Dieser
Prozess ist Resultat des Fehlens eines freien gesellschaftlichen Konsenses
in der Republik
Die
Türkei erfährt vielleicht das erste Mal in ihrer Geschichte
eine tiefgreifende Kritik an der aktuellen Gesellschafts- und Staatsstruktur.
Diese Kritiken stammen sowohl aus den obersten Etagen des Staates als
auch aus dem In- und Ausland und machen die Suche nach grundlegenden Veränderungen
unausweichlich. Es stellt eine typische Besonderheit der Zeit nach dem
II. Weltkrieg dar, das Zeitalter und die Beziehungen gemessen an universalen
demokratischen Maßstäben nicht begriffen zu haben und es für
eine vernünftige Politik zu halten, lediglich den Tag über die
Runden retten zu wollen, so die grundlegenden gesellschaftlichen Probleme
unter den Tisch zu kehren und sich in diesem Sinne mit dem zu begnügen,
was ist. Die Gründung der Republik war ein historischer Bedarf und
ein fortschrittlicher Akt. Es war richtig, kontinuierlich darauf zu achten,
sich an wissenschaftlichen Grundlagen zu orientieren. Aus diesem Grund
waren die Reformen des Unter- und Oberbaus entwicklungsfördernd.
Dies hätte zu einer Evolution Richtung Demokratie und zur Schaffung
freier Individuen und einer freien Gesellschaft führen können.
Doch das Aufkommen eines neuen Weltkrieges und die heftigen Gegensätze
zwischen den Polen brachten es mit sich, dass die innere Sicherheit in
den Vordergrund gerückt wurde, was wiederum eine zunehmende Distanz
von Gesellschafts- und Staatsstruktur mit sich brachte. Die autoritäre
Republik hat sich selber unvermeidbar gemacht.
Nach dem Krieg bestand eine historische Chance zur Demokratie. Diese Chance
wurde jedoch vertan, indem die Großhändler und Grundbesitzer
ihre zunehmende Gewichtigkeit dazu nutzten, der oligarchischen Struktur
ihren Stempel aufzudrücken. Dies war ein Schritt zurück. Die
stagnierende Mittelschicht und die sich nicht entwickelnden Schichten
der Nationalindustrie sowie hiermit einhergehend die existente Schwäche
der Werktätigen bewirkten, dass das gesellschaftliche Rückgrat
einer Demokratisierung schwach und gekrümmt blieb. Diese Schichten,
die sich am meisten für eine demokratische Institutionalisierung
einsetzen und diese entwickeln müssten, konnten nicht davor gerettet
werden, lediglich eine Reserve für die sich entwickelnde Oligarchie
zu bilden. Der stattfindende Kampf führte zu keiner anderen grundlegenden
Entwicklung als der Vertiefung des Chaos. Durch das Eingreifen der Armee
konnte lediglich ein totaler Zerfall verhindert werden, aber die Schrauben
wurden noch enger angezogen. Viele gesellschaftliche Projekte existierten
lediglich auf dem Papier und die nur an ihrem momentanen Vorteil orientierten
Kräfte haben diesen für sie idealen Zustand und das Ausplündern
zu einer Form der Politik gemacht, in dem sie sich zunehmend in einem
Wettstreit um noch stärkere Ausbeutung des Staates und der Gesellschaft
befanden. Diese Zeit ist eine Zeit, in der das Reden von rechtlichen Grundwerten
völlig sinnlos wurde.
Dieser Zeit wird nun von Grund auf der Prozess gemacht. Die Situation
nach dem Erdbeben im Gebiet Marmara und die Realität, die durch den
jahrelangen Krieg niederer Intensität ans Tageslicht kam, stellen
das historische Urteil dar, dass der Staat sich endlich ändern muss.
