften vergewaltigt
oder auf andere Weise sexuell mißhandelt wurden"
Friedelstraße
52
12047 Berlin
Tel.:
0049-30-627 37 941
Fax: 0049-30-627 37 942
Mail
: info@womensrightsproject.de
Internet: www.womensrightsproject.de
(In Kürze)
Aufruf
zu einer Delegationsreise zur Prozessbeobachtung in Istanbul
Wie
wohl die meisten von Euch schon wissen findet am 18.10.2001 um 15.00
Uhr vor dem Strafgericht Beyoglu/Istanbul der nächste und damit
dritte Prozesstermin gegen die 18 angeklagten Frauen und einen Mann
statt, denen vorgeworfen wird, an einem am 10./11. Juni 2000 in Istanbul
stattgefundenen Kongress gegen sexuelle Folter als Rednerinnen oder
Organisatorinnen teilgenommen zu haben, und die aufgrund dessen wegen
"Verunglimpfung des Staates und seiner Organe" nach Art. 158
Abs.1 Türkisches Strafgesetzbuch angeklagt worden sind.
Wir
haben in unseren letzten Aufrufen zur Beobachtung des Prozesses über
die Hintergründe dieses Verfahrens berichtet, das auch im Zusammenhang
steht mit zwei weiteren Verfahren, die derzeit in Istanbul verhandelt
werden:
Zum
einen werden - ebenfalls vor dem Istanbuler Strafgericht in Beyoglu
- die Rechtsanwältin Eren Keskin, Vorsitzende der Istanbuler Sektion
des Menschenrechtsvereins und Mitbegründerin des Istanbuler Projekts
"Rechtliche Hilfe für Frauen, die von staatlichen Sicherheitskräften
vergewaltigt oder auf andere Weise sexuell mißhandelt wurden"
sowie der Chefredakteur der Zeitung Yeni Gündem, Erol Tas wegen
"Verumglimpfung der staatlichen Sicherheitskräfte" gem.
Art. 159 Abs.1 Türkisches Strafgesetzbuch i.V. m. Art. 16 Abs.
1 des Pressegesetzes angeklagt. Der Vorwurf wird begründet mit
einem von Eren Keskin verfassten Bericht, der in der Yeni Gündem
veröffentlicht wurde. Darin ist zu lesen, was die Friedensmütter
ihr bei Gesprächen in der Haftanstalt über die von ihnen erlebte
sexuelle Folter berichtet haben. In diesem Verfahren ist der Prozess
sowohl am ersten wie auch am zweiten Verhandlungstag, dem 16.8., nach
ca. 5 Minuten unterbrochen und auf den 31.10.01 Uhr verschoben worden.
Zum
anderen müssen sich fünf der erwähnten 18 angeklagten
Frauen vor dem Staatssicherheitsgericht Istanbul verantworten wegen
"separatistischer Propaganda" und "Aufstachelung zu Haß
und Feindschaft durch das Aufzeigen ethnischer, klassenbedingter und
regionaler Verschiedenheiten" gem. Art. 8 Abs. 1 "Anti-Terror-Gesetz
" i.V.m. Art. 312 Abs. 2 Türkisches Strafgesetzbuch. Diese
Anklage stützt sich ebenfalls auf den eingangs erwähnten Sachverhalt.
Angeklagt ist in diesem Verfahren, wie auch in dem Verfahren gegen die
18 Frauen und einen Mann, auch die Rechtsanwältin Fatma Karakas,
Mitarbeiterin in dem Istanbuler Frauenrechtshilfeprojekt. Dieser Prozess
begann am 28.6.2001 und ist am 11.9.01 erneut vertagt worden auf den
25.12.01.
Bei
diesem Verfahren ist unter anderem ein Umstand zu erwähnen: die
Frauen werden zweimal und vor zwei verschiedenen Gerichten angeklagt
und jedesmal aufgrund desselben Umstands, d.h. wegen dessen, was sie
vermeintlich auf dem erwähnten Kongress im letzten Jahr gesagt
haben sollen. Im Ergebnis kann das zu einer Doppelbestrafung wegen derselben
Sache führen. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ist solch
eine Vorgehensweise nicht denkbar und auch nicht zulässig.
Auf
eben diesen Umstand wiesen die Angeklagten in dem Prozess gegen die
18 Frauen und einen Mann beim letzten Verhandlungstag, dem 28.6.2001
hin. Auch bei diesem zweiten Prozesstag waren DelegationsteilnehmerInnen
aus der Schweiz, Freiburg und Berlin anwesend. Wie schon beim ersten
Termin war auch eine große Anzahl internationaler PressevertreterInnen
gekommen. Auch aufgrund der großen Beachtung, die der Prozess
in den Medien fand, waren zwei Abgeordnete der Menschenrechtskommission
des türkischen Parlaments im Gerichtssaal anwesend. Wie beim ersten
Termin im März vertagte sich das Gericht nach nur 45 Minuten Verhandlungsdauer.
Zum einen muß weiterhin geprüft werden, ob und in welchem
Gefängnis eine der Angeklagten zum Zeitpunkt des Kongresses gewesen
ist. Nachweislich befand sie sich zum damaligen Zeitpunkt wie auch heute
noch in Haft und konnte deshalb an dem Kongress nicht teilgenommen haben,
so dass die gegen sie erhobenen Vorwürfe jeglicher Grundlage entbehren.
