Köln, 17. Juli 1998
An die Redaktionen
Aktuelles/Ausland/Kurdistan/Türkei,
Informationen zu der aktuellen Situation der Gefangenen in der Türkei
In Elazig gibt es keine Verhandlungsergebnisse
Im Gefängnis von Elazig befinden sich seit dem zweiten Juni die
PKK-Gefangenen im Hungerstreik gegen die Rechtsverletzungen, Willkürmaßnahmen
und die Repression. Achtzehn Gefangene befinden sich im unbefristeten Hungerstreik,
siebzehn führen Hungerstreikketten von jeweils 5 Tagen durch. Am 16.
Juli 1998, dem 34. Tag des Hungerstreiks, wurde bekannt, daß sich
der Gesundheitszustand der Gefangenen von Tag zu Tag verschlechtert. Am
15. Juli gab es ein Gespräch zwischen dem Vorsitzenden des IHD in
Elazig, Cafer Demir, dem IHD-Sekretär in Elazig, Hilmi Elci, dem Vorsitzenden
der Gefängniskommission des IHD-Elazig, Rechtsanwalt Piltan Erdogan,
dem stellvertretenden Staatsanwalt von Elazig, Tuna Gungor, dem ersten
Direktor des Gefängnisses von Elazig und den Vertretern der Gefangenen,
Murat Görmez und Mehmet Akdogan.
Die Delegation berichtete, daß die Gefangenen in den Gesprächen
ihr Mißtrauen gegenüber der Gefängnisleitung zum Ausdruck
gebracht haben. Außerdem forderten sie eine gemeinsame Verlegung
in andere Gefängnisse, da sie befürchten, daß die Zusagen
für die humanitären Forderungen nicht eingehalten werden, genau
wie nach den vorangegangenen Hungerstreiks. Die Gefangenen erklärten
ihre Entschlossenheit, ihren Antrag auf gemeinsame Verlegung auch durchzusetzen.
Als bei dem Gespräch die Delegation darauf aufmerksam machte,
daß die Gefangenen ihren Hungerstreik erst bei einer Zustimmung zu
ihren Forderungen beenden würden, entgegneten sowohl der stellvertretende
Staatsanwalt Güngör als auch der erste Gefängnisdirektor,
daß eine Einwilligung zu der Forderung der Gefangenen nach einer
gemeinsamen Verlegung nicht in ihrer Befugnis stehe, sondern daß
dies das Justizministerium zu entscheiden habe.
Entsendung einer Delegation nach Sivas
Während sich im E-Typ Gefängnis von Sivas 120 gefangene Frauen
aus der PKK seit dem 2. Mai 1998 in einer Hungerstreikkette befinden, ist
die in Ankara zusammengestellte Delegation zur Aufnahme von Verhandlungen
in Sivas eingetroffen.
Die Delegation besteht aus dem Mitglied des Zentralen Koordinationsrates
der Gewerkschaft SES, Veli Büyüksahin, dem Vorsitzenden des Menschenrechtsvereins
IHD in Ankara, Yildiz Temurtürkan, dem Mitglied des allgemeinen Koordinationsrates
des Gewerkschaftsdachverbandes KESK, Veysel Gencel, dem Mitglied der Gefängniskommission
des Fortschrittlichen Anwaltsvereins Zeki Rüzgar, und aus dem
Mitglied der Gefängniskommission der ÖDP (Freiheits- und
Solidaritätspartei), Rechtsanwalt Belgum Culhaoglu.
Der Pressesprecher der Delegation, Rechtsanwalt Medeni Ayhan, verlas
im Namen der Delegation eine schriftliche Erklärung. Er betonte, daß
auch auf den zweiten offiziellen Antrag der Delegation für einen Besuch
im Gefängnis seitens des Justizministeriums und der Direktion des
Straf– und Gefängniswesens lange Zeit keine Antwort gegeben wurde.
Medeni Ayhan gab bekannt, daß das Justizministerium den
Antrag nun mit folgenden Worten abgelehnt hat: „Es ist nicht angemessen,
zum zweiten Mal eine Delegation im Auftrag von Zivilorganisationen in das
Gefängnis von Sivas zu entsenden.“ Der Pressesprecher der Delegation
erklärte weiter: „Auch wenn das Justizministerium uns nicht die Erlaubnis
erteilt, die Situation in den Gefängnissen zu untersuchen, so werden
wir auch weiterhin nicht ruhen und am heutigen Tag auch als
Delegation nach Sivas reisen, um die Rechtsverletzungen aufzudecken,
unsere ablehnende Haltung gegenüber der Unterschlagung der Rechte
auszudrücken und deren Einhaltung zu gewährleisten, und um uns
dafür einzusetzen, den Hungerstreik durch eine Vereinbarung zu beenden.“
Im Gefängnis von Mus werden die Rechte vorenthalten
Im E-Typ Gefängnis von Mus haben Eva Juhnke, Musa Candemir und
Mazhar Tumen im Namen der PKK-Gefangenen erklärt, daß ihnen
die am Ende des letzten Hungerstreiks zugestandenen Rechte von der Gefängnisleitung
nicht mehr zugestanden werden. Sie wiesen darauf hin, daß die von
den Gemeinschaftszellen der Gefangenen getätigten Einkäufe zur
Deckung elementarer Bedürfnisse behindert werden, daß die Besuchszeiten
auf 15 bis 20 Minuten reduziert werden und daß die Verlegung von
Gefangenen, die eine dringende medizinische Behandlung benötigen,
bewußt verzögert wird. Auf den Hin– und Rückfahrten zu
den Gerichten müssen sie stundenlang in Wartezellen des Gefängnisses
warten, und in den Wartefluren des Gerichtsgebäudes von Van müssen
sie den ganzen Tag in Handschellen ausharren. Außerdem versuchen
die Beamten der Sicherheitsgruppe des Gefängnisses, die unter dem
Namen ‘A-Team’ bekannt sind, ständig, zu provozieren, um einen Vorwand
für ihre tätlichen Angriffe zu
schaffen.
