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Kurdischer Volkskongress, KGK, gegründet

"Unser dringendstes Ziel ist die kurdische Frage zu lösen"

aus: Özgür Politika, 16.11.2003

Kandil - Der Volkskongress Kurdistans (Kongeya Gel) gab der Welt am 15. November 2003 seine Gründung bekannt. Der Vorsitzende des Volkskongresses Zübeyir Aydar sagte auf der Pressekonferenz in den Bergen von Kandil in Südkurdistan, dass sein dringendstes Ziel sei, das kurdische Problem mit den betreffenden Ländern politisch zu lösen.
Die Pressekonferenz wurde von dem arabischen Fernsehsender Al Cezira live übertragen, viele Pressevertreter/innen aus der ganzen Welt nahmen teil. Neben Aydar nahmen die Vizepräsident(inn)en Remzi Kartal, Rengin Muhamed und die Mitglieder des Exekutivrats, Nülifer Koc und Jiyan Deniz teil.
Nachdem Aydar die Pläne und Ziele des Volkskongresses erklärt hatte, antwortete er auf die Fragen der Journalist(inn)en. Er sagte, dass man die Pressekonferenz auch in Europa oder in einer Stadt im Irak hätte abhalten können. Sie wird jedoch in den Bergen abgehalten, um den Blick auf die Probleme des kurdischen Volkes zu lenken. Die neue Situation habe eine umfangreiche Auseinandersetzung zwischen den Befürwortern des Status Quo und denjenigen, die für eine Veränderung auftreten, ausgelöst. Das Ziel des Volkskongresses sei, die militärischen Auseinandersetzungen zu beenden und einen politischen Kampf zu führen. Ob dies möglich sei, liege jedoch in erster Linie an der Türkei, aber auch am Iran und Syrien. Aydar wörtlich: „Es ist ein historischer Neubeginn“.
Nach der Auflösung des Freiheits- und Demokratie Kongresses (KADEK) am 26. Oktober, fand der Gründungskongress des Volkskongresses zwischen dem 27. Oktober und dem 6. November in den Kandilbergen statt, an dem 360 Delegierte aus vielen Ländern teilnahmen. Unter dem Vorsitz von Aydar wurden 41 Personen in den Exekutivrat gewählt, in den Disziplinarausschuß wurden 11 Personen gewählt.
Abdullah Öcalan wurde im Volkskongress zur Führungspersönlichkeit des kurdischen Volkes ernannt. Unter den Vizepräsident(inn)en des Kongresses befinden sich Remzi Kartal, Abdullah Hicap, Mizgin Sen, Riza Altun, Rengin Muhamed und Osman Öcalan.

Zuerst politische Lösung
Während er auf die Fragen der Journalist(inn)en antwortete, betonte Aydar immer wieder die Wichtigkeit der politischen Lösung und sagte, dass sie in allen Ländern, die Kurdistan unter sich aufteilen, dafür kämpfen werden. Die Volksverteidigungskräfte (HPG) seien autonom, aber stünden unter dem politischen Willen des Volkskongresses. Auf die Frage eines/r französischen Le Monde Journalisten/in erklärte Aydar: „Unser Ziel ist es den bewaffneten Kampf einzustellen, aber dafür muss die Türkei politische Schritte unternehmen und uns eine legale politische Möglichkeit anbieten.“ Die Beendigung des bewaffneten Kampfes hänge von der Haltung der regionalen Kräfte ab. Die Türkei müsse die Appelle des Kongresses ernst nehmen. „Solange sie uns nicht mit dem Ziel angreifen uns zu vernichten, wird es unsererseits keinen Angriff geben.“

Warnung vor Eingriffen von außen
Aydar mahnte im weiteren, wenn es keine Veränderung gäbe, erwarte den regionalen Staaten ein ähnliches Schicksal, wie dem Irak. Ein Angriff von außen würde unvermeidbar werden. „Wir fordern eine demokratische Veränderung seitens dieser Regime.“
Auf die Frage eines Journalisten: „Gibt es einen Vermittlungsversuch seitens der USA?“ antwortete Aydar: „Wir wünschen uns, dass die USA eine diplomatische Vermittlung unternimmt.“ Daraufhin wurde entgegnet, dass es ein Abkommen zwischen der Türkei und den USA getroffen worden sei, die Guerilla zu entwaffnen. Auf diese Frage antwortete Aydar, die USA hätten diesbezüglich keinerlei Bemühungen unternommen. Die USA sollten Druck auf die Türkei, statt auf die kurdische Bewegung ausüben.

