Untersuchungsbericht über Sterilisationsmaßnahmen

im Jahr 2002 in Diyarbakir und Umgebung


November 2002

vom

Menschenrechtsverein (IHD) Zweigstelle Diyarbakir

und der Gesundheitsgewerkschaft (SES) Zweigstelle Diyarbakir


Zielsetzung

Auf die unbelegte Information hin, dass im Rahmen von Familienplanung Maßnahmen laufen, die in der Bevölkerung zu Beunruhigung geführt haben, bezwecken wir mit diesem Untersuchungsbericht, spekulativem Vorgehen vorzubeugen, eine generelle Ablehnung der Bevölkerung von jeglicher Form der Familienplanung zu vermeiden und die Öffentlichkeit zu informieren.


Der Fall

Um Daten zu sammeln über Fälle von Sterilisationen im Jahr 2002 in Diyarbakir und Umgebung, die von im Gesundheitsbereich Arbeitenden sowie Mitgliedern des Menschenrechtsvereins mündlich an den IHD weitergeleitet wurden und über die in den Medien berichtet wurde, ist eine Untersuchungskommission bestehend aus Mitgliedern des IHD Diyarbakir und der Gesundheitsgewerkschaft SES Diyarbakir gegründet worden.

Von Anfang des Jahres 2002 bis jetzt wurden von der Provinzgesundheitsbehörde, dem für Gesundheitsfragen verantwortlichen stellvertretenden Gouverneursamt sowie dem Provinzgouverneursamt Schreiben an das Krankenhaus für Frauenkrankheiten und Entbindungen, alle Gesundheitsstationen der Provinz und der Kreise sowie alle Mutter-Kind- und Familienplanungszentren in der Provinz und allen Kreisen verschickt, in dem dazu aufgefordert wird, auf Versammlungen mit medizinischem Personal dafür zu sorgen, dass die Tubenligatur (nicht rückgängig zu machende chirurgische Sterilisation, bei der der Eileiter verschlossen oder durchtrennt wird, Anm.), die lediglich eine von vielen Möglichkeiten der Familienplanung darstellt, in verbreiteter und wirksamer Form vorgestellt und angewandt wird. Von TeilnehmerInnen an Schulungen wurde ausgesagt, dass die Gesundheitsbehörde bei der Ausbildung zum Thema Familienplanung für im Gesundheitsbereich Beschäftigte insbesondere auf dieser Maßnahme beharrt.


Offizielle Schreiben zum Thema

In einem Rundschreiben vom 27.06.2002 mit der Kennnummer 1432 des Provinzgouverneursamtes an die Oberärzteschaft des Krankenhauses für Frauenkrankheiten und Entbindungen, an die Provinzzentralgesundheitsstationen und die Mutter-Kind- und Familienplanungszentren in der Provinz heißt es: “Das gesamte Personal muss sich insbesondere mit der Methode der Tubenligatur beschäftigen. Alle Ausgaben in diesem Bereich werden vom Staat beglichen. Frauen, die durch Tubenligatur sterilisiert werden wollen, sollen darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass alle Ausgaben vom Staat getragen und sie selbst für den Eingriff in die entsprechenden Gesundheitszentren und im Anschluss wieder nach Hause gebracht werden. Die Namen und Adressen von Staatsbürgern, die von dieser Methode Gebrauch machen wollen, müssen festgestellt und weitergeleitet werden. Die Telefonnummern (Festanschluss, Arbeit, falls vorhanden Mobil) des gesamten für Familienplanung zuständigen Personals müssen an die Gesundheitsbehörde sowie die Mutter-Kind- und Familienplanungszentren weitergeleitet werden. Sie müssen jederzeit erreichbar sein. Angestellte, die ihre Aufgabe in diesem Bereich nicht erfüllen, nicht wirksam arbeiten und nachlässig sind, werden dafür verantwortlich gemacht und es werden die notwendigen rechtlichen Schritte eingeleitet. Ich bitte ausdrücklich darum, dass dem Thema die notwendige Sensibilität und Aufmerksamkeit gewidmet wird, dieses Rundschreiben an das gesamte zuständige Personal gegen Unterschrift weitergeleitet wird und die Mitteilung in einer Akte aufbewahrt wird.“

