Von MARLIES FISCHER
Hamburg/Ankara - Die Hamburgerin Eva Juhnke ist wegen aktiver Mitgliedschaft
in der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in der Türkei zu
15 Jahren Haft verurteilt worden.
Das für schwere politische Straftaten zuständige Staatssicherheitsgericht
in der osttürkischen Stadt Van befand die 33jährige gestern für
schuldig, der PKK seit 1983 anzugehören. Juhnke ist damit die erste
Bundesbürgerin, die in der Türkei eine Haftstrafe verbüßen
muß, und die erste westliche Ausländerin, die als PKK-Kämpferin
in ein türkisches Gefängnis muß. Das Gericht ließ
eine Revision zu.
Die Hamburgerin war bei Gefechten im Herbst 1997 im Norden Iraks von
einer mit Ankara verbündeten Kurdentruppe gefangengenommen und an
die türkische Armee übergeben worden.
Frau Juhnke, die im Gefängnis von Mus einsitzt, und ihre Anwälte
blieben der Urteilsverkündung fern. „Eva hat sich geweigert, weil
sie das Gericht nicht als Instanz anerkennt“, sagte Angelica Williams,
Prozeßbeobachterin der Organisation Prison Watch International, dem
Hamburger Abendblatt. „Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
hat vor kurzem festgestellt, daß türkische Staatssicherheitsgerichte
per se kein Recht sprechen.“
Auch die deutsche Delegation mit Eva Juhnkes Mutter Doris, die schon
seit mehreren Tagen in der Türkei ist, kam nicht zum Prozeß.
„Sie wollten dem Gericht keine Bühne bieten“, so Frau Williams. Der
Staatsanwalt habe noch mehrere Stunden auf die Angeklagte gewartet, sie
aber nicht zwangsvorgeführt.
Eva Juhnke schloß sich damit einem Boykott der Staatssicherheitsgerichte
durch politische Häftlinge in der Türkei an. Die Hamburgerin
hatte sich im Prozeßverlauf zu den Zielen der PKK - der Errichtung
eines eigenen Kurdenstaates - bekannt. Zudem klagte sie über Mißhandlungen
in der Untersuchungshaft. Unter anderem wurde sie gegen ihren Willen einem
Jungfräulichkeitstest unterzogen (das Abendblatt berichtete). „Eine
Mitarbeiterin der deutschen Botschaft in Ankara hat den Prozeß verfolgt
und ist nach der Urteilsverkündung ins 250 Kilometer entfernte Mus
gefahren, um Eva Juhnke den Urteilsspruch mitzuteilen“, sagte Angelica
Williams. Das Auswärtige Amt bestätigte, daß die Botschaftsangehörige
die Hamburgerin auch weiter betreuen werde.
Eva Juhnke lebt seit Mai 1993 als PKK-Kämpferin in Kurdistan.
Nach Auskunft des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz gibt
es Filmaufnahmen, die sie mit PKK-Chef Abdullah Öcalan zeigen. 1982
hatte sich die Altenpflegerin zum erstenmal in Deutschland politisch engagiert
und Kontakt zu Kurden aufgenommen, als die türkischen Behörden
die ersten Massenverhaftungen von Kurden vornahmen. Juhnke nahm an Demonstrationen
und Seminaren teil. Außerdem heiratete sie einen Kurden, der noch
in Hamburg lebt, aber mittlerweile von ihr geschieden ist.
„Ich kann mir gar nicht vorstellen, wieder in Deutschland zu sein“,
sagte sie 1993 in einem PKK-Ausbildungslager gegenüber der Zeitung
„Die Woche“. Einzige mögliche Ausnahme sei, wenn die Partei sie in
ihrer Heimat brauche. „Aber ich hoffe, daß das nicht der Fall sein
wird.“
Eva Juhnkes Hamburger Großmutter Edith Heinerici reagierte gestern
geschockt auf das Urteil. „15 Jahre - dann werde ich Eva nicht wiedersehen!
Ich bin schließlich schon 87 Jahre alt“, sagte sie dem Abendblatt.
Aber sie könne den Einsatz ihrer Enkelin gegen Gewalt und Menschenrechtsverletzungen
verstehen. „Ich habe mich im Dritten Reich auch gegen die Nazis engagiert,
und mein Mann wurde mehrfach verhaftet.“
Juhnkes Bruder Jan hatte das harte Urteil erwartet. „Meine Schwester
wird seelisch und körperlich Schaden nehmen“, sagte er. „Sie wird
im Gefängnis nicht klein beigeben, und deshalb glaube ich auch nicht,
daß man ihr vielleicht Haftverkürzung gewährt. Einen Hungerstreik
hat Eva schon hinter sich, ob sie den nächsten überlebt, ist
fraglich.“