Solidarität mit den politischen Gefangenen in der Türkei!
Gemeinsame Erklärung der internationalen Solidaritätsorganisationen
Gestoras pro Amnistia (Baskenland), Libertad! (Deutschland), Coisde
(Irland), Addameer (Palästina), Network for social and political
rights (Griechenland)
An die kämpfenden politischen Gefangenen in der Türkei
An die demokratischen und revolutionären Bewegungen und Organisationen
An die Öffentlichkeit
Die grausamsten und schrecklichsten Nachrichten haben uns aus den Gefängnissen
der Türkei erreicht. Voller Zorn erleben wir, wie vor den Augen
der Welt Gefangene gefoltert und grausam ermordet werden. In den Morgenstunden
des 19. Dezember griffen Spezialeinheiten 20 Gefängnisse in allen
Landesteilen der Türkei an: mit Panzern, Bulldozern, Granaten und
Scharfschützen wurden die Gefängnisse gestürmt, Wände
weggesprengt, um den Weg freizumachen für eine mordende Soldateska.
Über 25 Genossinnen und Genossen wurden bereits ermordet: erschossen,
erschlagen oder lebendig verbrannt. Viele Gefangene werden vermisst
und wir müssen mit weiteren Toten rechnen.
Der Angriff richtete sich gegen 1000 politische Gefangene, die sich
seit 63 Tagen mit einem Hungerstreik gegen ihre Verlegung in neugebaute
Isolationshaftgefängnisse wehren. Überlebende des Massakers
wurden in diese Spezialgefängnisse verschleppt, geschlagen und
misshandelt. Hungerstreikende wurden in Krankenhäuser unter Militärkommando
verbracht, um dort zwangsernährt zu werden. Diejenigen, die weiter
Widerstand leisten werden in künstliche Bewusstlosigkeit versetzt.
Tausende Menschen, die sich mit den Gefangenen solidarisierten wurden
auf der Straße verhaftet. Dutzende der Mütter und andere
Angehörige der politischen Gefangenen teilen dieses Schicksal.
Aber der Hungerstreikkampf geht weiter.
Seit Monaten wehren sich die politischen Gefangenen, ihre Angehörigen
und die Menschenrechtsvereine gegen die Einführung des Systems
der Einzel- und Isolationshaft in der Türkei.
Wir, internationale Solidaritätsorganisationen mit den politischen
Gefangenen, unterstützen diesen Kampf. Wir wissen, dass Isolationshaft
nur eine weitere Methode der Folter ist, um politische Gefangene zur
Unterwerfung zu zwingen. Wir wissen, dass die Regierungen lügen,
wenn sie einen »modernen Strafvollzug« versprechen. Von
der Türkei wurde als eine Bedingung für ihre Mitgliedschaft
in der Europäischen Union verlangt, die Situation in den Gefängnissen
an Europa anzupassen. Heute hören die europäischen Regierungen
in stillschweigender Genugtuung die Meldung vom Vollzug dieser blutigen
»Reform«, in den Worten des türkischen Partners Bülent
Ecevit: »Wir haben die Terroristennester ausgehoben«. Wir
sagen: die europäischen Regierungen sind mitverantwortlich für
dieses Massaker.
Immer dann, wenn neue Maßnahmen zur Unterdrückung gegen die
Gefangenen eingeführt werden, ergießt sich ein Meer von Lügen
über sie, deren alleiniger Zweck ist jede Art von Menschenrechtsverbrechen
zu rechtfertigen: jetzt wollen uns türkische Politiker und ihre
staatstreue Presse Glauben machen, die Gefangenen würden von ihren
eigenen Organisationen unterdrückt, und dass die Militäraktion
der Rettung der angegriffenen Gefangenen galt.
Aber es ist das Recht und die Pflicht aller politischen Gefangenen,
sich zusammenzuschließen, ihr Leben gemeinsam zu organisieren,
sich gegenseitig zu unterrichten und zu schulen, sich gegen die Angriffe
der Wärter und Polizisten zu schützen und zu wehren. Nur die
Gemeinschaft und die Kollektive der politischen Gefangenen bieten die
Möglichkeit einer politischen und menschlichen Existenz in der
Gefangenschaft. Dafür und deshalb kämpfen die Gefangenen in
der Türkei. Diese Solidarität in der Gemeinschaft politischer
Gefangener zu zerstören, das war und ist das Ziel von Regierungen
überall auf der Welt. Und es ist dies auch der Grund für das
Massaker in der Türkei.
Genossinnen und Genossen in den türkischen Gefängnissen:
Wir sind in diesen schweren Stunden mit unseren Gedanken bei euch! Unsere
Gedanken sind auch bei euren Familien, die fürchterliches erleiden.
Wir ehren und gedenken der Ermordeten, die für die Sache der Freiheit
gefallen sind! Euer Kampf ist von größter Bedeutung für
eurer Land, aber auch für Europa. In diesem Kampf geht es nicht
nur um die Gefängnisse. Das Massaker, begangen unter den Fahnen
der »Modernisierung« und der »Demokratie«, zeigt,
was sie wert sein werden: die sozialen und politischen Rechte des Menschen
in einer Türkei auf ihrem Weg nach Europa.
22. Dezember 2000
Bilbao, Belfast, Frankfurt am Main, Jerusalem, Athen
Gestoras por Amnistia - Solidaritätsorganisation für die
baskischen politischen Gefangenen (Baskenland)
Coisde - Komitee der ehemaligen republikanischen politischen Gefangenen
(Irland)
Libertad! - Initiative für die Freiheit der politschen Gefangenen
(Deutschland)
Addameer - Menschenrechts- und Gefangenenhilfsorganisation (Palästina)
Network for social and political rights (Griechenland)
Kontakt: Initiative Libertad!, Falkstr. 74, 60487 Frankfurt, Fax: (+49)
069 792 017 74,
eMail: kampagne@libertad.de, Internet: www.libertad.de
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