Delegationsbericht der Newroz-Delegation 2008 aus München, Berlin und NRW


Teilnehmerinnen und Teilnehmer:

Martin Eberl, München (Fernsehjournalist, Deutsch-Kurdischer Freundschaftsverein), Dr Nick Brauns, Berlin (Journalist, wiss. Mitarbeiter von Ulla Jelpke MdB, Kurdistan-Solidaritätskomitee Berlin), Hamide Akbayir, Köln (Vorstand Die LINKE NRW), Elisabeth August, Wuppertal (Vorstand DIE LINKE NRW), Ci, München (Medizinstudentin), Dr Elmar Millich, Berlin (Rechtshilfefonds für Kurden Azadi, Kurdistan Report), Martin Schmidt (Anwalt)

Dersim (16. bis 18. März):

Die Provinz Dersim findet sich auf keiner Karte. Seit Mitte der 30er Jahre wurde diese Bergprovinz vom türkischen Staat in Tunceli umbenannt, was soviel wie Metallfaust bedeutet. Tunceli galt Mitte der 30er Jahre als letzte freie Burg der Kurden. Mit Hunderttausenden Soldaten, Flugzeugen und Giftgas schlug der türkische Staat 1937/38 den Aufstand einer Bauernguerilla mit über 70.000 Anhängern nieder. Zehntausende Dersimer wurden damals ermordet, weitere Zehntausende in andere Landesteile verbannt. Seit den 70er Jahren wurde Dersim eine Hochburg linksradikaler und maoistischer Gruppierungen und später der PKK – in vielen Wohnungen hängt heute das Bild des 68er Studentenführers Deniz Gezmis, der sich als Gründer einer Guerillaorganisation noch unter dem Galgen für die Brüderlichkeit der Türken und Kurden aussprach, neben dem Bild des Kalifen Ali, des Schwiegersohns des Propheten Mohammed.

Im Unterschied zu den zahlreichen Checkpoints in früheren Jahren muss zwischen Elazig und Tunceli-Stadt (Dersim-Stadt) nur ein einziger Checkpoint nach Überquerung des Stausees bei Pertek passiert werden. Die ausländischen Besucher müssen ihre Personalien, Beruf, und geplanten Aufenthaltsort in einen Fragebogen eintragen. Sofort bei der Ankunft mit dem Dolmus in Tunceli-Stadt umringen uns Polizeispitzel, die sogar versuchen, in unsere Notizbücher zu schauen. Auch am folgenden Tag folgen uns Spitzel und Zivilpolizisten mit Kameras durch die ganze Stadt und versuchen gar nicht erst, unauffällig zu erscheinen. Die Polizei ist mit uniformierten Kräften auch im Eingangsbereich des Rathauses präsent, obwohl dies nach türkischen Gesetzen offenbar nicht erlaubt ist. Die Bürgermeisterin Songül Erol Abdil erklärt, dass auch Gespräche im Rathaus abgehört werden. Die Bürgermeisterin erzählt, wie wenig die DTP-regierten Kommunen ausrichten können, da sie keine Gelder aus Ankara bekommen und die Valis (staatlichen Gouverneure) in fast allen Punkten das letzte Wort haben. Nach jeder ihrer Reden hat sie ein weiteres Strafverfahren, momentan sind es etwa 30. Obwohl wir mit dem stellvertretenden Bürgermeister und einer städtischen Referentin in einem Wagen der Stadtverwaltung unterwegs sind, werden wir einmal mehrere Minuten lang von der Jandarma zusammen mit der städtischen Polizei und zivilen politischen Polizei gestoppt – offenbar als Machtdemonstration.

Nachdem bereits rund die Hälfte der Einwohner der Provinz Tunceli/Dersim vertrieben wurden, sollen jetzt acht weitere Staudämme am Munzur, einem Quellfluss des Euphrat, eine Rückkehr der Menschen in ihre Dörfer verhindern. Durch die Staudämme würde auch der Munzur-Nationalpark, in dem mehrere einzigartige Tier- und Pflanzenarten anzutreffen sind, zerstört. Wir besichtigen den Beginn des Nationalparkes und sehen einige Häuser, deren Bewohner bereits vertrieben wurden. Trotz solcher Einschüchterungen kommen die Bewohner von Dersim, denen der Munzur als heilig gilt, immer wieder an diese Orte zu Feiern.