In dem genannten Schreiben sowie auf Versammlungen zum Thema wird darauf hingewiesen, dass „es sich um ein empfindliches Thema handelt und gegen Angestellte im Gesundheitsbereich, die nicht die notwendige Sensibilität aufbringen, rechtliche Schritte eingeleitet werden“. In den offiziellen Anschreiben wird das Gesundheitspersonal dazu aufgefordert, von Haus zu Haus zu gehen, Frauen über das Thema „Tubenligatur“ aufzuklären, ihre Namen und Adressen aufzunehmen und an die Gesundheitsbehörde weiterzuleiten. Außerdem wird davon gesprochen, auf vom Gouverneursamt einberufenen Versammlungen, die mit der Stadtviertelverwaltung betraute Personen, religiöse Männer und Kaffeehausgruppen einschließen, dazu anzuregen, Frauen zur Tubenligatur zu ermuntern.

Nachrichtenmeldungen zum Thema

Diese und ähnliche Aussagen sind neben Diyarbakir auch in Batman und Adiyaman aufgekommen. In einer regionalen Zeitung in Adiyaman erschien folgende Meldung über Erklärungen, die der stellvertretende Gouverneur Mestan Yayman auf einer Versammlung geäußert hat, sowie die Reaktionen darauf: „Wie der stellvertretende Gouverneur Mestan Yayman mitteilte, hat er in Batman als stellvertretender Gouverneur anderthalb Jahre Dienst getan. In der Provinz Batman hat er nach eigenen Angaben, ein Jahr lang, bevor er dort hingegangen ist, die Anzahl der Familien, die über eine Verschließung der Eileiter eine bleibende Geburtenkontrolle angewendet haben, dank der eigenen Arbeit und eingeleiteten Kampagne von 95 auf 705 gesteigert. Weiterhin erklärte er, eine ähnliche Arbeit auch in Adiyaman leisten zu wollen. Aus diesem Grund würden Staatsbürger, die von der Grünen Karte (Krankenversicherungskarte, Anm.) und dem Hilfs- und Solidaritätsfond profitieren wollen, sofern sie fünf oder mehr Kinder haben, dazu angehalten, die Eileiter ihrer Ehefrauen im Krankenhaus verschließen zu lassen. Falls sie dem nachkommen, würden sie sowohl eine Grüne Karte als auch weitere Hilfeleistungen erhalten. Von Ärzten, Zahnärzten und weiteren im Gesundheitsbereich Beschäftigten habe er Unterstützung für sein Projekt angefordert.“ (Artikel aus der Zeitung Adiyaman Milad vom 30. September 2002 unter der Überschrift „Nein zu Druck und Zwang“)

In der Zeitung Diyarbakir Olay erschien am 8. November 2002 eine Meldung, laut der der Direktor der Provinzgesundheitsbehörde, Dr. Emirhan Yardan, eine Zahl von 270 Anträgen [auf Sterilisation] innerhalb von zwei Monaten nennt. Weiter heißt es in dem Artikel, dass die Maßnahme nicht bei Frauen unter dreißig Jahren angewendet wird.

In einer weiteren Erklärung Dr. Emirhan Yardans, erschienen am 20. November 2002 in der Zeitung Diyarbakir Söz, wird die Zahl der Überweisungen ins Tubenligatur-Zentrum innerhalb von sieben Monaten auf 274 festgelegt. 46,7 Prozent der sterilisierten Frauen fielen in die Altersgruppe 25-35.

In einer statistischen Erhebung der Gesundheitsbehörde wird die monatlich durchschnittliche Anzahl der Überweisungen von Gesundheitsstationen und Mutter-Kind- und Familienplanungszentren zwecks Tubenligatur auf 477 festgelegt.

Weiterhin heißt es, dass in manchen Zentren überhaupt keine anderen, rückgängig zu machenden Methoden der Geburtenkontrolle (wie z.B. Spirale etc.) angewendet worden sind, es dagegen aber innerhalb eines Monats 58 Überweisungen zwecks Tubenligatur gegeben hat.

Obwohl es viele verschiedenen Methoden der Familienplanung gibt, werden in Diyarbakir lediglich vier Methoden angeboten (Tubenligatur, Spirale, Pille, Injektion).

In einer Erklärung des Provinzgouverneuramtes, die am 22. November 2002 in der Zeitung Olay veröffentlicht wurde, heißt es, in den ersten zehn Monaten des Jahres 2002 seien in allen Gesundheitseinrichtungen Diyarbakirs insgesamt 820 Personen einer Tubenligatur unterzogen worden.


