„Frauensolidaritätskomitee für die
Samstagsmütter in der Türkei“
und
Initiative „Frauendelegation für Istanbul“
c/o Frauen/Lesbenzentrum
Faulerstraße 20
79098 Freiburg

Freiburg, 14.01.2003

An alle Interessierten und an alle UnterstützerInnen
im Zusammenhang mit dem Prozeß in Istanbul, der jetzt seit knapp zwei Jahren stattfindet:

18 Frauen und ein Vater einer Gefolterten sind angeklagt, weil sie im Sommer 2000 auf einem Kongreß die systematische sexuelle Gewalt und Folter von Seiten staatlicher Sicherheitskräfte öffentlich gemacht haben. Angeklagt sind sie wegen „Verunglimpfung des türkischen Staates und seiner Sicherheitsorgane“.

Das neue Jahr hat begonnen und der nächste Prozeßtermin in Istanbul ist in Sicht. Am 25.02.2003 um 14.00 Uhr wird er zum 7. Mal fortgesetzt.

Zunächst ein kurzer Bericht über die letzte
Frauendelegation nach Istanbul zur Prozeßbeobachtung am 10.10.2002

Zu diesem Prozeßtermin gab es bedauerlicherweise nur zwei Delegationsteilnehmerinnen aus der BRD/Mitteleuropa.
Der Prozeß dauerte 15 Minuten, es wurden folgende Punkte verhandelt:
- Fünf der angeklagten Frauen sind wegen desselben Anlasses, des Sprechens über sexuelle Gewalt und Folter in den türkischen Gefängnissen, vor zwei Gerichten gleichzeitig angeklagt, vor einer Strafkammer sowie vor dem Staatssicherheitsgericht. Es sollte schon während der letzten Verhandlungstage geklärt werden, ob das rechtmäßig sei. Zu diesem Termin waren endlich die Prozeßunterlagen da.
- Die Videokassette mit den Kongreß-Aufnahmen der Polizei war immer noch nicht auffindbar, woraufhin die Richter bei den Anwältinnen nachfragten, ob sie einverstanden wären, die Verhandlung ohne die Kassette zu führen. Dies wurde abgelehnt. Die Kassette solle gesucht werden.
- Zwei der angeklagten Frauen haben noch keine Aussage gemacht. Sie werden zum nächsten Prozeßtermin am 25.02.2003, 14.00 Uhr, geladen.

Die angeklagten Frauen selbst waren nicht anwesend, sie waren durch wie Anwältinnen vertreten. Uns wurde von den Mitarbeiterinnen des Frauenrechtshilfeprojektes in Istanbul gesagt, daß die Frauen momentan, es war kurz vor den Wahlen in der Türkei, alle sehr eingespannt seien und viel zu tun hätten.

Außer uns beiden Delegationsteilnehmerinnen aus Freiburg war bei dem Prozeßtermin nur noch ein Mitarbeiter einer kurdischen Nachrichtenagentur als Öffentlichkeit anwesend, also insgesamt drei beobachtende Personen.


Nach dem Prozeßtermin diskutierten wir deshalb mit Anwältinnen und Mitarbeiterinnen des FrauenRechtshilfeprojektes in Istanbul die Frage:

Wie kann eine weitere solidarische Unterstützung der Angeklagten bis zum Ende der Prozesse sinnvoll aussehen ?

In den Gesprächen kamen wir zu folgendem Ergebnis:
Eine andauernde Öffentlichkeitsarbeit zu den Prozessen (wegen ein und derselben Sache vor den verschiedenen Gerichten) in unterschiedlichsten Formen ist nach wie vor dringend wichtig.
Eine öffentliche Präsenz durch Delegationen ist am wichtigsten an den beiden letzten Verhandlungstagen, bei der Urteilsverkündung und einen Termin davor. Die Anwältinnen meinten, es wäre vorher einschätzbar, wann es soweit ist. Bei den Terminen zwischendrin ginge es viel um Aktenabgleich und es sei sinnvoller am Ende mit vielen präsent zu sein, als mit einer oder zu zweit, das habe wenig Wirkung. Über einen langen Zeitraum kosten die Flüge auch einfach sehr viel Geld und das wird auch bei den Prozessen selbst dringend gebraucht.

Bei den zahlreichen Gesprächen und Treffen mit Istanbuler Frauengruppen, die wir rund um den Prozeß führten, ging es viel um die Wahlen, speziell um die kurdische Frage und die sogenannte Frauenfrage. (Wir trafen uns mit VertreterInnen von der HADEP, mit Frauen von Pazartesi dergesi, einer feministischen Wochenzeitschrift und natürlich mit den Frauen vom Frauenrechtshilfeprojekt.)

Abschließend möchten wir noch einmal nachdrücklich auf den
nächsten Prozeßtermin,
den 25.02.2003, um 14.00 Uhr
hinweisen und möchten anregen, zu diesem Termin – wenn möglich – Aktionen, Öffentlichkeitsarbeit etc. zu machen oder Protestfaxe an den Justizminister in Ankara zu schicken, um zu signalisieren, daß die Prozesse in Mitteleuropa immer noch genau verfolgt wird und das öffentliche Interesse keineswegs erloschen ist.
(Adalet Bakanligi, Cemil Cicek, 06659 Ankara, Fax: 0090 312 417 3954)

Ebenfalls möchten wir anregen, schon jetzt zu überlegen, wie zu den anstehenden Frauendelegationsreisen anläßlich der beiden letzten Prozeßterminen mobilisiert werden kann. Wir fänden es sinnvoll, wenn sich jetzt schon Frauen überlegten, ob sie an so einer Frauendelegationsreise teilnehmen wollen. So wäre auch viel Zeit, sich gut darauf vorzubereiten. Wobei es im Moment noch nicht absehbar ist, wann die Prozesse tatsächlich zu ende sein wird. Es kann tatsächlich noch ein Jahr dauern. Hierbei ginge es also um eine längerfristige Planung. Über Interesse, Anregungen, Planungen, Resonanz diesbezüglich würden wir uns sehr freuen.

Zum Schluß möchten wir uns nochmals bei allen Gruppen, Initiativen und Einzelnen, die uns bis jetzt moralisch und finanziell in unserer Solidaritätsarbeit unterstützt haben, ganz besonders herzlich bedanken.


Sabine Graf und Leyla Topuz
Tel.: 0761- 40 98 714


Spendenkonto der Initiative „Frauendelegation für Istanbul“
M. Mayer, Sparda Bank B.-W., BLZ 600 908 00, Konto-Nr. 000 197 8880