Wir übergeben der Leiterin des städtischen Jugendzentrums 2.000 Euro, die die Gewerkschaft GEW in München anlässlich des 70.Geburtstages des aus Dersim stammenden Schriftstellers Haydar Isik gesammelt hat. Das Geld ist vor allem für Bücher bestimmt. Aufgrund von Frostschäden ist das Jugendzentrum momentan geschlossen. Allerdings klagen die jugendlichen Besucher auch über regelmäßige Einschüchterungsversuche und Drohungen durch die Polizei. Wir besichtigen auch das Gebäude eines zukünftigen Frauenzentrums mit Bäckerei und Restaurant/Cafe. Die Bürgermeisterin und ihre Referentin erzählen uns, dass hier 22 Frauenarbeitsplätze geschaffen werden. Die Frauen wurden in den verschiedenen Gemeinden nach Bedürftigkeit ausgesucht. Für das Frauenzentrum hatte ein von Haydar Isik geleiteter Hilfsverein Gelder gesammelt, die von der Münchner Staatsanwaltschaft unter dem Vorwurf der Terrorfinanzierung eingefroren wurden. Haydar Isik wurde deswegen im vergangenen Jahr für mehrere Wochen inhaftiert, das Ermittlungsverfahren läuft nach wie vor. Wie absurd dieser Vorwurf ist, zeigt schon die Tatsache, dass das „Terrorcamp“ Frauenbäckerei in unmittelbarer Nachbarschaft einer Kaserne gelegen ist.

In Tunceli-Stadt leben mehr Besatzungssoldaten als Zivilisten. Rund um die in einem Talkessel gelegene Stadt sind Militärstützpunkte auf den Bergkämmen zu sehen. Mehrfach starten Black-Hawk-Kampfhubschrauber von einer Kaserne der Militärpolizei Jandarma in der Stadt. Fast im Minutentakt passieren Polizeistreifen, Militärfahrzeuge, darunter auch Spähpanzer und gepanzerte Land Rover mit Maschinengewehrturm die zentrale Straße. Dort in der Stadtmitte erinnert ein Denkmal an die PKK-Guerillakämpferin Zilan, die sich an dieser Stelle 1996 bei einem Selbstmordanschlag inmitten einer Militärparade in die Luft sprengte. Offiziell ist die Frauenstatue den Menschenrechten gewidmet, doch in Dersim weiß jeder, wen das Denkmal wirklich darstellen soll.

Tunceli/Dersim ist eine der wenigen Städte der Türkei, in denen die sozialistische Partei der Arbeit EMEP mit regiert. Die EMEP versuche zusammen mit der DTP die kurdische Frage auf politischem und demokratischem Weg zu lösen, erklärt der örtliche Parteivorsitzende Hüseyn Tunc. Während die DTP eine Volkspartei sein, verstehe sich die EMEP als eine Arbeiterpartei mit marxistisch-leninistischer Weltanschauung und setze insbesondere auf die Gewerkschaften. Die EMEP könne als „kurdische kommunistische Partei“ betrachtet werden. Primäres Ziel sei die Demokratisierung der Türkei, weiterhin gelte es Menschen für sozialistisches Gedankengut zu gewinnen, um einmal den Sozialismus zu errichten. Die EMEP ist ebenso wie maoistische Gruppen in den von der DTP geführten Newroz-Komitees eingebunden.

Zufällige Gesprächspartner wie ein Lehrer vertreten uns gegenüber, dass die Bewohner von Dersim als zazasprechende Aleviten keine Kurden sondern Zazas seien. Der Lehrer beklagt sich, dass der kurdische Exil-Sender Roj TV nur zwei Stunden pro Woche in Zazaki sende. Alican Önlü, der Vorsitzende der DTP von Dersim, klärt uns auf, dass aus seiner Sicht die Zazas Kurden seien. Erst in der letzten Zeit würden sich zazasprechende Kurden ausgehend von Vereinigungen und Wissenschaftlern in Deutschland als Zazas über ihre Sprache definieren. Demgegenüber wurden in den 20er und 30er Jahren die aufständischen Kurden, auch wenn sie wie Scheich Said Zazasprecher waren, immer als Kurden gesehen. Der Zaza-Nationalismus ist – so Alican Önlü – ein vor allem von europäischen Regierungen unterstützter Versuch zur Spaltung der Kurden und zur Schwächung der kurdischen Befreiungsbewegung. Aus Anlass des 70.Jahrestags der Niederschlagung des Dersim-Aufstandes will die DTP an diesen Genozid erinnern, der so wie der Armeniergenozid und andere Völkermorde der Türkei im Gedächtnis bleiben müsste.

Batman (18. bis 20.März):

Batman ist eine Industriestadt mit Ölraffinerie sowohl aus eigener Förderung als auch mit Öl aus dem Irak. Zudem leben zahlreiche Flüchtlinge aus zerstörten Dörfern in den Slums der Stadt. Die Stadt wird seit der letzten Kommunalwahl von der DTP regiert. Bekannt wurde Batman durch eine in der Türkei herausragende Selbstmordreihe junger Frauen, die sich teils aus Perspektivlosigkeit umbrachten, teils wohl auch Opfer von Ehrenmorden waren, die lediglich als Selbstmorde getarnt wurden.

