„Geschieht ihr recht“ Zwei Richter am Kassationsgerichtshof haben einem Journalisten, der die Istanbuler Vorsitzende des Menschenrechtsvereins IHD Eren Keskin schwer beleidigt hat, weil sie sich auf einer Veranstaltung in Deutschland zu sexuellen Übergriffen türkischer Soldaten gegen Frauen geäußert hatte, Unterstützung zugesprochen. Allerdings bestätigte der Gerichtshof das Urteil gegen den Journalisten Altayli, das zuvor von einem Amtsgericht ausgesprochen worden war. In der Begründung zweier der Richter gegen den Urteilsspruch heißt es in bezug auf Keskin: „Auch wenn die Kritik hart ist, muss sie diese ertragen, denn ihr eigener schwerer Fehler hat dazu geführt.“ Die Rechtsanwältin Eren Keskin hatte im März 2002 auf einer Veranstaltung zum Thema „Sind Frauenrechte Menschenrechte?“ über das Drama von Frauen berichtet, die in den kurdischen Provinzen in der Türkei sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind. Gemeinsam mit Prof.Dr. Necla Arat, die ebenfalls an der Veranstaltung teilnahm, wurde sie vom Generalstab angezeigt. Zum Prozess kam es nicht, weil aufgrund einer Änderung in der Antiterrorgesetzgebung der betreffende Artikel abgeschafft wurde. Stattdessen wurde erneut Anklage wegen „Beleidigung der polizeilichen und militärischen Kräfte des Staates“ erhoben. In diesem Verfahren, dessen Urteilsverkündung für diesen Monat zu erwarten ist, droht Keskin eine Haftstrafe zwischen einem bis drei Jahren. Im Anschluss an die Veranstaltung und nach ihrer Rückkehr in die Türkei äußerte sich der Hürriyet-Journalist Fatih Altayli öffentlich mit folgenden Worten: „Ich werde sie sexuell belästigen, wenn ich sie irgendwo sehe.“ Vom Amtsgericht Sisli wurde er zu einer Entschädigungszahlung von 539 Millionen Lira verurteilt. Das Kassationsgericht bestätigte das Urteil, aber die schriftliche Begründung zwei der Richter sorgt erneut für Diskussionen. Darin heißt es: „Die Klägerin ist Rechtsanwältin und muss in ihren Reden die notwendige Vorsicht und Sorgfalt zeigen. Sie muss auch wissen, dass die türkische Öffentlichkeit sehr sensibel beim Thema Militär reagiert. Die Klägerin wurde in einem Programm aufgrund einer Rede kritisiert. Auch wenn diese Kritik hart ist, muss sie sie ertragen, denn ihr eigener schwerer Fehler hat dazu geführt.“ Rechtsanwältin Eren Keskin bewertete diese Ansicht der Richter als „Skandal“: „In der Türkei muss jeder, der das Militär kritisiert, mit allem rechnen. Es ist furchterregend, wenn der Androhung eines sexuellen Übergriffes gegen eine Anwältin zugestimmt und diese als gerechtfertigt betrachtet wird. Außerdem zeigt es deutlich, welchen Einfluss der Militarismus auf die Justiz hat. Es handelt sich dabei um eine Drohung gegen alle zivilen demokratischen Kräfte.“ Quelle: Özgür
Politika, 13.06.2005
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