junge Welt, 24.10.2001 Trickreiches Spiel auf Zeit Türkei: Prozeß über sexuelle Gewalt in Polizeihaft erneut vertagt Mit Vertagung mangels Beweismitteln endete dieser Tage auch der dritte Prozeßtag vor dem Istanbuler Strafgericht nach nur 45 Minuten. Nächster Termin ist der 5. Februar 2002. Den 19 Angeklagten wird vorgeworfen, den türkischen Staat und dessen Sicherheitskräfte verleumdet und beleidigt zu haben, indem sie im Sommer letzten Jahres an einem Kongreß zum Thema sexuelle Gewalt in den Gefängnissen mitgewirkt haben. Wie auch bei den beiden letzten Terminen fehlten immer noch entscheidende Beweismittel: Ein Video, das bei dem Kongreß aufgenommen worden sein soll, ist noch immer nicht wieder aufgetaucht. Eine der Angeklagten, Fatma Deniz Polattas, befand sich zur Zeit des Kongresses in Polizeihaft, kann also nicht teilgenommen haben. Dies wurde schon beim ersten Prozeßtermin festgestellt, konnte aber laut Aussage des Richters bis jetzt nicht überprüft werden. Zwei
der Angeklagten machten eine Aussage. Suna Aras berichtete von zwei Beispielen
aus der jüngeren Vergangenheit, bei denen Frauen auf offener Straße
vergewaltigt worden sind. Jedesmal seien Polizisten dabeigewesen. In einem
Land, wo dies möglich sei, fühle sie sich nicht in Sicherheit.
Die angeklagte Schriftstellerin Berin Tas, die den Kongreß mit vorbereitet
hat, glaubt, daß sexuelle Folter und Vergewaltigung immer wieder
vorkommen werden, da die Täter wüßten, daß sie in
der Türkei nicht bestraft würden. Die Aussagen wurden von seiten
des Richters nicht kommentiert. Eine der Angeklagten meinte nach der Verhandlung,
der Prozeß würde offensichtlich absichtlich verschleppt, um
betroffene Frauen einzuschüchtern und sie davon abzubringen, Anzeige
zu erstatten. |