In der Stadt gibt es drei städtische Kulturzentren, die nach dem von der Konterguerilla ermordeten Schriftsteller Musa Anter, dem verstorbenen Sänger Ahmet Kaya und dem als PKK-Sympathisant hingerichteten Bürgermeister von Batman Edip Solmaz benannt sind. Hier finden in den Tagen vor Newroz kleine Feiern statt, für die in den umliegenden Straßen mobilisiert wurde. Newrozfeuer sind vor den Kulturhäusern entzündet. Drinnen wird ein Theaterstück in kurdischer Sprache zu Halabja gespielt. Ein als arroganter Lebemann dargestellter Saddam Hussein mit Zigarre und gegeltem Haar und sein als leicht vertrottelt erscheinender Cousin Chemical Ali in Uniform beraten, wie sie den aufständischen Kurden eine Abreibung verpassen könnten. Ali schlägt den Angriff auf Halabja vor, da die Bewohner dieser Stadt die wenigste Ehrfurcht vor Saddam hätten. Mit Alkohol und Bauchtänzerinnen feiern Saddam und Ali diesen Einfall. In der nächsten Szene ertönen Flugzeug- und Bombengeräusche, mit einem Duftstoff gefüllte Luftballons werden zum Zerplatzen gebracht und sollen das Giftgas symbolisieren. Zu sehen ist eine kurdische Familie, die mitten in den Vorbereitungen für das Newrozfest von dem Angriff überrascht wird. Nur der Vater überlebt und ergreift eine an der Wand hängende Kalaschnikow. In der letzten Szene kehrt der Vater als Peshmerga zurück, und zieht den nun vollbärtigen Saddam aus seinem Versteck. Durch die völlige Ausblendung der US-Imperialisten wurde so der Eindruck der kurdischen Selbstbefreiung erweckt. So ist der Genozid von Halabja einfach auf die eigene Erfahrung in der Türkei übertragbar und der Peshmerga kann auch als PKK-Kämpfer interpretiert werden. Das mehrheitlich aus Kindern und Jugendlichen sowie Frauen bestehende Publikum ist begeistert. Nach jedem Akt skandieren hunderte Menschen Parolen wie „Biji Serok Apo“ (Es lebe der Anührer Öcalan) oder „Sehit namirin (Die Gefallenen sind unsterblich)“ skandiert. Dazu halten sie ein Transparent mit den Buchstaben „PKK“ sowie ein Bild von Abdullah Öcalan hoch. Die hervorragende agitatorische Wirkung dieses Theaterstücks auf eine Bevölkerung, die zu großen Teilen aus Analphabeten besteht, verdient besondere Beachtung.


Eine Gruppe kurdischer Studenten und Schulabsolventen aus Batman, die sich auf ihre Aufnahmeprüfung an der Universität vorbereiten, schildert uns ihre bedrückende Situation. Die meisten von ihnen und viele ihrer Freunde haben schon als Jugendliche für politische Aktivitäten mehrere Jahre im Gefängnis verbracht: „Ich saß für sechs Monate in U-Haft, weil ich die legale Zeitung ‚Özgür Halk’ verteilte“, berichtet ein Mädchen. „Ein Freund wurde zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er als 17jähriger einem PKK-Mitglied half. Ein anderer Freund bekam mit 14 wegen PKK-Mitgliedschaft elf Jahre Gefängnis“, erzählt ein anderer Student. Er studiert Maschinenbau, macht sich jedoch keine Hoffnungen auf eine gut bezahlte Stelle. In den kurdischen Provinzen gebe es keine Chance auf Anstellung, in der Westtürkei werde er als Kurde diskriminiert. „Das Problem der kurdischen Jugendlichen beim Studium oder bei der Arbeitssuche ist, dass sie immer an zweiter Stelle stehen“, stellt der junge Mann resigniert fest. „Weil ich Kurde bin, wurde ich an der Uni so verprügelt, dass ich am Kopf dreimal genäht werden musste.“ Wenn sie versuchten, mit türkischen Studenten Diskussionen zu veranstalten, würden sie als Terroristen beschimpft. „Studium und Beruf stehen für uns nicht an erster Stelle, da wir als Kurden da eh benachteiligt werden. Daher zählt für uns, wie wir unserem Volk dienen können.“
Die Jugendlichen erklären uns, dass wie für viele Kurden auch für sie die PKK eine Partei sei, die in dreißig Jahren das Vertrauen der Menschen gewonnen habe, weil sie glaubhaft für die Rechte des kurdischen Volkes kämpfe. Auch die Verbundenheit mit dem inhaftierten Abdullah Öcalan und seinem politischen Konzept rühre daher, dass er sich beharrlich für das kurdische Volk einsetze, obwohl ihm so viele übermächtige Gegner gegenüberstünden. Ein Student drückt es so aus: „Die PKK ist die Beschützerin des Volkes. Als Jugendlicher weiß ich genau, wenn es die PKK nicht gäbe, hieße das, es gäbe keine Kurden mehr. Weil es keine anderen mehr gibt, die für die Rechte des kurdischen Volkes kämpfen.“ Gleichzeitig vermittle ihm die PKK auch, dass die kurdische Frage nur auf legalem und demokratischem Weg zu lösen sei. Abdullah Öcalan könnte es schaffen, dass Kurden und Türken einmal gleichberechtigt zusammenleben. „Ich als Kurde will das Land nicht teilen, sondern darin in einer Demokratie leben“, so einer der Studierenden.
Die Studierenden verstehen sich als kurdische Patrioten und zugleich als Internationalisten: „Wenn in Afghanistan Bomben fallen, ist das so als ob in Kurdistan Bomben fallen.“

