Internationalistin Eva Juhnke in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt
Politische Gefangene in türkischen Gefängnissen boykottieren
Gerichtsverhandlungen
Die deutsche Internationalistin Eva Juhnke wurde heute nach elfmonatiger
Untersuchungshaft vom Staatssicherheitsgericht (DGM) in Abwesenheit zu
15 Jahren Haft wegen Mitgliedschaft in der PKK verurteilt. Desweiteren
ist gestern am 16.9.98 der inhaftierte DEP Abgeordnete Hatip Dicle aufgrund
eines Kommentars zu Eva Juhnke in der Zeitung Ülkede Gündem vom
April ebenfalls in Abwesenheit zu weiteren 2 Jahren Haft und umgerechnet
60.000 DM Geldstrafe verurteilt worden.
Eva Juhnke war im Oktober 1997 nach eigenen Aussagen vom türkischen
Militär in Südkurdistan, in der sogenannten Schutzzone auf irakischen
Territorium festgenommen worden. Schon durch diese völkerrechtwidrige
Festnahme entbehrt das Verfahren gegen sie jeglicher rechtlichen Grundlage.
Ferner ist dieses - wie alle Verfahren der Staatssicherheitsgerichte in
der Türkei - gekennzeichnet durch Einschüchterungen, versuchter
Aussagenerpressungen, Folter, Schikanen und Ausschlüssen der Öffentlichkeit.
Die deutsche Internationalistin Eva Juhnke verweigert am 17. September
im kurdischen Van vor dem türkischen Staatssicherheitsgericht ihre
Beteiligung an ihrem inzwischen neunten Verhandlungstermin. Dort ist sie
angeklagt wegen „aktiver Mitgliedschaft in der PKK“ und verschiedener anderer
Paragraphen des türkischen Antiterrorgesetzes.
Mit ihrer Verweigerung schließt sie sich einem Boykott der Staatssicherheitsgerichte
durch die politischen Gefangenen in den türkischen Gefängnissen
seit dem 5. September an. Diese haben in einer gemeinsamen Erklärung
die Schließung dieser Sondergerichte und die Aufhebung von deren
Urteilen gefordert.
Die Staatssicherheitsgerichte der Türkei genügten mit ihren
„politischen Sonderverurteilungen“ nicht einmal den eigenen „antidemokratischen
Gesetzen“. Die Existenz von Spezialgerichtsbarkeiten mit Militärbeteiligung
und Sondergesetzen sei sogar durch den Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte gebrandmarkt worden.
Diese Gerichte, die durch den Schutz von Kontraguerilla und Mördern
„die Massaker, Folterungen, faschistische Unterdrückung und den Terror“
legitimierten, könnten nicht als legitim anerkannt werden und würden
deshalb von den politischen Gefangenen boykottiert.
Die Rechtsanwälte der Gefangenen haben sich dem Boykott angeschlossen;
auch die Vorsitzenden von 40 Anwaltskammern haben sich ähnlich gegen
die Sondergerichtsbarkeiten der Staatssicherheitsgerichte ausgesprochen.
Eine von der Informationsstelle Kurdistan e.V. unterstützte Delegation,
die zum sechsten Mal den Prozeß gegen Eva Juhnke beobachten wollte,
hat sich nach einem Gefängnisbesuch bei ihr mit den Forderungen der
Gefangenen solidarisch erklärt und den geplanten Prozeßbesuch
abgebrochen.
Die Informationsstelle Kurdistan e.V. unterstützt die Forderungen
der politischen Gefangenen in den türkischen Gefängnissen nach
Abschaffung der Staatssicherheitsgerichte. Darüberhinaus befürwortet
sie einen politischen Dialog zwischen allen Beteiligten, um Wege für
eine Beendigung des seit 1984 in Kurdistan herrschenden Krieges und eine
Demokratisierung der Türkei zu bereiten. Der von der PKK am 1. September
eingeleitete Waffenstillstand bietet dafür die besten Voraussetzungen.
Gerade von Seiten der deutschen Politik müßten Diesbezüglich
nach der bisherigen jahrelangen einseitigen Unterstützung der Türkei
Aktivitäten zur Unterstützung der Friedensbemühungen kommen.