Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 8, Jg. 12, 21.4.1999
 

Deutsch-türkische Polizeikooperation: eng und vertrauensvoll
Besuch bei der GSG 9 / Über den Mord an Andrea Wolf wurde „gesprochen“

Im Zusammenhang mit der Entführung des PKK-Vorsitzenden Öcalan in die Türkei hatte die PDS-Abgeordnete Ulla Jelpke die Bundesregierung nach Art und Ausmaß der deutsch-türkischen Zusammenarbeit vor, bei und nach der Entführung Öcalans gefragt. Am 1. April antwortete die Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 14/720). Hier Auszüge aus der Antwort, die dokumentieren, daß auch unter rot-grün die Zusammenarbeit weiter reibungslos verläuft.
Auf die Frage, wie sich die Zusammenarbeit bundesdeutscher Polizeibehörden und des BGS mit türkischen Polizeibehörden in den letzten fünf Jahren gestaltet habe, heißt es in der Antwort der Bundesregierung u.a.:
„Das Bundeskriminalamt unterhält wegen der besonderen kriminalgeographischen Relevanz der Türkei für die Kriminalitäts- und Sicherheitslage in Deutschland Beziehungen zu türkischen Polizei- und Strafverfolgungsbehörden im fachlich notwendigen Umfang mit Schwerpunkt allgemeine und organisierte Kriminalität.
Vornehmlich zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels erfolgt - schon aufgrund eigener Interessenlage als „Ziel- und Transitland“ insbesondere von Heroin aus der Türkei - regelmäßig ein sowohl allgemeiner als auch jeweils fallbezogener Informationsaustausch mit türkischen Polizeibehörden. Die Übermittlung personenbezogener Daten richtet sich nach den einschlägigen Rechtsvorschriften, insbesondere den Datenschutzbestimmungen sowie den Regelungen zur Rechtshilfe in Strafsachen.
Arbeitskontakte bestehen auch in Fragen der Bekämpfung politisch motivierter Straftaten, insbesondere der Terrorismusbekämpfung ...
Zur Erörterung grundsätzlicher Fragen der polizeilichen Zusammenarbeit haben jeweils im November der Jahre 1997 und 1998 Treffen auf Leitungsebene zwischen dem Bundeskriminalamt und der Generaldirektion der türkischen Polizei stattgefunden. Bei dem letztgenannten Treffen standen neben Fragen der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität Aktivitäten des in Köln ansässigen sogenannten „Kalifatsstaates“ („Kaplan-Verband“) in der Türkei und Meldungen über die Tötung einer deutschen Staatsangehörigen in der Türkei im Rahmen der Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und der PKK im Vordergrund. Im Anschluß an dieses Treffen fand ein Informationsbesuch der türkischen Seite bei der Grenzschutzgruppe 9 des Bundesgrenzschutzes statt.
Zur Verbesserung der logistischen Arbeitsgrundlagen der türkischen Rauschgiftbekämpfungsdienststellen sowie der kriminalpolizeilichen Zusammenarbeit hat das Bundeskriminalamt in den vergangenen fünf Jahren Ausstattungshilfe im Gesamtwert von 704.611 DM geleistet ... Im gleichen Zeitraum wurden insgesamt zwölf Ausbildungsmaßnahmen u.a. zu den Themen „Aufbau, Ausbildung und Organisation der deutschen Polizei“, „Internationale polizeiliche Zusammenarbeit“, „Polizeiliches Informationswesen“, „Analysesoftware“, „Elektronenmikroskopie“, „Ballistik“, „Maschinenschrifterkennung“ und „Sprachausbildung“ durchgeführt, an denen insgesamt 111 türkische Beamte teilnahmen.
Die Kontakte des Bundesgrenzschutzes zur türkischen Grenzpolizei beschränken sich im wesentlichen auf die regelmäßige Übermittlung der Sonderlageinformation „Afghanistan, Irak und Kosovo“ an die türkische Grenzpolizei ...“

Auf die Frage, ob die Bundesregierung diese Art der
Polizeizusammenarbeit in irgendeiner Weise ändern, womöglich sogar einstellen will oder ob sie den Kurs der alten Bundesregierung fortsetze:
„Die Bundesregierung hält eine Zusammenarbeit deutscher und türkischer Sicherheitsbehörden grundsätzlich auch weiterhin für unverzichtbar.“
Von der Entführung Öcalans sei sie nicht unterrichtet worden, bedauert die Bundesregierung dann an anderer Stelle. Bei den kurdischen Protesten nach der Entführung habe es eine „generelle Erörterung der aktuellen Entwicklungen und ihrer Konsequenzen für die Sicherheitslage in der Türkei und in Deutschland gegeben. Eine Zusammenarbeit auf Ministeriumsebene fand nicht statt.“

Hinsichtlich der von Kanther 1995 mit seinem türkischen „Kollegen“ über Abschiebungen kurdischer Flüchtlinge ausgetauschten Briefe und Vereinbarungen will die Bundesregierung, wie schon in der Bundestagsdebatte vor kurzem angekündigt, „erneut Gespräche mit der türkischen Seite aufnehmen.“
Das war’s. Irgendwelche Einschränkungen der Polizeizusammenarbeit soll es auch unter Rot-Grün also nicht geben. Die ständigen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei, die notorischen Folterungen Oppositioneller auf türkischen Waffen, die Rauschgiftgeschäfte bis hinauf in die höchsten Spitzen des türkischen Staats- und Sicherheitsapparats - sie interessieren auch die neue Regierung in Bonn offensichtlich nicht bzw. werden als „nachrangig“ gegenüber deutschen Geschäfts- und Machtinteressen im Mittleren Osten eingestuft. (rül)
Quelle: Bundestagsdrucksache 14/720 vom 1.4.99

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