Die wichtigsten Institutionen des Staates erheben ihre Stimme, in dem
sie jeden Tag noch etwas tiefer in diese Realitäten vordringen. Die
Zivilgesellschaft versucht zum ersten Mal in der Geschichte, angelehnt
an ihre eigene Stärke, ihre Rolle zu bestimmen. Hier geht es nicht
um den Bankrott der Republik, sondern um ihren Führungsgeist insbesondere
in den letzten vierzig bis fünfzig Jahren und dessen unfruchtbare
Methoden. Es geht also darum, dass der Staat quasi sitzengeblieben
ist. Daher ist eine tiefgreifende Diskussion und eine grundsätzliche
Suche nach Abhilfe, wenn sie denn zu einem ernsthaften Ausweg und einer
Lösung verhelfen, unbedingte Voraussetzung. Der alte Geist und eine
enge, nur auf den Moment bezogene Vorteilsorientierung müssen als
wichtigste Gefahren erkannt werden. Es ist nicht mehr richtig, die Trennung
Links - Rechts, Machthaber - Opposition, Militär - Zivile aufrecht
zu erhalten und zu versuchen, durch Anschuldigungen der jeweils anderen
sich selber reinzuwaschen. Es ist vielmehr notwendig, im Bewusstsein,
dass gegenseitige Anschuldigungen zu keinem Ergebnis führen werden,
der gesamten Zeitperiode den Prozess zu machen und Lösungsmöglichkeiten
aufzuzeigen. Jeder Mensch muss seine eigene Rolle in diesem Prozess klar
erkennen und daran arbeiten, seinen Platz in einer neuen, modernen Staats-
und Gesellschaftsstruktur richtig zu bestimmen. Es findet die Suche nach
einem realistischen und historischen gesellschaftlichen Konsens statt.
Das konstruktive Bemühen jedes Einzelnen und jeder Einzelnen ist
hierbei unerlässlich.
Wir befinden uns in einer Situation, in der wir uns dieser Realität
in aller Deutlichkeit bewusst sind, an die daraus folgenden Notwendigkeiten
glauben und diese in die Praxis umsetzen. Seit 200 Jahren fanden im modernen
Sinn Klassenkämpfe jeder Art und Kämpfe auf nationaler, religiöser
und ethnischer Grundlage statt; Putsche wurden durchgeführt. Die
Machthaber wechselten. Regierungen bildeten sich neu. Aber die aktuelle
Situation, die Anlass von Beschwerden aller Gesellschaftsschichten ist,
konnte trotzdem nicht verhindert werden. Das beweist Folgendes: Es wurde
niemals ein grundlegender gesellschaftlicher Konsens herbeigeführt.
Dies ist der Hauptgrund für die Ergebnislosigkeit und die Abnutzung
der Auseinandersetzung im Oberbau. Es ist keine Lösung, dass eine
Seite aufsteigt und beherrscht, ja sogar unterdrückt. Im Gegenteil,
das ungleiche Kräfteverhältnis zerstört die gesellschaftliche
Zustimmung noch mehr. Die größte Unzulänglichkeit der
Republik, die sie nicht verdient hat, besteht in diesem Punkt. Die Republik
war vielleicht ein moderner Staat, aber es gab keinen gesellschaftlichen
Konsens. Diesen konnte die Republik nicht entwickeln, ja noch nicht einmal
seine Notwendigkeit erkennen. Es existierte keine Bereitschaft, dies zu
verstehen. Ohne Furcht muss erkannt werden, dass hierin unser größter
Fehler besteht, um ihn sodann zu überwinden. Dieser gesellschaftliche
Konsens, der nicht herbeigeführt werden konnte, wurde jedoch auf
etlichen wichtigen Gebieten in Umrissen erkennbar und zeigt sich auch
aktuell, indem er über verbale Beschwerden und Kritik hinaus in Aktivitäten
zum Ausdruck kommt und so die Vergangenheit ins Leere laufen lässt.
Ein großer Mangel besteht offensichtlich darin, dass kein an den
universalen Rechtswerten orientiertes Einvernehmen über die Grundfreiheiten,
angefangen vom Institut der Gedanken- und Glaubensfreiheit bis hin zu
den Freiheiten der elementaren kulturellen Identitäten und gesellschaftlichen
Schichten, hergestellt werden konnte.
