Wertvoll ist, was den Menschen voranbringt Das Tempo der politischen Entwicklungen ist hoch. Manchmal entwickelt sich von einem Moment auf den anderen eine neue Situation. Wir als Individuen sind nicht bereit. Die Bedingungen sind vorhanden. Das organisatorische Umfeld ist auch vorhanden. Das ist, was wichtig ist. Dementsprechend müssen wir bereit sein. Wir müssen uns selbst bereit halten. Die politische Entwicklung schreitet nicht entsprechend dem Individuum voran, sondern nach ihren eigenen Gesetzen. Während wir immer noch die Thesen der demokratischen Lösung, die unsere PF Ende Mai mit ihrem Manifest für das 21. Jhd. präsentierte, diskutieren, immer noch zu verstehen versuchen, sehen wir, dass sie durch den Aufruf zum "Rückzug" am 2. August konkret zu werden beginnen. Und wir wundern und fragen uns: Hat uns die Realität überholt? Wir sagen: Nein. Wir können einen Vorgang feststellen, der nur aus der Eigenschaft, Avantgarde zu sein, entspringt. Wir bemerken, dass unsere PF wieder, wie immer, Avantgarde in der Entwicklung der PKK ist Wer ist Avantgarde? Jemand, der nicht erwartet, dass andere einen Schritt machen, der die notwendigen Schritte selbst macht und dadurch den anderen dazu zwingt, ihm zu folgen. Die Avantgarde stellt selbst die notwendige Entwicklung sicher. Dadurch wird sie Motor des Fortschritts. Kurz, die Avantgarde ist am Anfang von allem. Sie ist die erste bei allem. Den anderen bleibt nur, im Schatten der Avantgarde, nach ihr zu kommen. Natürlich kann man versuchen, sie zu erreichen und zu passieren, sonst würde man schließlich völlig zurückbleiben und aus den Augen verloren werden. Das Schicksal dieser ist, Geschichte zu sein. In der Zukunft ist kein Platz für sie. Wer aber die Eigenschaften der Avantgarde trägt, ist richtungsweisend, findet neue Wege und weiss sie zu gehen. Dadurch kann das Bestehende unter Druck gesetzt werden. Natürlich kann man zögern, die neuen Wege zu gehen, denn die neuen Wege beinhalten immer eine Ungewissheit. Ein Risiko. Die alten Wege sind nicht so. Weil sie schon benutzt wurden, ist klar, wo sie uns hinführen. Von daher ist es leicht, die alten Wege zu gehen, an die man sich gewöhnt hat. Aber lasst uns offen fragen: Wohin haben diese alten Wege den Menschen geführt? Mit den neuen Wegen können neue, positivere Ergebnisse erreicht werden. Auch wenn es schwer sein sollte, kann ihr Nutzen höher sein. Daher ist der Hauptgrund, Avantgarde zu sein, das bestehende zu bezwingen. Es zu bezwingen gewährleistet seine Überwindung. Dies ist genau die Methode, den Menschen vorwärtszubringen. Dies verlangt Verantwortung und außergewöhnlich kunstfertige Arbeit. Daher ist es kein Zufall, Avantgarde zu sein. Im Gegenteil, es ist das Ergebnis davon, die Ursachen, die das Bestehende geschaffen haben, zu erforschen, zu hinterfragen, sie einer objektiven Bewertung zu unterziehen und auf dieser Grundlage die Zukunft zu planen. Das Manifest des 21. Jhd., das die PF vorgelegt hat, ist die Planung der Zukunft. Es ist ein Ergebnis von 40 Jahren intensiver persönlicher Anstrengung, von 20 Jahren organisierter Aktivität, der Erfahrungen aus 15 Jahren Krieg und der Verwendung des historischen Erbes der letzten 100 Jahre. Zum ersten Mal hat unsere PF eine derart umfangreiche Analyse angestellt und dadurch ein neues Lösungskonzept für nationale Befreiungskämpfe entwickelt. Auch wenn die Kampfphase in gewisser Weise dies schon widergespiegelt hat, hat es erstmals derartig umfassend gesammelt und in klaren Thesen seinen Ausdruck gefunden. Und indem wir dieses Werk begreifen, sehen wir uns voller Respekt diesem Produkt großer Arbeit und Anstrengungen gegenüber. Was allerdings noch bleibt, ist, seine Verwirklichung sicherzustellen. Denn wie jeder Plan, ist auch dieser nur eine Anleitung für die Praxis. Das Manifest des 21. Jhd. ist für nationale Befreiungskämpfe ein brandneuer Lösungsweg. Denn es benutzt nicht die klassischen politischen Methoden, sondern die demokratische Methode als Lösung. Was heisst das? Es ist das Suchen nach einer Lösung, indem der Organisationsmechanismus des Staates verändert wird. Es gibt Beispiele für die Forderung nach einem "unabhängigen Staat", einer Föderation, Autonomie und so weiter. Wir aber werden die demokratische Methode anwenden. Das heisst, der Staat bleibt eine