Die Freiheit Öcalans ist die Freiheit der Kurden
Aydar erklärte, der Volkskongress Kurdistans habe Abdullah Öcalan zur Führungspersönlichkeit des kurdischen Volkes erklärt und seine Freiheit hänge von der politischen Lösung der kurdischen Frage ab. „Wir werden alles für die Freiheit Öcalans unternehmen.“ Auf die Frage nach der Zukunft Öcalans erklärte er, wenn in der Türkei die Möglichkeit einer freien politischen Betätigung erreicht werde, wird sich diese Möglichkeit auch für Herrn Öcalan eröffnen.
Aydar wurde auch mit Fragen zur KDP und PUK konfrontiert und antwortete, dass er mit den Vorsitzenden der KDP Mesut Barzani und dem PUK Vorsitzenden Celal Talabani selbst mehrfach gesprochen habe. Die Beziehungen seien gut, aber im Namen des Volkskongresses habe es noch keine offiziellen Gespräche gegeben. „Wir wollen einen Dialog mit der KDP, der PUK und anderen kurdischen Organisationen. Wir sind in jedem Fall zu einem Dialog mit diesen Kräften bereit. Wir sind alle Kurden und wollen eine Zusammenarbeit“, betonte er.
Aydar kritisierte, dass türkische Journalist(inn)en aufgrund der Behinderung des Generalstabs der Türkei nicht an der Pressekonferenz teilnehmen konnten. „Wir wollten, dass sie kommen, aber sie ließen uns wissen, dass der Generalstab die Erlaubnis verweigert habe. Der Dialog darf jedoch nicht auf diese Weise behindert werden.“

Appell des Volkskongresses an die Türkei, den Iran, Syrien, den Irak und die USA
Der Volkskongress rief die Türkei zum Dialog auf. Die Ereignisse in der Region und der Beitrittsprozess der Türkei in die Europäische Union würden entsprechende Lösungen verlangen. Die Verantwortlichen der Türkei wurden aufgerufen, die Vernichtungs- und Verleugnungspolitik gegenüber den Kurd(inn)en aufzugeben und sich für eine demokratische Einheit und einen Dialog einzusetzen.

Die Haftbedingungen Öcalans wurden in der Erklärung thematisiert
Was Öcalans Haftbedingungen betrifft wurde folgendes festgestellt: Die Freiheit Öcalans, als Führungspersönlichkeit des kurdischen Volkes, ist für die Lösung der kurdischen Frage von lebenswichtiger Bedeutung. Wenn eine Lösung gewollt ist, müssen schnelle Schritte in dieser Richtung unternommen werden. Die Türkische Republik muss ihre Vernichtungspolitik aufgeben und die Haftbedingungen unverzüglich verbessern und eine positive Haltung gegenüber seiner Freilassung einnehmen. Dem Frieden wird damit eine Chance gegeben.

Iran und Syrien müssen die kurdische Frage auf einer demokratischen Basis lösen
Der Exekutivrat des Volkskongresses appellierte an den Iran und Syrien und rief sie zur Demokratisierung und zur Lösung der kurdischen Frage in diesem Rahmen auf.
In der Erklärung heißt es: „Eine entgegengesetzte Haltung wird zu einer weiteren Entfaltung des kurdischen Freiheits- und Demokratiekampfes in diesen Ländern führen. Der Volkskongress ruft diese Länder dazu auf, die kurdische Frage im Rahmen der Demokratie zu lösen und die Existenz des kurdischen Volkes entsprechend internationaler Rechtsnormen mit verfassungsrechtlichen Garantien zu schützen.“

Wir unterstützen einen demokratischen, föderalistischen Irak
Zur Situation im Irak erklärte der Volkskongress, dass ein demokratischer, föderalistischer Irak ein Meilenstein für die Entwicklung der Demokratie im Mittleren Osten bedeute und der Volkskongress dafür eintrete. Er rief den Übergangsregierungsrat und alle Parteien, Organisationen und Religionsgemeinschaften, die für die Demokratie eintreten, dazu auf, in einem demokratischen Rahmen zusammenzukommen und Bündnisse zu schliessen.

