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Berlin, den 21.04.2002

An die Presse und Öffentlichkeit

Neue Anklage gegen die Rechtsanwältin und Vorsitzende der Sektion Istanbul des Menschenrechtsvereins Türkei (IHD) aufgrund ihres Redebeitrags auf der vom IHD durchgeführten Veranstaltung zum "Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen" am 25.11.2001 in Istanbul


Am 25.11.2001, dem "Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen", führte der IHD in Istanbul eine Veranstaltung zum Thema "Gewalt gegen Frauen" durch. Die bekannte Rechtsanwältin Eren Keskin, Vorsitzende der Sektion Istanbul des IHD sowie Mitbegründerin und Anwältin des Projekts "Rechtliche Hilfe für Frauen, die durch staatliche Sicherheitskräfte vergewaltigt oder auf andere Weise sexuell gefoltert wurden", trat neben anderen als Referentin auf dieser Veranstaltung auf, um über die Erfahrungen der Projektarbeit zu berichten. Nun ist sie aufgrund des Art. 8 Abs. 1 des Anti-Terror-Gesetzes ("separatistische Propaganda") vor dem Staatssicherheitsgericht Istanbul angeklagt. Die erste Hauptverhandlung fand am 11.4.2002 statt.

Der nächste Hauptverhandlungstermin ist der 4.7.2002, 9 Uhr, 1. Kammer Staatssicherheitsgericht Istanbul.

In der vom 22.1.2002 datierten Anklageschrift der Staatsanwaltschaft beim Staatssicherheitsgericht (Aktenzeichen: 2002/68, Hz. 2002/28, Esas 2002/68) heißt es:

" ...während ihrer Rede hat die Angeklagte ausgeführt: Eine Frau, die sich im kurdischen Gebiet in Haft befindet, hat keinerlei Möglichkeit, erlittene sexuelle Gewalt mitzuteilen. So sind als Täter sexueller Gewalt während des Krieges in Kurdistan an Frauen, die sich in den Haftanstalten Mardin - Midyat befinden, nach statistischen Angaben an erster Stelle Polizei, Gendarmerie und Dorfschützer zu finden....". Durch diese Aussage hat sich die Angeklagte der mündlichen Propaganda gegen die unteilbare Integrität der Türkischen Republik schuldig gemacht...."

In ihrer Aussage vom 11.1.2002 während des laufenden Ermittlungsverfahrens führte Frau Keskin aus:

" ...Wir vertreten an die 150 betroffene Frauen. Den Begriff "Kurdistan" habe ich während meiner Rede aus Redegewohnheit verwendet und der Begriff Kurdistan wurde schon während der historischen Epoche der Seldschuken benutzt. Selbst Mustafa Kemal Atatürk hat in seinen Anschreiben an die Kommandanturen der Ostprovinzen seinerzeit den Begriff Kurdistan verwendet. Ich vertrete das Zusammenleben von Kurden und Türken. Ich habe mich keines Verstoßes gegen Art. 8 Abs.1 ATG (Anti-Terror-Gesetz) schuldig gemacht und den Begriff Kurdistan nicht im Sinne von Separatismus benutzt."

In der ersten Hauptverhandlung vom 11.4.2002 führte sie weiterhin aus:

"Ich habe die in der Anklage dargelegte Rede gehalten. Ich arbeite in einem Büro, welches die juristische Unterstützung von Frauen gewährleistet, die sexuelle Mißhandlung durch staatliche Kräfte erfahren haben. Alles was ich auf der in Frage stehenden Veranstaltung gesagt habe, entspricht der Wahrheit. Ich habe auch den Begriff Kurdistan, so wie in der Anklage ausgeführt, verwendet. Aber ich habe diesen Begriff nicht verwendet, um damit der Ansicht, es müsse ein separater Staat gegründet werden, Ausdruck zu verleihen. Aus den geheimen Protokollen der Großen Türkischen Nationalversammlung, die ich zu den Akten gereicht habe, ergibt sich, daß selbst Mustafa Kemal von diesem Gebiet als Kurdistan gesprochen hat. Ich bin nicht der Ansicht, daß der Begriff Kurdistan die Türkei zu spalten in der Lage ist. Wenn die Türkei gespalten werden sollte, dann aufgrund einer militaristischen Politik..."

Die Verteidigerinnen gaben zu bedenken, daß Art.8 des ATG kurz nach Fertigstellung der Anklageschrift eine Veränderung erfahren habe und daher die Anklageschrift noch einmal zu überdenken sei. Das Gericht vertagte den Prozeß zwecks Berichtigung der Personaldaten Eren Keskins in der Anklageschrift und zur Vorbereitung des Antrags durch die Staatsanwaltschaft auf deren Antrag hin und beraumte den 4.7.2002 als nächsten Verhandlungstermin an.

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