Aussagen von betroffenen Frauen

Entsprechend der Informationen zum Thema, die die Untersuchungskommission erreichte, wurde eine Untersuchungsdelegation gebildet, die am 15. November 2002 im Dorf Kirmasirt bei Diyarbakir mit M.I. (47 Jahre, elf Kinder), A.C. (34 Jahre, vier Kinder), M.I. (29 Jahre, sechs Kinder), M.C. (44 Jahre, neun Kinder), D.O. (26 Jahre, acht Kinder), S.O. (30 Jahre, fünf Kinder) und A.O. (30 Jahre, vier Kinder) Gespräche geführt hat.

Bei den Gesprächen übermittelten die Frauen unserer Delegation folgende Informationen:
Im Februar 2002 sei ein dreiköpfiges Team mit einem Dienstwagen ins Dorf gekommen, das sich als Hebammen vorgestellt habe. Sie hätten gesagt, dass mit einem kleinen Eingriff, der lediglich mit zwei Stichen genäht werden müsse und für dessen Ausgaben der Staat aufkomme, die Eileiter verbunden werden könnten, so dass weitere Geburten unmöglich seien. Zu jeder Zeit könnte jedoch die Naht wieder aufgetrennt werden und die Frauen wieder Kinder zur Welt bringen. Mit dieser Information seien die Hebammen von Haus zu Haus gegangen. Über andere Formen der Familienplanung und Geburtenkontrolle seien sie nicht informiert worden, so die betroffenen Frauen. Im Dorf seien die Namen von insgesamt 50 Personen festgestellt worden. Gleich am darauffolgenden Tag wurde die siebenköpfige Gruppe (Namen s.o.) aus dem Dorf in das Krankenhaus für Frauenkrankheiten und Geburtenkontrolle nach Diyarbakir gebracht. Nachdem verschiedene Untersuchungen angestellt worden seien, die sie nicht verstanden hätten, seien sie operiert worden und am gleichen Tag ins Dorf zurückgebracht worden. Für diese Maßnahme sei auch die Erlaubnis der betroffenen Ehemänner eingeholt worden. Wie die Frauen erklärten, die für die Tubenligatur von zuhause abgeholt wurden und im Anschluss wieder zurückgebracht wurden, sei ihnen die Aufmunterung zu der Maßnahme auch merkwürdig und bedenklich vorgekommen.

Nachdem an der siebenköpfigen Gruppe die Tubenligatur vollzogen worden war, haben die weiteren festgestellten 43 Personen von der Maßnahme Abstand genommen. Grund dafür war, dass sie die Information erhielten, nach dem Eingriff nie wieder Kinder bekommen zu können, dass nach der Operation bei den Betroffenen verschiedene Beschwerden (Infektion, Blutungen, Schmerzen) auftraten sowie dass keine weitere medizinische Nachbehandlung stattfand. Alle Frauen, an denen die Tubenligatur durchgeführt wurde und mit denen wir gesprochen haben, sind Analphabetinnen, sprechen kein türkisch und verfügen über keinerlei Wissen über andere Verhütungsmethoden.


Juristische Quellen

- Jeder besitzt das Recht auf Leben, Schutz und Entwicklung seiner materiellen und ideellen Existenz. Außer in Fällen medizinisch gerechtfertigter Notwendigkeit und gesetzlich festgelegten Zuständen darf der Körper des Menschen nicht angetastet werden; ohne Einwilligung darf er keinen wissenschaftlichen und medizinischen Experimenten unterworfen werden. (Verfassung, Artikel 17)

- Bevölkerungsplanung: jeder hat das Recht, zur gewünschten Zeit in gewünschter Anzahl Kinder zu bekommen. (Bevölkerungsplanungsgesetz, Artikel 2)

- In unserem Land müssen gesetzlich verheiratete Personen bei einer chirurgischen Sterilisation die schriftliche Einwilligung ihres Partners einholen. (1983, Bevölkerungsplanungsgesetz)

- Die Mutter-Kind- und Familienplanungszentren leisten grundlegende Gesundheitsdienste, im Sinne der Medizinerethik schützende und behandelnde Dienste bezüglich der Gesundheit von Frau, Mutter und Kind, Labordienste, Familienplanungsdienste und damit zusammenhängend theoretische und erfolgbringende Ausbildungs- und Informationsdienste. (Satzung Mutter-Kind- und Familienplanungszentren, Artikel 8b).