Appell an die USA
In der Erklärung des Exekutivrats des Volkskongresses die USA betreffend heisst es, dass der Volkskongress das Eingreifen der USA gegenüber dem Saddamregime, das im Mittleren Osten einen neuen Prozess einleitete, für richtig halte, jedoch der Aufbau des Iraks von einer dauerhaften Lösung der kurdischen Frage abhänge.
Die Gründung des Volkskongresses unterstütze die Pläne der USA, die Region neu zu ordnen. In diesem Zusammenhang wurden die USA dazu aufgerufen, alle kurdischen politischen Organisationen als Gesprächspartner anzuerkennen und mit ihnen in den Dialog zu treten.

Wer ist der Vorsitzende des Volkskongresses Zübeyir Aydar?
Der gewählte Vorsitzende des Volkskongresses Zübeyir Aydar wurde am 1. Januar 1961 in Berwani, Siirt geboren. Die Grundschule besuchte er in Berwani, die Mittelschule in Siirt. Danach besuchte er dort das Lehrergymnasium. Da er für die Demokratie und die Lösung der kurdischen Frage eintrat, wurde er zuerst nach Erzurum danach nach Gümüshane verbannt. Wegen eines Attentats auf seine Person musste er seine Lehrerausbildung unterbrechen. Er holte sein Abitur auf dem Abendgymnasium nach und schrieb sich in der juristischen Fakultät in Istanbul ein. 1983 beendete sein Studium und arbeitete bis 1985 als Rechtsanwaltspraktikant in Istanbul.
1986 kehrte er in seine Heimatstadt Siirt zurück und arbeitete dort als Rechtsanwalt. 1988 wurde er zum Vorsitzenden des türkischen Menschenrechtsvereins IHD in Siirt, danach zum Vizepräsidenten des gesamten IHD gewählt. Neben dem Rechtswesen und den Menschenrechten beschäftigte er sich mit der regionalen Politik und wurde zum Vorsitzenden der Sozialdemokratischer Volkspartei, SHP, Siirt gewählt. Da er sich für die Rechte der Kurd(inn)en einsetzte und den Druck auf sie öffentlich machte, wurde er zur Zielscheibe. Der damalige Gouverneur von Siirt, Atilla Koc, verbot ihm unbefristet den Aufenthalt in die kurdischen Provinzen. Aufgrund öffentlichen Drucks wurde dieses Verbot später auf drei Monate befristet.

Als Abgeordneter sollte er ermordet werden
1990 erhielt er gemeinsam mit seiner Frau Evin Çiçek den Menschenrechtspreis des Komitees zur Beobachtung der Menschenrechte in Helsinki. Da aber beide das Land nicht verlassen durften, konnten sie den Preis nicht entgegennehmen.
Aydar ist Mitbegründer der Partei der Arbeit des Volkes (HEP) und wurde 1991 zum Abgeordneten der türkischen Nationalversammlung gewählt. Auch als Abgeordneter konnte er sich nicht von dem Druck befreien und wurde Ziel zweier weiterer Anschläge in Bismil und Cizre im Frühjahr 1993. Am 2. März 1994 wurde seine Immunität als Abgeordneter durch das türkische Parlament aufgehoben und verliess am 18. Juni 1994 die Türkei. Im Exil gründete er mit anderen das Solidaritätsbüro mit der DEP in Brüssel und übernahm Leitungsaufgaben im 1995 gegründeten kurdischen Exilparlament (PKDW). Bis vor einem Monat war Aydar Präsidialratsmitglied des Kurdischen Nationalkongresses (KNK).
Aydar ist Vater zweier Kinder.


 
 
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