Brief von Leyla Zana an: Kofi
Annan George
W. Bush Jaap
de Hoop Scheffer Romano
Prodi Javier
Solana Bekanntlich sehen sich die Staaten der Welt durch terroristische Aktionen im Zusammenhang mit Al-Quaida, wie in den USA am 11. September und später in der Türkei, Spanien und anderen europäischen Ländern, gezwungen, neue Konzepte im Kampf gegen den Terror zu entwickeln. Natürlich kann niemand von einem Staat erwarten, dass er unmenschlichen Angriffen, die sich gegen Tausende Menschen und ihn selbst richten, tatenlos zusehen wird. Es ist unvermeidlich, dass er auf höchstem Niveau Schutz- und Vorbeugungsmaßnahmen treffen wird; er wird auch versuchen, die Täter und die hinter ihnen stehenden Mächte ausfindig zu machen. Derartige Maßnahmen zu treffen, ist zweifellos eine völlig normale Reaktion. Aber eine andere Tatsache, die ich für sehr wichtig halte und die man beim Kampf gegen den Terror nicht vernachlässigen sollte, wenn man die Gesellschaft von Gewalt befreien will, ist die Notwendigkeit, bei der Definition von Umfang und Grenzen der Begriffe “Terror” und “terroristische Organisation” wissenschaftliche, soziale und politische Phänomene nicht zu ignorieren und sie auf der Basis von Gerechtigkeit festzulegen. Wenn Staaten und internationale Institutionen diese Notwendigkeit ignorieren und bei ihren Beschlüssen nur an die “beiderseitigen Interessen” denken, können Beschlüsse, die zur Terrorprävention gefasst wurden, zu ganz unerwünschten und unvorhergesehenen neuen Wellen von Terror und Gewalt führen. Ich sehe es als meine historische Aufgabe, meine diesbezüglichen Befürchtungen und meine Besorgnis zum Ausdruck zu bringen. Bekanntlich wurde der KONGRA-GEL
auf dem Brüsseler EU-Gipfel vom 25./26. März 2004 im Rahmen der Gemeinsamen
Außen- und Sicherheitspolitik der EU-Kommission auf die aktualisierte
Liste terroristischer Organisationen gesetzt. Damit hat die EU meiner
Meinung nach die unglücklichste Entscheidung ihrer Geschichte getroffen.
Es liegt auf der Hand, dass damit die wissenschaftlichen, sozialen und
politischen Realitäten ignoriert und die Bemühungen um Frieden und Demokratie
als unwichtig und wertlos eingeschätzt wurden. Einzig und allein waren
die “geostrategischen Interessen” der entscheidende Faktor. Dabei entsprechen
der KONGRA-GEL, sein Gründungszweck, seine Ziele, seine Organisationsform
und Ideologie, seine Methoden und Zwecke keineswegs der Definition einer
“Terrororganisation”, als die er bezeichnet wird. Der KONGRA-GEL ist eine
demokratische, friedliche Organisation des Volkes, welche die demokratischen
Rechte der Kurdinnen und Kurden im Iran, in Syrien, im Irak und vor allem
auch in der Türkei verteidigt und dabei die bestehenden Staatsgrenzen
respektiert. KONGRA-GEL hat der Weltöffentlichkeit mehrfach erklärt, dass
sie zur Entwaffnung bereit ist, sofern es juristische Reformen gibt, die
der gesamten Gesellschaft eine demokratische Beteiligung garantieren,
und eine Legalisierung stattfindet. Ein anderes Vorgehen – die
Suche nach künstlichen Gesprächspartnern und Führungsfiguren, Versuche,
die Organisation und das Volk zu terrorisieren, Schritte, die darauf beruhen,
die Kurdinnen und Kurden zu vernichten, ignorieren und zerrütten, Versuche,
die kurdische Frage beiseite zu lassen oder in die Zukunft und Ungewissheit
zu verschieben sowie die Projekte von Aufklärung und Erneuerung bei den
Kurdinnen und Kurden als Fortsetzung des Alten zu deklarieren – all dies
provoziert Gewalt. Es schadet dem Frieden in der Welt, der Verständigung
zwischen den Ethnien der Region und besonders in der Türkei. Hochachtungsvoll, |