Im Gegenteil zeigte sich auch während dieses Prozesses, dass die
aktuelle Politik und das bestehende Recht, die offizielle Ideologie und
deren Institutionalisierung, die ernsthaftesten Hindernisse für einen
solchen Konsens bilden. Die traumatische Situation der Gesellschaft wird
bei existenziell wichtigen Ereignissen wie z.B. dem Erdbeben deutlich.
Ich halte es für historisch bedeutungsvoll, auch auf den Gegenstand
des Prozesses, der mir gemacht wird, einzugehen, um zu einem noch besseren
Verstehen beizutragen.
Welcher Name auch immer der Realität gegeben wird, die wir als kurdisches
Volk bezeichnet wissen wollen: Die permanente Unterdrückung und Verleugnung
der Realität der Kurden ignoriert völlig jede Art von Philosophie,
Recht, Politik, Moral und Religion. Angefangen davon, dass es zu keiner
wissenschaftlichen Definition kommt und auch von den Herangehensweisen
unseres Zeitalters an solche Gegebenheiten nicht profitiert und hieraus
kein Fazit gezogen wird, glaubte man, dass sich das Problem allmählich
von alleine lösen würde, wenn man mit der Logik und primitiven
Geisteshaltung, wie sie ältesten Stämmen zu Eigen ist, bei Reaktionen
gegen diese Politik des Leugnens diese zur größten Gefahr erklärt
und sie bis hin zu einem Sprachverbot unterdrückt. Auf diese Weise
bleibt als einzige Methode die, die wir physische Liquidierung nennen
und die darin besteht, die Vernichtung bis zum letzten Gegner fortzusetzen.
Was würden hiernach durchzuführende Prozesse und praktizierte
Politikformen noch für eine Bedeutung haben? Bedürfte es für
eine physische Liquidierung noch irgendeiner Art von Recht oder Politik?
Und selbst wenn doch, welchen anderen Wert hätten sie als den eines
die Scham verdeckenden Feigenblatts? Wird die andere Seite, nachdem sie
eine solch erbarmungslose Art der Problemlösung erlebt hat, sich
selber davon abhalten können, ein Gegenpol zu sein, der die Ausweglosigkeit
noch vertieft, indem die Gegenreaktion keine Grenzen mehr kennt?
Dadurch, dass sich die Türkei in ihrer Art durch die Zuspitzung der
Probleme auszeichnet, fällt sie noch hinter das traditionelle Recht
des Stammessystems zurück. Dagegen wurden wir Zeugen davon, dass
die Lösungsstrategien der modernen Demokratie im letzten Jahrhundert
durch viele erfolgreiche Formen der Umsetzung selbst die kompliziertesten
gesellschaftlichen Probleme einer Lösung zuführen konnten. In
meinen Verteidigungsschriften habe ich dies zur Sprache gebracht. In der
Schweiz, einem der Kernländer Europas, konnte das Leben in einer
starken demokratischen Einheit verwirklicht werden, obwohl dort die Unterschiede
von Sprache, Kultur und Religion vier verschiedener Nationen aufeinander
treffen. Auf dem afrikanischen Kontinent konnte Südafrika nach langen
Kämpfen die Probleme der verschiedenen Rassen, Religionen und ethnischen
Unterschiede durch den Sieg des demokratischen Systems einer Lösung
zuführen. In Asien hat Russland durch eine entwickelte Föderation
religiöse, sprachliche und ethnische Differenzen gelöst.
Weltweit anzutreffende weitere Beispiele dafür, dass ein starker
Staat realisiert werden kann, in dem die größte Freiheit und
Gleichheit der unterschiedlichsten freien Gedanken, Überzeugungen
und Kulturen richtig praktiziert werden, sind auf dem Kontinent Australien
Neuseeland und auf dem amerikanischen Kontinent sogar die USA selber:
Hier ist durch die Gemeinschaft fast aller Sprachen, Religionen und Nationen
ein fast föderativ zu nennendes Weltsystem entstanden.
Es ist eine unsere heutige Welt zunehmend beherrschende Einsicht, dass
das freiheitliche Leben der Unterschiede keine Schwächung und Spaltung
bedeutet, sondern Basis für Bereicherung und Stärkung sei kann.