Zum anderen muß das Gericht dem von den Angeklagten geltend gemachten
Umstand der Eröffnung zweier Prozesse gegen einige von ihnen nachgehen.
Angeblich wußte das Gericht in Beyoglu nicht von dem ebenfalls
eröffneten Prozess vor dem Staatssicherheitsgericht.
Die
Verschleppung dieses wie auch der anderen beiden Prozesse läßt
unseres Erachtens auf zweierlei schließen. Zum einen scheint das
Gericht nicht freisprechen zu wollen. Andererseits scheut es jedoch
angesichts der großen Öffentlichkeit derzeit auch eine Verurteilung.
Es
ist daher wichtig, dass weiterhin viele nach Istanbul fahren und den
Prozess beobachten und dass ein Interesse der Öffentlichkeit an
diesem Prozess aufrecht erhalten wird. Auch die angeklagten Frauen haben
sich dahingehend geäußert, dass es für sie selbst sehr
wichtig ist, zu sehen, dass sie mit den gegen sie erhobenen Vorwürfen
nicht alleine dastehen, und dass die Prozessöffentlichkeit für
sie einen Schutz darstellt.
Aus
einem weiteren Grund ist zum derzeitigen Zeitpunkt eine Delegationsreise
in die Türkei von besonderer Bedeutung. Kürzlich wurde der
neueste Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur Situation in der
Türkei veröffentlicht. In diesem Bericht wird unter anderem
im Hinblick auf die medizinische und psychologische Betreuung und Behandlung
gefolterter Menschen in der Türkei in einem einzigen Satz schlichtweg
behauptet, dass eine solche möglich und ausreichend gewährleistet
sei. Noch im letzten Lagebericht war genau das Gegenteil festgestellt
worden. Die angeblich neuen Erkenntnisse bzw. die neue Einschätzung
der Behandlungsmöglichkeiten begründet das Auswärtige
Amt mit keinem Wort.
Die
Treffen, die im Zusammenhang mit der Prozessbeobachtung mit verschiedenen
Initiativen vor Ort organisiert werden, können und sollten dazu
genutzt werden, Informationen und Material zu sammeln, das belegt, dass
die Ausführungen des Auswärtigen Amtes in einigen Teilen schlicht
falsch sind.
In
Absprache mit Frauen, die zum Prozess am 18.10. nach Istanbul fahren
werden, sind folgende Treffen vorgesehen: Im medizinischen Bereich:
mit Mitarbeiterinnen der TIHV (Menschenrechtsstiftung Türkei);
der TOHAV (Stiftung für soziale Rechtsstudien); den Ärztinnen
für Menschenrechte bei der Istanbuler Ärztekammer. Im juristischen
Bereich: mit Mitarbeiterinnen des Menschenrechtsvereins IHD; des Istanbuler
Projekts "Rechtliche Hilfe für durch Sicherheitskräfte
vergewaltigte oder auf andere Weise sexuell misshandelte Frauen";
mit Anwältinnen für Menschenrechte bei der Istanbuler Anwaltskammer.
Bei
dem Treffen mit dem IHD soll auch die versuchte Abschiebung von ca.
400 Menschen aus verschiedenen afrikanischen Ländern aus der Türkei
nach Griechenland im Juli dieses Jahres zur Sprache kommen. Bei dieser
polizeilichen Operation (wir berichteten) ist es zu Vergewaltigungen
und Misshandlungen durch die türkischen Behörden, vor allem
aber durch die türkischen Gendarme an der Grenze gekommen.
Die
Treffen und Gespräche werden an den auf den Prozess folgenden Tagen
stattfinden.
Am
Prozesstag selbst werden wir uns 2 Stunden vor Prozessbeginn, also um
13.00 Uhr, in den Räumen des IHD treffen und dann gemeinsam zum
Gericht fahren. Im Anschluss an den Prozess wird es, wiederum beim IHD,
eine erste Auswertung des Prozesses geben, bzw. Zeit für Fragen
nach dem Prozessverlauf, da im Prozess selbst eine Übersetzung
in der Regel nicht möglich ist.
Wir
bitten alle, die nach Istanbul fahren wollen, ihre An- und Abreisezeiten
mitzuteilen, damit die Termine in Istanbul abgesprochen werden können
und möglicherweise am Donnerstagvormittag vor Prozessbeginn schon
Treffen mit Vertreterinnen des IHD und beim Frauenrechtshilfeprojekt
vereinbart werden können.
Für
Übersetzungen während aller vorgesehenen Termine wird gesorgt.
Bei guten Englischkenntnissen, könnten einige der Treffen auf Englisch
sein. Gebt daher bitte eventuelle Sprachkenntnisse bei der Anmeldung
an.
Kontakt über:
FrauenRechtsBüro
gegen sexuelle Folter e.V.
Friedelstr. 52
12047 Berlin
Tel.: 030 - 627 37 941
Fax.: 030 - 627 37 942
email: info@womensrightproject.de
oder
in Freiburg:
Feministisches Archiv e.V.
Adlerstr. 12
79098 Freiburg
email: Prozessbeobachtung-Istanbul@gmx.de