- Die Sterilisationsoperation wird unter der Bedingung, dass keine medizinischen Bedenken bestehen, auf Wunsch der betroffenen Person ausgeführt. (Satzung für die Durchführung und Kontrolle von Gebärmutterentfernung und Sterilisation, Artikel 10)

- Die unterzeichnenden Staaten verpflichten sich, alle entsprechenden Vorkehrungen zu treffen, um Frauen diskriminierende Maßnahmen aufzuheben, damit Frauen ebenso wie Männer gleichberechtigt von Gesundheitsdiensten, einschließlich der Familienplanung, profitieren können. (Abkommen zur Aufhebung der Diskriminierung von Frauen, Artikel 12/1).


Medizinische Bewertung:

Aus ethischer Sicht

Bei allen Familienplanungsmethoden müssen vorurteilsfrei Informations-, Ausbildungs- und Beratungsdienste geleistet werden. Informationen über Personen werden an niemanden weitergegeben. Im Namen der betroffenen Person kann keine Entscheidung getroffen werden. Alle Methoden mit negativen und positiven Auswirkungen werden an die betreffende Person weitergegeben, die selbst über die anzuwendende Methode entscheidet. (Im Allgemeinen gemeinsam mit dem Partner). Sie kann sich auch für gar keine Methode entscheiden. Solange keine medizinische Indikation vorliegt, kann keine Methode als überlegen dargestellt werden.

Das Ziel der Familienplanung ist nicht die Bevormundung eines Menschen und nicht eine Verminderung der Bevölkerung, sondern Bereicherung. Damit alle Fähigkeiten der Familienplanung genutzt werden können, müssen den Individuen noch breitere Möglichkeiten gestellt werden. Mütter und Väter müssen über das Wissen und die Möglichkeiten verfügen, ihre eigene Familie planen zu können, damit sie als ein grundlegendes Menschenrecht über die Kinderzahl und die zeitlichen Abstände entscheiden können. (Madrid 1967)

Der Weltärztebund unterstützt eine bewusste, freiwillige und gewählte Familienplanung, solange sie nicht von nationalistischer, sozialer, geschlechtlicher, regionaler oder religiöser Diskriminierung geprägt ist und nicht zur Bevormundung genutzt wird, sondern zur Bereicherung des Menschenlebens. (West Somerset 1996).

Die Fähigkeit der Schwangerschaftsregulierung und –kontrolle muss auf der Komponente der physischen und mentalen Gesundheit der Frauen sowie der sozialen Güte basieren. (Stockholm 1994)

Deklaration zu den Rechten von Kranken; im Vorfeld jeder Art von medizinischer Behandlung und Eingriffen müssen die Kranken in allen Einzelheiten über mögliche Nebenwirkungen und Komplikationen informiert werden und ihre Einwilligung muss eingeholt werden.

Dienste der Familienplanung beginnen mit der freiwilligen Anfrage der betreffenden Person und enden auf landesweiter Ebene in der Organisierungskette des Gesundheitsministeriums in Gesundheitshäusern. Neben diesem Prinzip darf keine Methode hervorgehoben und in Form von Kampagnen in den Dienst gestellt werden.

Eine Sterilisation darf nur in gesetzlich dafür vorgesehenen Fällen und unter staatlicher Kontrolle durchgeführt werden. Sie wird durch das Gesundheitsministerium vollzogen.

Die Prinzipien des hippokratischen Eids (Prinzip der Schadensvermeidung als der Grundlage des Eids, Prinzip des Nutzens, das bestimmt, dass jede Behandlung vor allem nützlich für den Kranken sein muss, sowie das Prinzip „Respekt vor der Integrität der Person“, das die Notwendigkeit der Achtung vor den Rechten des Individuums bei der Behandlung festlegt) erfordern die Aufklärung des Kranken vor einem Eingriff sowie seine Einwilligung. Aus diesem Grund muss bei der Entscheidungsfindung für eine Behandlungsmethode die Einnahme einer aktiven Rolle des Kranken gewährleistet werden, indem er über die negativen und positiven Seiten aufgeklärt wird.

