Rundbrief Nr. 3
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Dokumentation von AugenzeugInnenberichten

«Es war so grausam. Ich hatte so etwas noch nicht erlebt»

Zur Dokumentation
Wir dokumentieren auf diesen Seiten die uns vorliegenden AugenzeugInnenberichte. Da es noch zu früh ist für ein abschließendes Urteil, verzichten wir auf eine Bewertung. Gleichwohl möchten wir darauf hinweisen, dass sich einige Widersprüche durch die individuellen Erzählperspektiven der ZeugInnen erklären. So stammen die beiden bereits am 13.8.1999 in der Özgür Politika veröffentlichten Berichte (S. 5 und S. 6) von Männern, die Andrea Wolf kaum kannten, und sie richten sich an die Parteizentrale. Zudem gehörten die Überlebenden verschiedenen Einheiten an, die erst vor den Gefechten zu einer Gruppe zusammengestellt wurden, d. h. ihre Ausgangsposition war jeweils eine andere. Wichtig ist aber auch der Unterschied zwischen schriftlichem und mündlichem Bericht und ihren Adressaten, der seinerseits ebenfalls die Perspektive mitbestimmt.

Im Herbst 1999 hat sich die IUK mit einer der AugenzeugInnen getroffen, die das Gefecht überlebt haben, in dem Andrea Wolf getötet wurde. Die Augenzeugin selbst ist eine erfahrene Kämpferin und hat zum Zeitpunkt der Gefechte bei Beytüssebap als Verantwortliche für den Defensivschutz eine leitende Funktion inne. Sie beschreibt die Kampfhandlungen als besonders brutal und ist trotz ihrer Kriegserfahrung auch ein Jahr danach immer noch erschüttert über das Ausmaß an Gewalt. Vor diesem Hintergrund sind die Brüche und Ungenauigkeiten in ihrer Schilderung ein typisches Merkmal von Erfahrungen mit extremer Gewalt. Zumal sie die Fragen in gewisser Weise zwingen, die Perspektive ihrer Erinnerung zu verlassen. Gleichzeitig setzt sie ihrerseits bei den ZuhörerInnen bzw. LeserInnen gute Kenntnisse von Kriegssituationen voraus. In ihrer Schilderung bleibt die Augenzeugin nah am Geschehen, wobei sie dieses insgesamt immer wieder neu um einige Schlüsselerlebnisse anordnet. Dieser Erzählweise sind wir auch bei der Transkription gefolgt.

Die Augenzeugin berichtet, wie sie Andrea Wolf, die sich in der PKK «Ronahi» nannte, im Mai 1998 in einem Lager der PKK-Fraueneinheit im Grenzgebiet zwischen der Türkei und dem Irak kennenlernt. Die Region zählt zu den schlimmsten Kriegsgebieten. Andrea Wolf kommt auf eigenen Wunsch in die Gegend nördlich von Cukurca, um den Alltag der Guerilla besser kennenzulernen. Sie will für einen Roman weiteres Material über das Leben der Guerilla, den Krieg und die zerstörten Dörfer sammeln. Die meiste Zeit verbringt sie im Lager der Regionalkommandantur, wo sie Berichte an die PKK-Führung verfasst und den Kämpferinnen Sportunterricht erteilt.

Die beiden Frauen verbringen relativ viel Zeit miteinander, sie treffen sich regelmäßig entweder in dem Lager oder bei der kämpfenden Einheit, der die Augenzeugin angehört. Besonders eingeprägt hat sich bei der Augenzeugin das Schwärmen der deutschen Guerillera für die Naturlandschaft Kurdistans und ihre Liebe zum Sport sowie ihr bisweilen etwas aufbrausendes Temperament. Ihr selbst haben die Begegnungen großes Vergnügen bereitet, sie beschreibt ihr Verhältnis als «eine ganze besondere Freundschaft». Gemäß der Parteidoktrin sprechen die beiden aber nicht über ihre individuellen politischen und persönlichen Lebensläufe.

