Nach einem von der Volksbefreiungsfront ERNK veröffentlichten Augenzeugenbericht
gehörte Andrea zu einer Einheit von 39 KämpferInnen. Bei dem
Gefecht zwischen der türkischen Armee und der Volksbefreiungsarmee
Kurdistan, ARGK, wurden 24 FreundInnen getötet. Andrea fiel mit 10
anderen Kämpferinnen und Kämpfern lebendig in die Hände
des Feindes. 2o Minuten wurden sie verhört. Als die Soldaten hörten,
daß Andrea Deutsche ist, wurde sie kaltblütig mit den Worten:
Sie wird uns genau so viel Ärger bereiten wie Kani. (Kani ist
der Codename der Genossin Eva Juhnke, die wegen Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei
Kurdistans, PKK, im September '98 in Van zu 15 Jahren Haft verurteilt worden
ist) erschossen. Drei Tage später fand die Guerilla die Leiche von
Andrea und den anderen FreundInnen, die in der Gefangenschaft ermordet
wurden und begruben sie in den Bergen.
Andrea war eine Revolutionärin. Mit ihrem Leben und ihrem Kampf
trug sie dazu bei, Lösungen für die dringenden Probleme der Menschheit
zu finden. Dafür wurde sie von den Herrschenden gehaßt und immer
wieder verfolgt.
Andreas Geschichte ist eng verknüpft mit der Geschichte der Linken
in der BRD der letzten 20 Jahre. Seit Anfang der 80er Jahre war sie politisch
aktiv. Sie beteiligte sich an Hausbesetzungen und am Widerstand gegen die
Wiederaufbereitungs-anlage in Wackersdorf.
Immer wieder war Andrea auf der Straße, war treibende Kraft in
Auseinandersetzungen und Organisationsprozessen. Sie war am Aufbau revolutionären
feministischen Widerstands ebenso beteiligt wie an weiteren politischen
Initiativen und sozialen Kämpfen. Die Zusammenlegung und die Freilassung
der Gefangenen aus der RAF und dem antiimperialistischem Widerstand, das
Zusammen-fließen der Kämpfe weltweit, das war ihr ein direktes
Anliegen.
Der Staat ließ nichts unversucht, um Andrea wieder und wieder
in die Enge zu treiben. Der Spitzel Steinmetz wurde in die Linke im Rhein-Main
Gebiet eingeschleust und hatte auch Kontakt zu Andrea und ihrer Gruppe.
Durch seinen Verrat wurde Wolfgang Grams in Bad Kleinen ermordet,
Birgit Hogefeld wurde festgenommen.
Andrea war von diesem Ereignis und den gesamten Konsequenzen sehr erschüttert.
Im Anschluß versuchte man ihr eine Beteiligung an dem Anschlag der
RAF auf den Knast in Weiterstadt anzuhängen. Ein erneuter Komplott
gegen sie. Denn Andrea war zur Zeit dieses Anschlages in Mittelamerika.
Andrea war mehr als unbequem für den Verfassungsschutz, denn sie machte
öffentlich, daß Steinmetz und somit auch der Verfassunfsschutz
von Weiterstadt vorher gewußt hatten. Ihre WG, ihr gesamtes Umfeld
wurde versucht zu kriminalisieren, einige sollten zu Aussagen erpresst
werden, FreundInnen kamen in Beugehaft. Zu ihrer Zeugenvorladung ist Andrea
nicht erschienen. Sie wollte erstmal die Situation in sicherer Entfernung
neu einschätzen und bewerten, denn eine Verhaftung und eine längere
Haftstrafe gegen sie erschien ihr sicher.
Nachdem man einige Briefe von ihr an GenossInnen abgefangen hatte,
eröffnetedie Bundes Anwaltschaft, BAW, ein neues Ermittlungsverfah-ren,
gegen sie und andere FreundInnen. Jetzt wegen dem angeblichen Aufbau einer
"neuen terroristischen Vereinigung, nach dem Vorbild der RAF", "orientiert
an der Strategie der PKK."
Andrea hatte sich schon lange vor der Zuspitzung der Repression entschlossen,
nach Kurdistan zu gehen um dort für einige Zeit am Befreiungskampf
teilzunehmen. Sie beteiligte sich als Internationali-stin in der Frauenarmee
der YAJK. Doch so sehr sie den kurdischen Befreiungskampf auch lieben lernte,
so war es ihr Ziel nach Europa zurückzukommen, um am Aufbau revolutionärer
Politik mitzuarbeiten. Sie wollte Erfahrungen über die Organi-satonsprozesse
der kurdischen Revolution sammeln und ihre Erfahrungen aus den Kämpfen
hier in Europa an die kurdische Befreiungsbewegung weitergeben.
