Internationales Festival für Demokratie und Frieden, Köln, 2.September 2000  
 
Redebeitrag von Baroness Sarah Ludford
Abgeordnete der Britischen Liberal-Demokratischen Partei im Europäischen Parlament

Baronin Sarah Ludford (MEP) repräsentiert die Stadt London mit ihrer großen türkischen und kurdischen Gemeinde im Europäischen Parlament. Sie ist die Sprecherin der Europäischen Liberalen Demokraten (ELDR) für Bürgerrechte, Justiz und innere Angelegenheiten und ist zudem Mitglied des außenpolitischen Ausschusses im Europäischen Parlament. Sarah Ludford ist ferner die Initiatorin und gegenwärtige Koordinatorin eines informellen "Kurdischen Netzwerkes im Europäischen Parlament", einer Gruppe von 40-50 Mitgliedern des Europäischen Parlaments, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte gegenüber dem kurdischen Volk in der Türkei, im Irak und Iran sowie in Syrien etc. einsetzt. Im Mai 2000 besuchte sie gemeinsam mit zwei anderen Mitgliedern des Europäischen Parlaments, Jean Lamberts und Feleknas Uca, auf Einladung der HADEP und des Menschenrechtsvereins IHD die kurdischen Gebiete im Südosten der Türkei (Van, Hakkari, Batman, Hasankeyf und Diyarbakir).
 
Als Mitglied des Europäischen Parlaments bemühe ich mich außerordentlich um die Einhaltung der Menschenrechte und deren Respektierung und freue mich daher, an dem Festival der Föderation kurdischer Vereine in Europa teilnehmen zu können, insbesondere weil es ein Zeichen im Sinne des
»Weltfriedenstags« setzt.
Ich bin seit meiner Jugend, seit nunmehr 35 Jahren, eine überzeugte Europäerin. Die besondere Attraktion Europas lag für mich in der unauflöslichen Verbindung von Frieden auf der einen Seite und Demokratie, Bürgerrechten und Nicht-Dis-kriminierung auf der anderen. Mit anderen Worten, es ist für die Menschen oder Nationen unmöglich, miteinander in Frieden zu leben, wenn Unterdrückung, autoritäres Verhalten und Intoleranz beharrlich weiterbestehen.
Diese Lektion müssen die Türkei und der Mittlere Osten lernen, besonders in Bezug auf die Kurdinnen und Kurden. Die Türkei ist heute eine offizielle Kandidatin für die Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft; während es jedoch verstärkt Debatten über Veränderungen gibt, die den europäischen
Maßstäben gemäß der Kopenhagener Kriterien entsprechen, sind bisher wenige Anzeichen realer Veränderungen zu sehen.
Die skandalöse Anklage gegen die mutige Journalistin Nadire Mater wegen der Veröffentlichung von "Mehmets Buch" über die Erfahrungen türkischer Soldaten im Krieg in der Südosttürkei zeigt, wie weit die türkische Obrigkeit noch immer davon entfernt ist, die Normen europäischer Demokratie und Meinungsfreiheit zu verstehen.
Ebenso verletzen das "GAP" Projekt und der Ilisu-Staudamm unter dem Aspekt der Einhaltung und des Respekts von Umwelt- und Menschenrechtsstandards diese Maßstäbe. Ich werde das Gefühl nicht los, dass die türkische Regierung mit der Durchführung dieser Pläne, die Tausende von Kurdinnen und Kurden vertreiben und die historische Stadt Hasankeyf überfluten werden, bewusst kurdische Kultur zerstören will.
Der kurdische Kampf für Freiheit - Freiheit der Identität, der Kultur, der Sprache und der politischen Betätigung - ist kein Kampf und darf kein Kampf
sein, der die türkische und kurdische Bevölkerung voneinander trennt.Gegenseitiges Verständnis, gegenseitiger Respekt und die Feier der
Vielfalt, sind die Ziele, die Europa vorgibt, und nicht, dass ein weiterer ethnischer Nationalismus den Platz eines vorhergehenden einnimmt.
Ich appelliere an die türkische Regierung, den Waffenstillstand der PKK zu beantworten - dafür muss das türkische Militär verantwortlich gemacht werden - und Bereitschaft zu Verhandlungen über eine politische Lösung zu zeigen.
Die Türkei ist sich dessen bewusst, dass eine der Bedingungen für ihren Beitritt zur Europäische Gemeinschaft die Abschaffung der Todesstrafe ist.
Aus diesem Grund sollte sie öffentlich erklären, dass Abdullah Öcalan nicht hingerichtet wird. Aus humanitären Gründen und um des Friedensprozesses willen, muss seine Gesundheit ferner durch Verbesserungen seiner Haftbedingungen geschützt werden.
Die Türen sind geöffnet, die Chance für einen Frieden und eine europäische Zukunft ist greifbar. Diese Chance muss wahrgenommen werden, im Interesse der Kurden, der Türken und aller Europäer.