Obwohl Ronahi darauf drängt, sich an Kriegshandlungen zu beteiligen, versuchen ihre Vorgesetzten scheinbar, sie daran zu hindern. Bis zum Herbst schreibt sie vier Notizbücher voll, die sie auch während des Gefechts bei Beytüssebap bei sich trägt, und die seitdem verschwunden sind.

Wegen des herannahenden Winters sollen die Guerillalager in der Nähe von Beytüssebap Ende Oktober aufgelöst werden. Dazu werden die Einheiten neu zusammengestellt: KämpferInnen aus dem Lager der Regionalkommandantur, in dem sich Ronahi aufhält, und der Nachschubeinheiten werden auf die Kriegseinheiten verteilt. Ronahi wird der Einheit der Augenzeugin zugeteilt. Anlässlich der Flucht von PKK-Chef Abdullah Öcalan aus Syrien Mitte Oktober hat das türkische Militär jedoch eine Großoffensive in der Region gestartet. Als sich die Guerilleras um den 20. Oktober auf den Weg machen, geraten sie mitten in diese Offensive. Während ein Bölük - das ist eine Gruppe von 45 Personen - das Gebiet unentdeckt verlassen kann, gerät das Bölük von Ronahi zwischen die Linien der Soldaten. In den nächsten Tagen kommt es an verschiedenen Orten zu Gefechten, in deren Verlauf die Einheit von den Soldaten immer stärker eingekesselt wird. In der letzten und schwersten Auseinandersetzung wird die deutsche Guerillera getötet.


Wir dokumentieren im Folgenden die zentralen Passagen aus dem Interview mit der Augenzeugin.

Ort der Kriegshandlung

Augenzeugin: Beim Awe Masiro gibt es den Berg Taxte Res, es ist ein hoher Berg aus schwarzem Gestein. (...) Unterhalb dieses Bergs fließt der Awe Masiro. Der Fluss entspringt in Beytüssebap. Das Gebiet, in dem das Gefecht stattfand, ist eine Sommerweide, d. h. es gibt dort keine Bäume und keine Steine. Es ist hoch und sehr steil. Es ist ein ziemlich offenes Gebiet. Es ist eine Sommerweide, die völlig kahl ist. In das Dorf Keles gelangt man über den Awe Masiro. Das Dorf wurde vom Feind zerstört, niemand hat dort Zutritt. (...) Wir befanden uns oberhalb des Dorfs. Der Ort, an dem die GenossInnen getötet wurden und an dem das Gefecht stattfand, (liegt) etwa zwei Stunden (von Keles) entfernt.

