Sexuelle Folter in staatlichem Gewahrsam Nach einem Bericht des in Istanbul ansässigen rechtlichen Hilfeprojektes gegen sexuelle Misshandlung und Vergewaltigung in staatlichem Gewahrsam haben sich innerhalb der letzten zehn Monate 15 Frauen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind, mit der Forderung nach juristischer Unterstützung an das Projekt gewendet. Weiter wird in dem Bericht festgehalten, dass zwei Frauen nach einer Vergewaltigung Selbstmord begangen haben und eine Frau aufgrund langfristiger Folgen sexueller Folter ihr Leben verloren hat. Der von den Rechtsanwältinnen Eren Keskin und Fatma Karakas erstellte Bericht befasst sich mit dem Zeitraum 1997 bis Oktober 2006, in dem sich 236 Frauen, davon 166 wegen sexueller Misshandlung, 70 wegen Vergewaltigung, an das Projekt gewendet haben. 206 der Frauen wurden aus politischen Gründen in Gewahrsam genommen. Acht Frauen erlitten aufgrund sexueller Folter Fehlgeburten. Sieben Frauen wurden vor den Augen ihrer Kinder sexuell gefoltert. Vier Frauen wurden durch Vergewaltigung in Gewahrsam schwanger. Vier Frauen wurden als Foltermethode einem Jungfräulichkeitstest unterzogen. Eine Frau wurde zu Tode gefoltert. Zwei Frauen begangen Selbstmord nach Vergewaltigung. Eine Frau verlor durch Spätfolgen sexueller Folter ihr Leben. Ein vierzehnjähriges Vergewaltigungsopfer wurde von ihren Verwandten durch einen „Ehrenmord“ getötet. Am stärksten betroffen von sexueller Misshandlung und Vergewaltigung in staatlichem Gewahrsam sind kurdische Frauen, so hält der Bericht fest. Den Grund dafür sehen die Verfasserinnen in der Tatsache, dass sexuelle Folter in der kurdischen Region immer noch als Mittel im Krieg Anwendung findet. Dagegen habe sich das Bewusstsein kurdischer Frauen, gegen sexuelle Folter juristisch vorzugehen, stark vergrößert. Die größte Gruppe der Täter machen mit 184 die Polizisten aus. 13 sind Militärs, zwölf Angehörige von Sondereinheiten, 13 Dorfschützer, elf Vollzugsbeamte, drei Überläufer und ein Journalist. Im Bericht wird weiter auf die Dunkelziffer von Fällen sexueller Folter in der kurdischen Region aufmerksam gemacht. Viele Frauen seien sexuellen Übergriffen durch Militär und Jandarma ausgesetzt, verheimlichten diese jedoch aufgrund der in der Region herrschenden Bedingungen und der Tatsache, dass die Armee immer noch ein Tabuthema sei. 67 Frauen sind laut Bericht schwerer Repression ausgesetzt gewesen, nachdem sie die erlittene Folter zur Anzeige gebracht haben. Von diesen seien 37 gezwungen gewesen, ihren Wohnort zu wechseln. Eine besondere Problematik liegt nach Eren Keskin und Fatma Karatas auch im Nachweis sexueller Folter. Trotz eines gegenteiligen Entscheids des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte werden in der Türkei Atteste unabhängiger Ärzte nicht akzeptiert. Lediglich Atteste der Gerichtsmedizin finden Beachtung. Quelle: DIHA, 30.10.2006, ISKU
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