Hasankeyf (19.März):

Hasankeyf ist eine mindestens 9000 Jahre alte mesopotamische Stadt am Oberlauf des Tigris, rund 40 Autominuten von Batman entfernt. Die Stadt mit ihren Tausenden einstmals bewohnten Felsenhöhlen, den Pfeilern einer mittelalterlichen Brücke, Minaretten und einem Mausoleum wird in den Fluten eines Stausees verschwinden, wenn der Ilisu-Staudamm den Tigris aufstaut. Neben der Kleinstadt Hasankeyf werden auch 199 Dörfer bzw. das dazugehörige Acker- und Farmland überflutet. Während der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan den Bau dieses zweitgrößten Dammes der Türkei nach dem Atatürk-Staudamm als Kernstück der Modernisierung und Entwicklung des kurdischen Ostens der Türkei anpreist, sehen die örtlichen DTP-Politiker und Kommunen sowie internationale NGOs aus den Bereichen Umweltschutz und Menschenrechte darin ein „ein kulturelles Massaker“. Gegenüber der Financial Times gab der Gouverneur von Batman im März offen zu, dass Sicherheitserwägungen zentral beim Bau des Staudammes seien, um „Terroristen“ den Boden zu entziehen. Durch den Stausee soll offenbar Guerillas der PKK der Weg abgeschnitten und Höhlen als Unterkünfte überflutet werden. Auch ließe sich durch das Aufstauen des Tigris der Irak politisch erpressen – beispielsweise im Hinblick auf die Autonomierechte der Region Kurdistan im Nordirak. Die Regierungen und ihre Exportrisikoversicherer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben rund eine halbe Milliarde Euro für Firmen des Ilisu-Konsortiums wie den Stuttgarter Baukonzern Züblin und den österreichischen Maschinenbauer Andritz genehmigt.

Gegen den Bau des Ilisu-Staudammes und die europäische Finanzierung dieser „kulturellen Barbarei“, die zur Vertreibung von Zehntausenden Menschen führen wird, hat die Initiative zur Rettung von Hasankeyf am 19.März eine internationale Protestaktion organisiert. An der Aktion beteiligen sich mehrere Dutzend Studierende aus Batman, ausländische Delegationen u.a. aus Deutschland und Frankreich sowie örtliche Politiker aus Batman, Hasankeyf und anderen Orten. Wir fahren vom Rathaus in Batman aus im Konvoi mit z.T. städtischen Bussen, die Motive von Hasankeyf tragen, nach Hasankeyf. Rund 100 bis 150 Menschen ziehen mit Transparenten auf kurdisch, türkisch und deutsch in einer kurzen Demonstration vom Busparkplatz an der Brücke zu einem Hügel hinter mehreren noch bewohnten Häusern von Hasankeyf. Die Frauen des Ortes empfangen uns mit lautem Trillern und Händeklatschen. Dann werden junge Bäume gepflanzt. Anschließend bleibt Zeit zur Besichtigung der historischen Stadt und des Burgbergs. Dabei machen Zivilpolizisten Fotos.

Während der Baumpflanzaktion umfliegt ein Black Hawk-Kampfhubschrauber der türkischen Armee in geringer Höhe die Stadt und die umliegenden Dörfer. Auf der Rückfahrt nach Batman ist zu sehen, dass aus einer wenige Kilometer vor Hasankeyf gelegenen Kaserne ein 8-Rad-BTR-60-Schützenpanzer auf der Straße positioniert und so ein provisorischer Checkpoint Richtung Hasankeyf errichtet wurde. So sollten offensichtlich Bewohner umliegender Dörfer von der Teilnahme an der Demonstration abgeschreckt werden. Die Beteiligung der ausländischen Delegationen habe die Studierenden geschützt, erzählt ein Student bei der Rückkehr nach Batman. So sei es das erste Mal gewesen, dass sie bei einer Aktion in Hasankeyf nicht von der Polizei kontrolliert wurden.