Zum Gefechtsverlauf

Augenzeugin: Wir waren unterwegs zu einem anderen Ort. Wir wussten nicht, dass eine Operation im Gang ist. Es war eine groß angelegte Operation, an der viele Soldaten beteiligt waren. Es waren auch andere Kräfte daran beteiligt, die Konterguerilla und Dorfschützer waren daran beteiligt. Wir gerieten mitten in diese Operation, als wir uns verstecken wollten. Der Feind griff uns an. Als der Feind uns angriff, kam es zu Gefechten. Wir versuchten am Tag darauf, aus dem Gebiet herauszukommen. Da aber alle Wege dicht waren, mussten wir dort in Beytüssebap/Awe Masiro bleiben.
Am nächsten Morgen entdeckte uns dort der Feind. Der Feind rückte langsam immer näher. Ich kann mich auch an die Uhrzeit erinnern, es war zwischen 10 Uhr und 11 Uhr, etwa 10.30 Uhr, als der Feind uns ganz umzingelt hatte.
Wir hofften, dass sie uns nicht sehen und wir so rauskommen, dass sie vielleicht vorbeiziehen. Aber sie kamen uns immer näher und griffen uns dann auch an. Dann kam es (...) zu einem sehr schweren Gefecht. Das Gefecht dauerte etwa zwei Stunden. Sie griffen uns an, und wir haben sie dann ebenfalls attackiert. Wir wollten mit allen Mitteln verhindern, dass sie zu uns vordringen, weil sie uns dann vernichtet hätten. Wir schafften es aber nicht, ihren Angriff zu durchbrechen. Wir hatten keine Kanonen. Sie griffen uns an, immer wieder. Wir verhinderten jedoch, dass sie bis zu uns vordrangen. Einige unserer GenossInnen wurden getötet, viele wurden verletzt.
Dann forderten sie einen Kobra-Hubschrauber an. Die Kobras werden eingesetzt, um auf einzelne Menschen zielen zu können, jeden Einzelnen töten zu können. Die Piloten müssen dazu extra ausgebildet werden. Die Kobras kamen, sie töteten viele GenossInnen, viele wurden verletzt. (...)
Zu diesem Zeitpunkt war Genossin Ronahi noch am Leben. Sobald wir unsere Verstecke verließen, griff uns der Feind erneut an. Sobald sie uns sahen, griffen sie uns wieder mit dem Kobra an, weil sie uns alle umbringen wollten. Einige Soldaten drangen weiter vor und forderten einen weiteren Kobra an. (...)
Wir wussten nicht, dass es ein Erdloch gibt. Als der Kobra kam, sahen wir, dass es ein kleines Erdloch gibt. Wir waren noch zehn GenossInnen. (...) Es war ein Loch, das etwa drei Meter in die Tiefe ging und dann weiter wurde. Es war groß genug, dass ein Mensch darin Platz hatte.
Der Feind griff erneut an. Er durchbrach unsere Linie - mit Raketen, Handgranaten und Waffen, die ich noch nie gesehen hatte. Ich weiß nicht, was es für Waffen waren. Ich kenne die türkischen Bezeichnungen nicht. Ich kenne G3, MG3, Mörser, Gewehre und Handgranaten etc. Aber es kamen Waffen zum Einsatz, deren Geräusche ich zum ersten Mal hörte. Es waren sehr seltsame Geräusche. Sie griffen uns immer wieder an und töteten alle GenossInnen (außer uns, die wir im Erdloch waren).
Wir waren also im unteren Teil des Erdlochs. Da hörten wir die Stimme von Genossin Ronahi, sie war oben. Sie hatten Genossin Ronahi gefangen genommen, man konnte ihre Stimme hören. Ich konnte sie nicht sehen, nur ihre Stimme hören. Wir waren im unteren Teil des Erdlochs, sie war oben, nur ihre Stimme drang nach unten. Sie sprach Englisch. Ein Dorfschützer sagte: «Ihr müsst die Hefte dieser Person kontrollieren. Ihr müsst sie euch gut anschauen.» Ich weiß nicht, was er alles sagte. Wir waren die Letzten und wollten möglichst keinen Laut von uns geben.
Sie (die Soldaten) wussten nicht, was sie tun sollen. (Sie fragten sich,) ob sie die GenossInnen verbrennen sollen. Einen Genossen, der verletzt war, haben sie verbrannt. Der Genosse hieß Kameran, er stammte aus Syrien, diesen Genossen haben sie verbrannt. Er war verletzt. Sie haben ihn gefangen genommen, auf Holz gelegt und es angezündet. Sie haben so schreckliche Dinge getan, dass man nicht darüber reden kann. Viele GenossInnen haben sie gequält, gefoltert. Die Märtyrer waren in einem fürchterlichen Zustand. Es war nicht normal, die GenossInnen waren übel zugerichtet.