Frauen sagen: ‘Wir werden sie zur Rechenschaft ziehen!’
Eine Gruppe von Frauen, Mitarbeiterinnen der Zeitschriften ‘Pazartesi’,
‘Özgür Kadin’ und ‘Yasamda Özgür Kadin’, haben sich
am 15.7.1998 im Barbaros Park in Istanbul zusammengefunden und zeigten
Spruchbänder mit den Aufschriften ‘In den Gefängnissen von Sivas,
Erzurum, Kirklareli, Elazig, Elbistan befinden sich hunderte politische
Gefangene im Hungerstreik’ und ‘Wir verurteilen die Repression in den
Gefängnissen’. Außerdem verteilten sie schwarze Schleifen,
um gegen die unsensible Haltung der Regierung und des Justizministeriums
gegenüber den Hungerstreiks zu protestieren.
Auf dem Boden entrollten die Frauen ein schwarzes Transparent, auf
dem sich Zeitungsausschnitte über die Hungerstreiks der Gefangenen
in den Jahren 1989, 1995, 1996 und 1998 befanden und verlasen eine Erklärung.
Die Journalistin der Zeitschrift ‘Pazartesi’, Ayse Düzkan, die die
Erklärung verlas, erklärte, daß die willkürlichen
Behandlungen in den Gefängnissen ein Ende finden müssen und daß
den Forderungen
der Gefangenen und politisch Inhaftierten Beachtung entgegengebracht
werden muß. Sie rief zum Protest gegen die Haltung der Regierung
auf, bevor es zu spät sei und betonte, daß „sowohl der Justizminister
als auch alle anderen Zuständigen, denen die Entwicklung bekannt ist,
wissen sollten, daß sie die Verantwortung tragen. Wir lassen nicht
locker.“ Nach der Kundgebung riefen die Frauen den Slogan: ‘Susma sustukca,
sira sana gelecek“ (‘Schweig nicht! Wer schweigt, kommt selber dran!’)
und verteilten
anschließend die schwarzen Schleifen am Hafen des Istanbuler
Stadtteils Besiktas.
Die Familien werden klagen
Nach dem Erdbeben vom 27. Juni 1998 wurden die Gefangenen aus dem Kürkcüler
Gefängnis in Adana in das E-Typ und Spezialgefängnis von Antep
verlegt. Bei dem Transport wurden sie vom Wachpersonal angegriffen und
schlecht behandelt. Deswegen werden die Angehörigen Anklage gegen
die Verantwortlichen einreichen. Am 14. Juli 1998 kamen die Familienangehörigen
der Gefangenen im Büro des IHD Adana zusammen und gaben dort eine
Presseerklärung ab. Darin hieß es: „Die Gefangenen, die aus
Sicherheitsgründen in das E-Typ- und Spezialgefängnis von Antep
verlegt wurden, wurden zwischen dem fünften und siebten Juli angegriffen.
Diese Angriffe wurden vom zweiten Gefängnisdirektor und dem als A-Team
bekannten Gefängnispersonal durchgeführt.“ Weiter gaben die Familienangehörigen
bekannt, daß bei diesen Angriffen Bülent Arslan schwer,
Necati Önder, Recep Gedik, Yilmaz Özdemir, Oktay Tarhan, Mahmut
Öztürkmen, Ugur Turkmen, Dogan Kartastan, Bülent Öner,
Sahin Gecit, Mehmet Akgün, Mehmet Bakir Yigit, Mehmet Leylek, Esma
Aslanboga, Arzu Torun und Lütfiye Aydin verletzt wurden.
Die Angehörigen der politischen Gefangenen verlangten die sofortige
Rückverlegung
ihrer Kinder in der Kürkcüler Gefängnis und betonten,
daß sie für alles, was den Inhaftierten und politischen Gefangenen
zustößt, alle Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen werden,
allen voran den Justizminister, den Staatsanwalt und den Direktor des Gefängnisses
von Antep. Die Familienangehörigen werden beim
Staatsanwalt Strafanzeige stellen. „Unsere Kinder sind unsere Würde,
wir werden ihre Ermordung nicht zulassen. Wir werden bis zuletzt an ihrer
Seite stehen,“ sagten sie.
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