Der Bau des Ilisu-Damms soll im Mai beginnen. Ein im März veröffentlichter Bericht eines im Auftrag der Exportversicherer arbeitenden Expertengremiums stellte gravierende Mängel bei der Umsetzung der verpflichtenden Auflagen im Bereich Soziales/Umsiedlungen, Kultur/Archäologie und Umwelt fest. So hat der türkische Staat im Herbst 2007 mit Enteignungen von Dorfbewohnern um die Baustelle begonnen, ohne neues Land für die so vertriebenen Bauern zu suchen. Während der türkische Staat bislang nicht einmal die Zahl der Umzusiedelnden festgestellt hat, geht das Expertengremium davon aus, dass statt bislang angenommen 55.000 sogar 65.000 Menschen ihr Land und ihre Dörfer verlassen müssten. 200 bis 250 Arbeitskräfte müssten mindestens zwei Jahre lang die Umsiedlungen vorbereiten, bevor mit dem Bau des Damms begonnen werden kann, schätzt das Expertengremium unter Verweis auf die Erfahrungen mit chinesischen Staudämmen. Im Bereich Umwelt wurde bislang nicht untersucht, welche Folgen der Stausee auf das Klima der Region haben wird. Auch für 2008 ist keine Studie über die vielfältige Flora und Fauna des Tigristals vorgesehen. Für den geplanten archäologischen Park, in dem einige der antiken Monumente aus Hasankeyf ausgestellt werden sollen, existiert noch nicht einmal ein Projektplan. Auch bezweifelt das Expertengremium, dass sich die Monumente technisch ohne große Zerstörungen versetzen lassen. Archäologen wurden aus angeblichen Sicherheitsgründen nicht zu allen Orten vorgelassen, gehen aber davon aus, dass Hasankeyf und Umgebung geschichtlich noch bedeutsamer sind, als bislang angenommen. Aufgrund des Expertenberichts haben die Exportversicherungsagenturen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz der Türkei bis Anfang Mai Zeit gegeben, die Aufklagen umzusetzen bzw. einen Zeitplan für die Umsetzung vorzulegen. Andernfalls wird mit dem Rückzug der Bürgschaften gedroht. Nach Einschätzung der Initiative zur Rettung von Hasankeyf ist es jetzt an der Zeit, die Proteste gegen den Staudammbau zu intensivieren, um das Projekt endgültig zum Fall zu bringen.

Cizre (20. und 21.März):

Die Stadt Cizre (kurdisch Cizîr; auch Cizîra Botan) hat ca. 83.000 Einwohner und liegt 45 Kilometer von der Provinzhauptstadt Sirnak entfernt am Fluss Tigris. Cizre befindet sich in unmittelbarer Nähe zu Grenze nach Syrien. Die DTP stellt mit Aydin Budak den Bürgermeister sowie 21 der 25 Stadtratsmitglieder. 4 Stadträte gehören der AKP an.
Beim Newroz-Fest 1992 in Cizre feuerten türkische Militärs und Polizisten in die Menge. Die Sicherheitskräfte ermordeten bei diesem Massaker 82 Menschen.

Weil der Bürgermeister Aydin Budak beim Newroz-Fest im vergangenen Jahr die Feiernden auf Kurdisch mit „Biji Newroz“ begrüßt hatte, musste er anschließend für 45 Tage ins Gefängnis. Nach der Entlassung durfte Budak für weitere fünfzehn Tage sein Amt nicht ausüben. Als Vorsichtsmaßnahme führt deswegen sein Stellvertreter Ahmet Dalmis in diesem Jahr während unseres Besuchs die Amtsgeschäfte.

Am 20. März, dem Vorabend auf Newroz, erleuchten Feuerwerksraketen den Nachthimmel. An vielen Straßenecken brennen Newroz-Feuer, um die sich die Menschen – insbesondere Kinder und Jugendliche - versammeln und feiern. Traditionelle Halay-Tänze zu Guerilla-Liedern wechseln mit Parolen – die häufigsten sind „Biji Serok Apo (Es lebe der Vorsitzende Apo)“ sowie „PKK halk tir, halk burada (Die PKK ist das Volk, das Volk ist hier)“. Zumindest an den von uns besuchten Feuern greifen die Sicherheitskräfte nicht ein.
In dem benachbarten Dorf Konak hingegen haben an diesem Tag paramilitärische Dorfschützer auf Bewohner geschossen, die ein Newroz-Feuer entzündet hatten. 5 Dorfbewohner mussten mit Schussverletzungen ins Krankenhaus. Der zuständige Bezirksbürgermeister berichtet uns noch am Abend von dem Übergriff. Der stellvertretende Bürgermeister Cizres, Ahmet Dalmis besucht die Verletzten am nächsten Tag im Krankenhaus. Er geht davon aus, dass die Dorfschützer, die geschossen haben, für ihren Übergriff keine juristischen Konsequenzen befürchten müssen. Stattdessen droht ihren Opfern im Krankenhaus die Festnahme.