Das Verhör

Augenzeugin: Wir waren also an unserem Platz. Da hörten wir die Stimme von Genossin Ronahi. Sie sprach Deutsch, ich verstand auf jeden Fall nicht, was sie sagte. Ich hörte nur, dass sie schrie. Ich hörte die Stimmen der Dorfschützer. Einer sagte: «Ihr müsst ihre Hefte lesen.» Ich hörte also die Stimme von Genossin Ronahi und die von einem weiteren Genossen, Diyar. (...) Was Genosse Diyar sagte, konnte ich verstehen, nicht jedoch Genossin Ronahi. Ich hörte, wie sie Genosse Diyar fragten: «Warum bist du hierher gekommen? Was hast du hier zu suchen?» Er sagte: «Ich bin gekommen, um mein Land, meine Heimat zu retten.» Er hat sich nicht ergeben. Die GenossInnen hatten keine Waffen mehr. Ihre Waffen waren alle durch den Kobra-Angriff vernichtet worden.
Genosse Diyar und Genossin Ronahi waren also in Kriegsgefangenschaft geraten. Dann töteten sie Genosse Diyar und Genossin Ronahi. Sie hatten alle unsere GenossInnen getötet. Das sahen wir später. Später haben wir gesehen, was sie getan haben. Sie töteten Genossin Ronahi und Genosse Diyar und die anderen GenossInnen. Weitere GenossInnen hatten sie weggebracht. Sie hatten sie mit Helikopter weggebracht.
Die Stimme von Genossin Ronahi war voller Angst. Sie hat geschrien. Sie sprach Deutsch. Ich verstand nicht, was sie sagte, aber ihre Stimme war wütend, wie von jemand, der starke Schmerzen hat. Sie sprach Deutsch, ich verstand nicht, was sie sagte. Sie (die Soldaten) sprachen Türkisch, die Dorfschützer Kurdisch, ein einziges Durcheinander, jeder sprach in einer anderen Sprache.
(...) Wir waren noch vier GenossInnen (in dem Erdloch ...), wir vier verkrochen uns ganz unten und versuchten, möglichst keinen Laut von uns zu geben. (...) Dann kamen sie direkt zum Eingang des Erdlochs und haben uns immer wieder zugerufen. Sie riefen: «Ergebt euch! Wenn ihr euch nicht ergebt, bringen wir euch um.» Wir wussten nicht, was wir tun sollten. Als wir nicht rauskamen, haben sie immer wieder Handgranaten reingeworfen.
Wir blieben drei Tage in dem Erdloch. Drei Tage - unsere GenossInnen waren tot. Der Feind wartete drei Tage (darauf), dass wir rauskommen, um uns ebenfalls zu töten. Drei Tage kamen wir nicht aus dem Loch. Manchmal schossen sie um sechs Uhr morgens eine Salve, manchmal um zwölf Uhr nachts. Vor Angst haben wir nicht geschlafen, nichts. Wir haben ständig daran gedacht, dass wir alle unsere GenossInnen verloren hatten. (...)

Nach dem Gefecht

Augenzeugin: Am vierten Tag haben wir uns rausgewagt. Der Feind hatte sich auf einen großen Hügel zurückgezogen. Die Sommerweide war ja ganz kahl, es gab keine Bäume und nichts, so dass wir den Feind auf dem Hügel gut sehen konnten. Zudem war es nicht weit weg. Wir sind also rausgegangen und haben nach den Toten geschaut.
Als wir rauskamen, sahen wir Genossin Ronahi. Wir sahen viele GenossInnen. Die GenossInnen waren in einem fürchterlichen Zustand. Viele waren verbrannt. Es war grausam, sie waren übel zugerichtet. Man kann sich so etwas nicht vorstellen. Sie waren von der Folter übel zugerichtet.
Ich sah Genossin Ronahi. Ihre Haare waren offen. Die Genossin war in einem fürchterlichen Zustand. Ihr Hals war voller schwarzer Flecken, wie Würgespuren. Ihr Körper wies Folterspuren auf, ihr Körper war voller Spuren von Schlägen mit Gewehren, Spuren, die von harten Gegenständen stammten. Die Genossin war gefoltert worden. Ich sah auch andere GenossInnen.
Ein weiterer Genosse lag unter den Toten. Sein Name ist Diyar. Er war von einer Handgranate getroffen worden, sein Körper war über und über von Granatsplittern getroffen worden. Ein Auge fehlte ihm. Er lebte jedoch noch. Der Feind hatte ihn für tot gehalten und ihm den Waffengurt abgenommen. Als wir ihn fanden, war er bewusstlos. Deshalb hat der Feind vermutlich gemeint, er sei tot. Wenn sie sich nicht sicher gewesen wären, hätten sie ihn ganz bestimmt ebenfalls getötet. (An dem Gefecht waren zwei Männer namens Diyar beteiligt, einer wurde getötet, der hier erwähnte hat überlebt; Anm. d. Ü., siehe auch den Bericht S. 6.)