Einheit. Soweit für die TR die Organisierung des Staates Republik und ein gemeinsames Land ist, wird es keine Änderung geben. Unser Ziel ist es, die grundlegenden Prinzipien der Demokratie zu verwirklichen und zur Anwendung zu bringen. Dabei werden wir versuchen, sicherzustellen, dass die, die bis heute vom Staat außenvor gelassen wurden, miteinbezogen werden und sich beteiligen. Was ist die Erfahrung, die durch die alten politischen Modelle gemacht wurde? Wenn wir einen Blick darauf werfen, sehen wir, dass sie alle auf ihre Art die bestehenden Probleme nicht gelöst haben. Im Gegenteil, in einem bestimmten Rahmen haben sie die Probleme chronisch gemacht oder noch verschlimmert. Zum Beispiel Indien und Pakistan. Als Indien die "Unabhängigkeit" erlangte, trennte sich Pakistan von Indien und bildete einen "unabhängigen" Staat. Obwohl seither Jahrzehnte vergangen sind, bedrohen sie jetzt sich und die Welt mit Atombomben. Eritea führte lange gegen Äthiopien einen Unabhängigkeitskrieg. Seit diese erreicht ist, wird der Krieg als Grenzkrieg weitergeführt. Und wie viele Staatsgebilde haben sich in einen See von Blut verwandelt? Oder konnten die rückständige innere Struktur nicht weiterentwickeln? Aber das wichtigste außer diesen negativen Beispielen: Die, die nach dem alten Modell kämpfen, können ihren Einfluß nur auf einem kleinen Gebiet geltend machen. Mit dem neuen Modell dagegen hält man sich den Weg offen, auf das Ganze Einfluss zu erlangen. Unsere PF sagt: "So, wie die Kurden in den 20er Jahren bei der nationalen Befreiung die Rolle einer Kraft der "kuvva-i milliye" [nationale Kräfte ] gespielt haben, spieln sie heute auf dem Weg in die 2000er mit der PKK die Rolle einer "kuvva-i demokrasi" [demokratische Kräfte] (...)." Das heißt, genau so, wie sie in den Gründungstagen der TR als Kraft ausserhalb des Systems die Republik und das gemeinsame Land geschaffen haben, gewährleisten sie heute als Kraft ausserhalb des Systems seinen demokratischen Fortschritt. Dies ist das Ergebnis der organisatorischen und militärischen Aktivitäten der PKK. Gleichzeitig hat der bewaffnete Kampf sich zum organisatorischen und willensmäßigen Ausdruck des Volkes entwickelt. Es hat eine Identität gewonnen. Das ist der Sieg des bewaffneten Kampfes. Daher ist die historische Berechtigung des bewaffneten Kampfes unbestreitbar. Der Aufruf unserer PF zum "Rückzug" wird der zweite "Rückzug"
unserer Parteigeschichte sein. Der erste ist die Phase von '79-'82, die
mit dem Putsch vom 12. September [1980] zusammenfiel. In dieser Phase
bereitete sich unsere Partei im Mittleren Osten darauf vor, ins Land zurückzukehren
und den bewaffneten Kampf aufzunehmen. Der erste "Rückzug"
wurde so zur Basis für den 15 Jahre andauernden Kampf. Daher ist
sicher, dass der Rückzug von '99 auch eine Vorbereitungsphase sein
wird. Und damit werden wir in kürzester Zeit mit einer brandneuen
Kampfform wieder für die Machtfrage bereit sein. Natürlich mögen manche unserer FreundInnen jetzt in Untätigkeit verfallen. Mag sein, dass sie denken 'Was zu tun war, haben wir getan', sich in den Sessel verkriechen und die Füße auf den Tisch legen. Aber wir denken, dass es dafür noch etwas zu früh ist. Den der Aufruf, den unsere PF gemacht hat, ist nur das Beharren auf dieser neuen Phase. Sie muß auch noch verfestigt und vollendet werden. Außerdem wartet vor uns noch ein riesenhafter Menschheitskampf. Daher ist unsere grundlegende Aufgabe, unseren Kampf fortzusetzen. Also nicht Müßiggang, sondern wir müssen die Aufgaben, die heute und in der Zukunft auf uns warten, fleißig wie Bienen angehen. Die Grundlage dafür liefert uns die Vertiefung unseres organisatorischen Wissens und unserer ideologischen Linie. Das ist unsere Identität. Denn die PKK ist keine Kurdenpartei, es ist ein Menschheitskampf. Genauso, wie die Zeit für Müßiggang nicht gekommen ist, ist es auch nicht Zeit, ... [unleserlich]. Denn wohin hat uns unser individualistisches Verhalten bis heute gebracht? Ja, bei diesem Thema hat wahrscheinlich jedeR von uns leidvolle Erfahrungen. Nein. So geht es nicht. Die PKK ist es, was uns bis heute widerstandsfähig gemacht hat, und das wird auch morgen so sein. Mit revolutionären Grüßen und hochachtungsvoll, Eva 11. August 1999 Eva Juhnke
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