Die DTP Cizre hatte ihre Newroz-Veranstaltung ursprünglich für den 22. März, einen Samstag angemeldet. So hätten viele Schüler und Berufstätige an der Feier teilnehmen können. Offenbar um das zu verhindern, setzte der Vali (Gouverneur) den Termin auf Freitag, den 21. März fest. An diesem Tag war zusätzlich eine versetzungsrelevante Schulprüfung, durch die Schüler an der Newroz-Teilnahme gehindert wurden. Als Festplatz bestimmten die staatlichen Behörden ein Sportgelände, das direkt zwischen einer Militärkaserne und dem Polizei-Hauptquartier liegt. Zahlreiche Polizisten und mehrere Späh- bzw. Räumpanzer der Polizei umstellen das Newroz-Gelände. Zusätzlich stehen gepanzerte Polizeieinheiten bereit. Ohne penible Vorkontrolle kommt niemand auf den Festplatz. Die in Cizre zumeist stark verschleierten Frauen müssen sich in Kabinen durchsuchen lassen. Die Polizei beschlagnahmt nach unseren Beobachtungen vor allem die dünnen Fahnenstöcke aus Plastik. Als Polizisten bei einem ca. 9jährigen Jungen eine Fahne der ERNK finden, packen sie ihn brutal und nehmen ihn in Gewahrsam. Da wir die Situation mit Kamera und Fotoapparat dokumentieren, lassen die Beamten das weinende und völlig verstörte Kind kurze Zeit später wieder frei. Jedoch musste der Junge ihnen zuvor die Namen seiner Eltern preisgeben – nach den türkischen Antiterrorgesetzen droht Eltern, die ihre Kinder auf gewalttätige oder „separatistische“ Veranstaltungen lassen, eine Haftstrafe.
Ein Zivilpolizist verbietet uns, die Polizeipanzer sowie das Polizei-Hauptquartier zu filmen. Auf Nachfrage erklärt er, dass in der Türkei Pressefreiheit herrsche. Doch auch die habe ihre Grenzen.
Vor der Bühne versammeln sich ca. 15-20.000 Menschen zur Newroz-Feier. Es findet jedoch eine große Fluktuation um den eigentlichen Festplatz herum statt. Vor allem in den vorderen Reihen dominieren Frauen in kurdischer Tracht mit DTP-Fahnen. Die Bühne ist geschmückt mit den Porträts von Orhan Dogan, Yahya Menekse und Mehmet Deniz. Der DEP-Abgeordnete und DTP-Politiker Orhan Dogan aus Cizre saß zehn Jahre in türkischen Gefängnissen und starb 2007 an den Folgen der Haft. Der 16jährige Yahya Menekse wurde wenige Wochen vor Newroz, bei einer Demonstration in Cizre am Jahrestag der Verschleppung Abdullah Öcalans, von einem Polizeipanzer überrollt und getötet. Memet Deniz starb durch Polizeigewalt bei einer Demonstration zum Frauentag am 8. März dieses Jahres.
Die Redner – Bürgermeister Aydin Budak sowie der örtliche DTP-Abgeordnete – halten ihre Ansprachen sowohl auf Türkisch als auch auf Kurdisch. Budak kritisiert Ministerpräsident Erdogan dafür, dass er in Deutschland Assimilation verurteile, aber gleichzeitig die Kurden assimilieren wolle und ihnen ihre Identität verbiete. Hamide Akbayir vom Vorstand der Partei DIE LINKE NRW und Dr. Nick Brauns, Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke und Pressesprecher des Berliner Kurdistansolidaritätskomitees, halten Grußworte auf Kurdisch und Deutsch im Namen der deutschen Newroz-Delegation. „Wir schämen uns für die zahlreichen Panzer aus deutscher Lieferung, die wir auf dem Weg nach Cizre gesehen haben“, so Nick Brauns. Auch eine Grußbotschaft von Abdullah Öcalan wird verlesen.
Aus der Menge tauchen immer wieder ERNK-Symbole und Porträts von Öcalan sowie von gefallenen Guerillakämpfern auf. Unüberhörbar sind Parolen wie „Biji Serok Apo“ und „Sehit namirin (Die Gefallenen sind unsterblich)“. Obwohl die Veranstalter auf Druck der Polizei in Durchsagen darauf hinweisen, dass dies strafbar ist, droht die Polizei Bürgermeister Aydin Budak damit, die Kundgebung deswegen mit Gewalt aufzulösen. Vom Dach des angrenzenden Polizeigebäudes filmt und fotografiert mehr als ein Dutzend Beamte über Stunden in die feiernde Menge. Weitere Dokumentationstrupps sind zu Fuß unterwegs. So können die Träger verbotener Fahnen und Symbole dokumentiert und identifiziert und diese Personen nach Abschluss des Festes unter Ausschluss der Öffentlichkeit angezeigt oder verhaftet werden.
Während der Rede des örtlichen DTP-Abgeordneten kreist ein türkischer Black Hawk-Kampfhubschrauber in geringer Höhe zweimal über dem Newrozfest. Die Menge reagiert mit gellenden Pfiffen. Offensichtlich zur Einschüchterung feuert der Kampfhubschrauber schließlich im Wegfliegen zwei Raketen auf das gegenüberliegende Tigrisufer ab. Das doppelte Aufblitzen beim Abschuss sowie die lang gezogenen Rauchspuren sind deutlich am Himmel zu sehen.
Auch nach dem Ende der Veranstaltung kontrollieren Polizeieinheiten und ihre Panzer wichtige Straßenkreuzungen, welche die Newroz-Feiernden auf ihrem Heimweg passieren müssen. Am Abend stürmt die Polizei mindestens vier Wohnungen von DTP-Funktionären. Diese sollen bereits vor dem Fest von Polizeibeamten mit der Drohung konfrontiert worden sein, dass sie keine Freude am Newroz-Tag haben werden. Wie uns DTP-Vertreter am nächsten Morgen berichten, nahm die Polizei mindestens 17 DTP-Aktivisten in Gewahrsam, entweder auf dem Heimweg oder bei Hausdurchsuchungen. Am 27. März berichtet die Zeitung Yeniden Özgür Politika von zwölf Personen in Gewahrsam. Vier davon sind wieder frei, die restlichen acht sitzen im Gefängnis von Silopi.