Der Feind hatte das gesamte Gebiet niedergebrannt. Auf den Sommerweiden gibt es ein trockenes Gras, das gut brennt. Er hatte alles angezündet, das Feuer hatte sich großflächig ausgebreitet. Wir gingen dann nach Taxte Res/Awe Masiro. Dort haben wir uns sechs Tage lang versteckt, ohne dass wir uns von der Stelle bewegen konnten. (...)
Als wir uns dort versteckten, kamen unsere GenossInnen. Sie hatten uns gesucht, sie suchten nach den Leichen. Sie dachten, dass niemand überlebt hätte. Zehn, zwanzig GenossInnen haben nach den Toten gesucht, um sie zu bestatten. (...) Sie brachten uns etwas zu Essen und brachten uns dann ganz langsam zum Stützpunkt.
Sie haben die Toten in einem Massengrab bestattet. Ich kann auch sagen, wo sich das Massengrab befindet. Es ist in der Gegend von Beytüssebap.
Sie haben die GenossInnen fürchterlich zugerichtet. Die Kleidung von Genossin Ronahi - ich sah, dass es deutsche Kleidung war. Sie trug deutsche Unterwäsche, aber ihre Oberbekleidung war die Guerillauniform. Ihre Kleidung hatte der Feind z. T. zerschnitten und auf irgendwelchen Felsen verteilt. (...)
Es gab einige Leichen - sie waren nicht im Gefecht gefallen, die Soldaten waren gekommen und hatten sie umgebracht. Die Leichen waren überall verstreut. Nur wir lebten noch. (...) Ich habe noch nie in meinem Leben so viel geweint. Ich hatte so etwas noch nicht erlebt.

IUK: Sie sagten, dass das Gefecht zwischen 10.00 und 11.00 Uhr morgens begann. Wie viele Personen waren Sie?

Wir waren 42 Personen, 45 insgesamt. Nein, 39. Sechs waren in der Nacht vom Weg abgekommen, sechs Späher. Nein drei waren es in der Nacht und drei Späher. Wir waren 39 Personen, die dort angekommen sind.

Können Sie mir den Gefechtsverlauf noch einmal schildern?

Nachdem uns der Feind gesehen hatte, rückte er langsam näher. Wir zogen uns langsam in Richtung Fluss zurück. Aber der Feind schnitt uns alle Wege ab. Er rückte immer näher, bis er bei uns war. Bis dahin hatten wir immer noch gehofft, dass wir so rauskommen würden. (...)
Als er an uns herangerückt war, griffen wir ihn an. (...) Daraus entwickelte sich allmählich das Gefecht. Der Feind griff uns an, und als er bis auf 50 Meter, 20 Meter an uns herangerückt war, haben wir Handgranaten geworfen. Daraufhin hat sich der Feind etwas zurückgezogen und es begann ein schweres Gefecht. (...)

Wie lange dauerte dieses Gefecht?

Es dauerte zwei Stunden.

Was geschah bis zu dem Zeitpunkt, wo Sie sich in das Erdloch verkrochen?

Viele unserer GenossInnen wurden getötet. 29 unserer GenossInnen wurden getötet. Soweit ich das sehen konnte, gab es auf Seiten des Feindes (ebenfalls) Tote. Mit meinen eigenen Augen sah ich zehn Tote. (...)
Unsere Waffen waren zerstört worden, als der Kobra uns angriff. Wir verloren alle Waffen (durch die Druckwelle). Handgranaten hatten wir auch keine mehr. Als uns der Kobra angriff, haben einige die Handgranaten weggeworfen (um zu verhindern, dass sie durch die Druckwelle explodieren). Acht unserer GenossInnen waren in Gefangenschaft geraten. Sie haben die Verletzten gefangen genommen. Einige waren verletzt, z. B. Cahide, sie haben sie gefangen genommen.

Sie versteckten sich in dem Erdloch. Was geschah dann?