Aus wissenschaftlicher Sicht

Situationen, in denen die Methode der Tubenligatur angewendet werden kann:

- Wenn die Betroffene und ihr Partner sich sicher sind, keine weiteren Kinder zu wünschen;
- Wenn eine Schwangerschaft ein tödliches Risiko darstellt;
- Wenn die Betroffene eine Methode wünscht, die nicht rückgängig zu machen ist.

Die Methode der Tubenligatur hat keinerlei Vorteile im Vergleich zu anderen Methoden der Familienplanung. Sie kann keine ansteckenden Geschlechtskrankheiten verhüten und trägt das übliche Risiko und die Nebenwirkungen, die chirurgische Eingriffe mit sich bringen. Wenn beispielsweise in einem Zentrum viele dieser Eingriffe durchgeführt werden und die Kette der Infektionsverhütungsmechanismen durchlässig ist, besteht das Risiko einer Infektion mit ansteckenden Krankheiten wie HIV sowie Hepatitis B, C und D.

Da der Eingriff nicht rückgängig zu machen ist, ist das Risiko späterer Reue hoch. Während die Sterilisation vor 25 Jahren sowohl bei Männern als auch bei Frauen die wirkungsvollste Methode war, haben heute Kupferspiralen und Hormoninjektionen in erfolgreicher Form den Platz der Vasektomie und Tubenligatur eingenommen.

Situationen, in denen Reuegefühle auftreten können:

- wenn alle Kinder das gleiche Geschlecht haben
- wenn ein Kind nicht gesund ist
- wenn die Ehe in einer Krise steckt
- wenn der Partner keine Tubenligatur will
- wenn Druck oder Manipulation von Seiten des Partners oder anderen für eine Tubenligatur ausgeübt wird
- wenn die Entscheidung unter Stress gefällt wurde
- wenn ungelöste kulturelle oder religiöse Widersprüche bestehen
- wenn die Entscheidung gegen Geld oder andere Belohnungen getroffen wird
- wenn fehlendes oder falsches Wissen zum Thema Tubenligatur besteht
- wenn in der Vergangenheit sexuelle und psychologische Probleme vorgelegen haben
- wenn Zögern aufgrund der bleibenden Wirkung der Tubenligatur vorliegt
- wenn nach der Tubenligatur wegen Neuheirat ein Kinderwunsch aufkommt
- wenn nach der Tubenligatur ein Kind stirbt oder ein weiteres Kind gewünscht wird
- wenn nach der Tubenligatur das Gefühl aufkommt, die eigene Sexualität oder sexuellen Fähigkeiten verloren zu haben


Resultat

- Bei der genannten Vorgehensweise handelt es sich um eine Form der Gewalt gegen Frauen. Bei der Anwendung von Familienplanungsmethoden wird die ausschließlich bei der Frau vollzogene Methode der Tubenligatur bevorzugt.

- Die von der genannten Vorgehensweise betroffenen Frauen werden mangelhaft und falsch zum Thema Tubenligatur informiert. Auf diese Weise werden sie in die Irre geführt. Aus sozioökonomischen und kulturellen Gründen verfügen sie über kein Bewusstsein der Familienplanung. Dieser Informationsmangel wird für die Anwendung der nicht rückgängig zu machenden Tubenligatur ausgenutzt.

- Informationen über andere Familienplanungsmethoden werden nicht gegeben; es wird nur auf der Tubenligatur beharrt.

- In manchen Gebieten werden die betroffenen Frauen von zu Hause abgeholt und nach der Operation wieder zurück gebracht; sie werden zur Sterilisation angeregt, indem ihnen zugesagt wird, dass für die Ausgaben für die Behandlung aufgekommen wird und sie in den Nutzen der Grünen Versicherungskarte gelangen. Außerdem wurde festgestellt, dass zum Thema Familienplanung in den Gesundheitsstationen, die die erste Anlaufstelle dafür sind, nicht ausreichend Materialien für andere Methoden (Kondom, Pille, Spirale etc.) vorhanden sind und die Betroffenen ausschließlich zur Tubenligatur angeregt werden.

- Durch die offiziellen Schreiben vom Gouverneursamt und der Gesundheitsbehörde wird das gegen seinen Willen beauftragte Gesundheitspersonal durch Suggestion, Ermittlungsverfahren etc. zu einem nicht-ethischen Verhalten gedrängt.