Diyarbakir (16.März / 22. – 24.März)

Gegen die blutigen Übergriffe auf verbotene Newrozfeste in Van, Yüksekova und Hakkari, bei denen zwei Menschen von der Polizei erschossen und zahlreiche mit Knüppeln, Schüssen und Tränengas zum Teil schwer verletzt wurden, hat die DTP am Montag, den 24. März zu einer „Pressekonferenz“ vor ihrer Parteizentrale in Diyarbakir geladen. In Wirklichkeit ist es eine Protestkundgebung, die als Pressekonferenz aber keiner besonderen Genehmigung durch den Staat bedurfte. Rund 1.500 Menschen skandieren Parolen wie „Katil Erdogan (Mörder Erdogan)“, „Biji serok Apo (Es lebe der Anführer Apo)“ und „Sehit namirin (Die Gefallenen sind unsterblich)“. Der DTP-Parteivorsitzende von Diyarbakir, Nejdet Atalay, hält auf der Treppe vor dem Parteihaus eine kurze, von einem Lautsprecherbus der DTP verstärke Ansprache. Neben ihm steht der Oberbürgermeister von Diyarbakir, Osman Baydemir.
Rund um die Parteizentrale sind gepanzerte Polizisten, z.T. mit Kalaschnikows, aufmarschiert. Zwei Räumpanzer und ein Wasserwerfer stehen bereit. Ein Lautsprecherwagen der Polizei fordert mehrfach offenbar zur Auflösung der Kundgebung auf, die Polizei greift diesmal aber nicht ein und nach rund einer Stunde löst sich die Kundgebung friedlich auf. Immer wieder überfliegen an diesem Tag F 16-Kampfflugzeuge Diyarbakir.

Nejdet Atalay ist seit zwei Monaten neuer DTP-Vorsitzender von Diyarbakir. Zuvor arbeitete er sechs Jahre im Vorstand der lokalen Gewerkschaft der Maschinenbauingenieure. Die Armut der kurdischen Region ist für ihn untrennbar mit der Frage der Anerkennung der kurdischen Identität verknüpft. Schon immer sei es die systematische Politik des türkischen Staates gewesen, in den Kurdengebieten nicht zu investieren und keine Fabriken zu bauen. Atalay zitiert eine offizielle Statistik: ihr zu Folge stieg die ökonomische Größe der Schwarzmeer-Region (aus der Ministerpräsident Erdogan stammt) seit der Machtübernahme der AKP um das Vierzehnfache. Im selben Zeitraum sank die wirtschaftliche Bedeutung der Kurdenregionen um drei Viertel. Erdogan versuche nun, genau wie seine Vorgänger, die Kurdenfrage als rein ökonomisches Problem zu behandeln. Tatsächlich sei beides miteinander verknüpft. „Solange die kurdische Frage nicht gelöst ist, werden auch die ökonomischen Probleme existieren. Wenn wir nicht unsere kurdischen Identität, Menschenrechte und unsere Muttersprache in den Vordergrund stellen, werden wir diese Ziele niemals erreichen.“ Da die DTP die Armut der kurdischen Bevölkerung kurzfristig nicht lösen könne, versuchen die Rathäuser, bedürftige Familien zu unterstützen und Arbeitsplätze mit einem Mindesteinkommen zu schaffen. Dem Versuch der AKP, vor Wahlen mit kostenlosen Lebensmittel-Säcken und Kohlebriketts Anhänger zu gewinnen, räumt Atalay wenig Chancen ein: „Ich glaube nicht, dass die Menschen, die Gefallene in der Familie haben, sich langfristig für Nahrung an die AKP verkaufen.“
Selbstkritisch räumt der Vorsitzende aber ein, dass die Beziehung zwischen DTP und der politisch bewussten kurdischen Bevölkerung zunehmend abstrakt geworden sei. Die Partei setzt deswegen gerade ein neues partizipatorisches Organisationsmodell um. Komitees sollen von Straße zu Straße die politisch bewusste Bevölkerung dazu mobilisieren, in basisdemokratischen Prozessen ihre Bedürfnisse zu formulieren. Diesen Forderungen sieht sich die DTP anschließend verpflichtet. „Damit wir Politik für das Volk machen können, ist es wichtig, das Volk einzubeziehen. Tun wir das nicht, können wir auch nicht die richtigen Forderungen entwickeln,“ erläutert Atalay.
Eine gerechte Landverteilung steht nach Atalays Meinung auf der Tagesordnung. Bisher gehöre ein Grundstück nur einer Person. Jedoch arbeiten darauf viele Familien, ohne einen Anteil daran zu bekommen. Denkbar wäre die offizielle Verteilung des Grunds an diese Familien.
Die DTP hat für alle Ämter in der Partei und ihren Gliederungen eine 40-Prozent-Quote für Frauen eingeführt. Nejdet Atalay erklärt die Linie der Partei so: „Die Völker im Nahen Osten sind patriarchal strukturiert. Das wollen wir mit unserer Politik ändern. Wir wollen, dass Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen vertreten sind“. In Diyarbakir wie in vielen weiteren DTP-regierten Stadtverwaltungen gilt: schlägt ein städtischer Angestellter seine Ehefrau, zahlt die Kommune ihr automatisch einen Teil seines Gehalts aus. Im Wiederholungsfall gilt häusliche Gewalt sogar als Kündigungsgrund.