Wir gingen in das Erdloch. Der Feind kam dorthin, auf den Hügel, auf dem wir uns befanden, und nahm alle GenossInnen fest, die noch lebten. Ich hörte wie die GenossInnen verhört wurden. Ich erkannte die Stimmen von Ronahi und Diyar. Die anderen, die sich ergeben hatten, wurden im Kobra abtransportiert.

Was haben Sie gehört?

(...) Dann hörte ich die Stimmen von Genossin Ronahi und Genosse Diyar. (...) Wie ich schon gesagt habe, ich verstand nichts. Aber ich hörte sie laut auf Deutsch schreien, ihre Stimme war wütend. Ich hörte sie schreien wie jemand, dem man fürchterlich weh tut, den man foltert. Ich konnte (aber) nicht verstehen, was sie sagte. (...)

Hat ihr jemand auf Deutsch geantwortet?

Nein, nur Genossin Ronahi redete Deutsch. (...)
Ich hörte die Stimmen von Genossin Ronahi und Genosse Diyar etwa vier bis fünf Minuten. Dann fielen Schüsse und ich hörte die Stimme von Genosse Diyar nicht mehr. Als wir später rauskamen, sah ich, dass er erschossen worden war.

Können Sie mir sagen, wie viele Schüsse fielen?

Es war eine ganze Salve. Sie schossen immer wieder. Als wir ihn fanden, hatte er eine Schusswunde am Kopf. Es war ein Durchschuss von einer Schläfe zur anderen. (...)

Können Sie mir sagen, was mit Andrea Wolf geschah?

Ich hörte zuerst ihre Stimme und dann die Stimme von Genosse Diyar. Zuerst verstummte ihre Stimme und dann die von Diyar. Als ich später die Leiche sah, war sie nackt.

Nur die Leiche von Andrea Wolf?

Nein, viele. Einige waren nackt, anderen hatten sie die Ohren abgeschnitten, einem anderen die Arme, andere hatten sie verbrannt. Einige waren völlig zerfetzt. Das kam wohl durch den Kobra-Angriff.

Noch einmal zum Zustand der Leichen. Können Sie mir diesen genauer beschreiben?

Genosse Kameran war verbrannt worden, sein ganzer Körper. Das Körperfett floss am Felsen herunter. Genossin Ghazal hatten sie mit gespreizten Beinen kopfüber an einem Felsbrocken aufgehängt. Die GenossInnen Asima, Cembelli, Hogir, Dilbirin und Harun waren völlig zerfetzt. Das war wohl eine Folge des Kobra-Angriffs. Wer sie davor nicht gut kannte, hätte sie nicht wieder erkennen können. Es war oft nur ein kleines Teil, ein Stück Schuh oder etwas ähnliches, an dem man sie erkennen konnte. Es war ein furchtbares Durcheinander aus einzelnen Körperteilen, Blut, Erde und Fliegen. Den Genossen Sipan, Botan und Agiri hatten sie die Ohren und Hände abgeschnitten. (...) Der Kopf von Genosse Kendal sah aus, als hätte jemand mit einem Stein darauf geschlagen. (...)

Können Sie mir den Zustand von Andrea Wolfs Leichnam beschreiben?

Genossin Ronahi lag lang ausgestreckt auf dem Boden. Ihre Haare waren offen. Die Guerillakleidung hatte man ihr ausgezogen, sie trug nur noch Unterhemd und Unterhose.

War der Leichnam von Andrea Wolf verstümmelt?

Nein. Ihr Körper war nicht verstümmelt.

Hatte sie Schussverletzungen?

Das konnte ich nicht erkennen.

Sie sagten, dass ihr Hals schwarz war. Können Sie das genauer beschreiben?

Es sah aus, als wäre sie gewürgt worden, mit der Hand oder mit dem Sutik (etwa 15 m lange Schärpe wie sie von der Guerilla getragen wird). Sie hatte schwarze Flecken an beiden Armen und an einem Bein.

Was ist später mit den Leichen passiert?

Die GenossInnen haben sie alle in einem Grab bestattet. Die Leichen stanken schon, das Fleisch fing an zu verwesen. Sie wurden alle in einem Grab bestattet. Wegen dem Geruch konnte man nicht mehr viel machen.