Daß der Verfassungsschutz daraus "militärisches Training
für eine Terrororganisation in der BRD" macht, ist dabei ihre Logik.
In revolutionären Prozessen überall auf der Welt zu lernen, hat
jedoch eine ganz andere Dimension, als ein paar Waffen bedienen zu können.
Die Presse hat viel veröffentlicht über Andreas Tod, das
meiste davon sind Lügen. Natürlich schreiben sie nichts darüber,
wofür Andrea gekämpft hat. In den letzten Wochen sind viele unserer
Genossinnen gefallen oder verwundet worden. Die Türkei und die mit
ihr verbündeten Staaten, allen voran Israel und die USA, blasen erneut
zum großen, letzten Vernichtungsschlag gegen die PKK. Doch es ist
ein Angriff auf alle Völker des mittleren Ostens.
Die Antwort der türkischen Regierung auf den Waffenstillstand,
den die PKK am 1. September 1998 ausrief, war ein Attentatsversuch auf
den Parteivorsitzenden Abdullah Öcalan. Kriegsschiffe wurden von der
türkischen Marine an die Seegrenze zu Syrien in Stellung gebracht,
an den Landesgrenzen zog die türkische Armee auf, alle Soldaten wurden
in Alarmbereitschaft gesetzt. Fast wäre ein offener Krieg gegen Syrien
daraus entstanden. Momentan besetzten erneut mehr als 25.000 türkischen
Soldaten Südkurdistan/Nordirak. Gleichzeitig ist die Guerilla so entschlossen
wie nie, diese Angriffe zurückzuschlagen und sie sind vielerorts in
der Offensive.
In vielen Ländern stehen die Menschen entschlossen an der Seite
der PKK. Viele Parteien, z.B. in Rußland, Italien und Griechenland
setzen sich für ein Waffenembargo gegen die Türkei ein und fordern
eine politische Lösung für Kurdistan. In der BRD allerdings gibt
es bisher keinen nennenswerten Widerstand gegen die deutsche Kriegsbeteili-gung
in der Türkei. Längst ist die deutsche Kriegsbeteiligung bewiesen.
Eine ganze NVA-Armee wurde der Türkei geschenkt. Zeitweise war die
BRD erster Rüstungslieferant an das türkische Militärregime.
Und der neue grüne Außenminister Fischer plant weitere umfangreiche
Finanzhilfen für den türkischen Staat. Waffenlieferungen sind
geplant, wie auch eine Aufnahme der Türkei in die Europäische
Union. Genau diese Rolle war für den neuen grünen Außenminister
vorgesehen. Eine wirkliche Kritik an der Türkeipolitik innerhalb des
Parlaments ist nicht mehr zu erwarten.
Nicht einmal die Bundesregierung und mit ihr die bundesdeutsche Presse
hat die Tatsache, daß Andrea hingerichtet wurde, in Zweifel gezogen.
Längst ist es zur Normalität geworden, daß gefangene Guerillas
von der türkischen Armee gefoltert, vergewaltigt und ermordet werden.
Guerilleras sprengen sich vielfach selbst mit Handgranaten in die Luft,
weil sie wissen, daß sie in den Händen des Feindes schlimmeres
erwartet als der Tod. Auch das ist bekannt und vielfach dokumentiert. Die
von Seiten der PKK unterschriebene Genfer Konvention ist für das türkische
Regime nur ein Lappen Papier, das sie mit Füßen treten. Selbst
die gröbsten Verletzungen des Menschen- und Völkerrechts der
Türkei hält jedoch die deutsche Bundesregierung nicht davon ab,
das Regime in Ankara und den schmutzigen Krieg weiter zu unterstützen.
Es ist an uns, dagegen Druck auf der Straße und überall
aufzubauen. Andrea hat einen Weg aufgezeigt, wie der Kampf gegen Krieg
und Faschismus geführt werden kann. Andrea ist gefallen. Sie war eine
Kämpferin. Aufgeben war nie ihre Sache. Statt zu lamentieren, hat
sie gehandelt. Sie wußte, daß nur, wer sich auf Widersprüche
einläßt und auch riskiert Fehler zu machen, neue Erfahrungen
machen und aus ihnen lernen kann.
Unsere Aufgabe ist, Andreas Kraft weiterleben zu lassen, ihren Mut, ihre Entschlossenheit, ihre Liebe für die Menschheit und für den Freiheitskampf der Völker, weiterzutragen.
Es lebe die internationale Solidarität
Unseren gefallenen Revolutionärinnen und Revolutionäre sind unsterblich
November 1998
Kurdistan Solidarität Hamburg