Im Migrantenhilfsverein GöcDer berichten die Rechsanwälte Abbas Celik und Muzzafer Özdemir von der sozialen Situation der in den 90er Jahren aus ihren Dörfern vertriebenen Menschen in den kurdischen Großstädten. Eine soziale Absicherung haben nur 4 bis 5 Prozent der Migranten erreicht, die große Masse leidet dagegen unter einer „sozialen Unterdrückung“ in den Städten. Die Arbeitslosigkeit in Diyarbakir beträgt zwischen 60 und 70 Prozent. Die durchschnittliche Haushaltsgröße in Diyarbakir betrage sieben Personen, die sich zwei bis drei Zimmer teilen und rund 100 bis 300 YTL (rund 50 bis 150 Euro) monatlich pro Familie zur Verfügung hätten. Dabei ernähren heute oft die Kinder – z.B. als Taschentuchverkäufer oder Schuhputzer – ihre erwerbslosen Eltern, auch wenn die Stadtverwaltung derartige Kinderarbeit unterbinden will. 60 bis 70 % der Migranten besitzen die staatliche Yesil Cart, die eine kostenlose medizinische Grundversorgung ermöglicht. Seit dem Jahr 2000 registriert GöcDer eine starke Zunahme von Prostitution, Diebstählen und Kinderarbeit auf der Straße – bis hin zum Einsatz von Kindern als Taschendieben.
Besonders betroffen von der Vertreibung sind Frauen, die in den Dörfern produktiv als Bäuerinnen waren und jetzt unproduktiv, passiv und dadurch auch machtlos im Haus eingesperrt sind. Viele Frauen würde kaum ihre Wohnungen verlassen und nie einen anderen Stadtteil kennenlernen. Fernsehbilder von einem luxuriöseren und freizügigerem Leben anderer Frauen führen zu unerfüllbaren Wünschen. Diese sozialen Verwerfungen würden zur Flucht von den Familien, Selbstmorden oder Ehrenmorden führen. Oft waren die Frauen im Dorf politisch aktiv, nun kommen die sozialen Probleme vor der Politik. Für Diyarbakir mit einer politisch sehr bewussten Einwohnerschaft gelte das allerdings nur eingeschränkt, hier blieben viele Frauen politisch aktiv.
Insbesondere die in den Großstädten geborenen oder aufgewachsenen Jugendlichen wollten heute gar nicht mehr in die Dörfer zurück und beherrschten auch nicht die landwirtschaftlichen Fähigkeiten. Die Alten dagegen wollen zumindest im Sommer in ihre Heimatdörfer zurück. Hier ginge es vor allem darum, dass die Vertriebenen das grundsätzliche Recht haben, wieder in ihre Dörfern zurückzukehren. Gesetzliche Hinderungsgründe für eine Rückkehr gibt es offiziell nicht mehr, doch sind die Dörfer zerstört oder ohne jede Infrastruktur und somit unbewohnbar. Vom Staat gibt es keinerlei Hilfestellung für Rückkehrer. Als besonderes Problem gelten die vom Staat bezahlten Dorfschützermilizen, die sich oft die Äcker der Vertriebenen unter den Nagel gerissen haben. Es kam bereits mehrfach zu bewaffneten Angriffen von Dorfschützer auf Rückkehrer, die ihr geraubtes Land wieder haben wollten. Mit einem neuen Gesetz wurden die Dorfschützer 2007 quasi verbeamtet mit Pensionsanspruch. Dadurch werde die von der DTP geforderte Auflösung des Dorfschützersystems zusätzlich erschwert, so die GöcDer-Juristen.
Momentan führt GöcDer sozialwissenschaftliche Untersuchungen über die Lebenssituation der Vertriebenen durch. Eine erste – bislang nur auf Türkisch erhältliche – Broschüre mit CD über Diyarbakir ist bereits fertig. Für weitere geplante Untersuchungen fehlt Geld. Hier hofft Göc Der auf Projekthilfe aus Deutschland.