- Die zu verschiedenen Zeitpunkten in der Presse veröffentlichten Erklärungen der Provinzgesundheitsbehörde weisen Widersprüchlichkeiten auf. In einer Erklärung wird die Anzahl der in Diyarbakir sterilisierten Frauen in den ersten sechs Monaten im Jahr 2002 mit 274 benannt; darunter keine Frau unter dreißig Jahren. In einer anderen Erklärung heißt es, 46.7 Prozent davon fielen in die Altersgruppe 25-34.

- In den Erklärung der Provinzgesundheitsbehörde wird davon gesprochen, dass die Frauen sich an die Behörde gewandt hätten. Dabei werden keine Anträge angenommen, sondern die Frauen werden zuhause in ihren Dörfern ausgesucht und es wird versucht, sie von der Behandlung zu überzeugen.

- Die Öffentlichkeit wird über das Vorgehen nicht aufgeklärt; die Arbeit wird geheim geführt. In der Öffentlichkeit führt es zu großen Zweifeln, dass Informationen und Daten – außer denen, die unter die Geheimhaltung zwischen Arzt und Patient fallen – nicht mitgeteilt werden.

- Das Vorgehen widerspricht in offensichtlicher Form nationalen und internationalen Rechtsnormen und Prinzipien der medizinischen Ethik. In der entsprechenden Gesetzgebung werden Methoden und Prinzipien der Familienplanung definiert und ausgeführt, in welcher Situation sie angewendet werden können. Die Anwendung der Tubenligatur ist in dieser Form eine schwere Verletzung des Rechtes von Kranken.

- Das Vorgehen weckt in der bestehenden Form Unzufriedenheit und Unwohlsein in der Gesellschaft. Die Bevölkerung betrachtet die Gesundheitsdienste mit Misstrauen. Es besteht Sorge darüber, welche Absicht hinter dem Drängen zum Familienplanungsservice steckt. Dieses Misstrauen hindert die Bürger daran, wirkungsvoll und freiwillig Familienplanungsmethoden anzuwenden.


Forderungen

Wir sind davon überzeugt, dass für eine gesunde Gesellschaft und Zukunft eine Familienplanung notwendig ist. Aber:

- Familienplanungsmethoden sind zwar notwendig und wichtig für die Gesundheit der Gesellschaft; die Anwendung muss jedoch in einer Form stattfinden, die keinen Raum für Zweifel lässt, keine Besorgnis aufkommen lässt und dem Rechtswesen sowie den Menschenrechten entspricht.
- Die bestehende Vorgehensweise weckt Bedenken in medizinischer, rechtlicher, sozialer und ethischer Hinsicht und muss sofort beendet werden. Stattdessen muss die Familienplanung auf wissenschaftlich-ethischer Basis stattfinden.
- Da es Bürger gibt, die sich im Anschluss an das betreffende Vorgehen als Opfer bezeichnen, muss ein Verfahren gegen die Zuständigen eingeleitet werden, die sich rechtswidrig verhalten haben.
- Bei Themen, welche die Gesundheit der Gesellschaft betreffen, müssen vor der Umsetzung Meinung und Unterstützung der zuständigen Berufsorganisationen eingeholt werden.
- Der Druck auf das Gesundheitspersonal, die Tubenligatur zu verbreiten, muss sofort beendet werden.
- Bei der Anwendung von Familienplanung muss die Beteiligung der Gesellschaft gewährleistet werden. Die Öffentlichkeit muss über die getätigte Arbeit informiert werden.
- Das Misstrauen, das aufgrund des genannten Vorgehens bei den Menschen in der Region in Bezug auf Gesundheitseinrichtungen und die geleisteten Gesundheitsdienste entstanden ist, muss beseitigt werden und ein neues Vertrauen aufgebaut werden. In diesem Rahmen können die Bürger mit Fernsehprogrammen, Broschüren u.ä. zum Thema Familienplanung mit der Unterstützung der betreffenden Berufseinrichtungen informiert werden und die Wahl der Methode den Betroffenen selbst überlassen werden.
- Der Schwerpunkt der Familienplanungsarbeit muss auf objektiven Schulungen liegen, die darauf ausgerichtet sind, das Bewusstsein zu steigern für eine Familienplanung, mit der die Geburten auf eine Anzahl beschränkt werden, die es zulässt, allen Kindern Ernährung, Obdach, Gesundheit und Ausbildung sowie ein der Menschenwürde entsprechendes Leben und eine Zukunft zu bieten.

IHD Diyarbakir SES Diyarbakir