Das menschheitsverachtende Antlitz fanatischer Religionen, Nationen und
chauvinistischer Stämme ist über die Experimente faschistischer
totalitärer Regime in der Geschichte klar zu Tage getreten und ihr
Bankrott ist während der Kriege unseres Jahrhunderts endgültig
geworden. Im Gegenteil, die vielfältigen lösungsstiftenden Charakteristiken
des demokratischen Systems haben weltweit ihren Erfolg bewiesen. Es steht
außer Diskussion, dass eine moderne Zivilisation nur diejenige der
Demokratie sein kann.
Ein Vergleich der aktuellen konkreten Situation der Türkei mit ihrer
Geschichte macht deutlich, dass sie in Bezug auf die gesellschaftlichen
Probleme in vieler Hinsicht zurückgefallen ist und sich selber in
eine Ausweglosigkeit manövriert hat. Es ist nicht unsere Absicht,
die Republik mit dem Imperium aus dem Blickwinkel ihrer Fortschrittlichkeit
zu vergleichen. Jedoch egal, wie stark ein Staat auch sein mag, die Bedeutung
des gesellschaftlichen Konsenses und die Tatsache, dass gesellschaftliches
Übereinkommen unabdingbar ist, muss sehr gut begriffen werden.
Die Verordnung des Sultans Mehmed von Fatih, die Herr Ministerpräsident
Ecevit bei seiner Reise in die USA mitnahm und dort als Geschenk übergab,
was dieser Tage auch in der Presse behandelt wurde, belegt, welche Wichtigkeit
der Sultan den religiösen und kulturellen Lebensformen und der Freiheit
der Völker in den von ihm eroberten Gebieten beimaß. Das Wesen
dieses Erlasses entspricht einer Haltung, der auch heute noch unsere Suche
gilt. Das Osmanische Reich war ein Imperium, das ungeheuer viele Gemeinschaften
verschiedenster Volksstämme, Religionen, Sprachen, Sippen und Rassen
in sich barg und sein lange andauernder Bestand ist entscheidend auf den
Faktor zurückzuführen, dass es im Besitz eines verständigen
gesellschaftlichen Konsenses war, der in der Gesellschaftsphilosophie
auch heute noch Vorbildcharakter besitzen kann. Eine durch Gewalt aufgezwungene
Assimilation ist undenkbar.
Die Langlebigkeit sozialer Strukturen hängt entscheidend vom Schutz
der auf freier Bevorzugung beruhenden Unterschiede ab, ohne dass auf die
Anwendung innerer oder äusserer Gewalt zurückgegriffen wird.
Die Republik wurde als ein moderner Staat gegründet. Aus institutioneller
Sicht hat sie die Ursachen, die zum Zusammenbruch des Imperiums führten,
überwunden.
Der Umstand jedoch, dass sie den gleichen Erfolg auf gesellschaftlicher
Ebene nicht erzielen konnte, und ihre dekadenten Charakteristiken, insbesondere
der letzten vierzig bis fünfzig Jahre, stehen in einem fast dialektischen
Verhältnis zueinander. Eine Dialektik des Durcheinanders und des
Chaos. Keine Gesellschaft kann über lange Zeit mit einer solchen
Dialektik des Chaos stabil existieren. Ein solches Regime kommt einem
Regime gleich, das in den Wahnsinn treibt. Diese Art Regime können
auch kein politisches oder rechtliches System etablieren. Das allmähliche
Verschwinden des Rechts aus der Staats- und Gesellschaftsstruktur hängt
eng mit dieser Realität zusammen.
Wenn wir den Gegenstand dieses Verfahrens, in dem hier heute gegen mich
prozessiert wird, nämlich den Gesellschaftsteil kurdischen Ursprungs,
zu verstehen versuchen, wäre es ein schwerwiegender Fehler, ohne
Berücksichtigung der oben angeführten schmerzvollen Realitäten
zu einem Urteil zu gelangen. Auf diese Realitäten will ich hinaus.
Es ist von großer Wichtigkeit, dass versucht wird, den Gegenstand
dieses Verfahrens im Licht der Realität zu begreifen. Es ist ein
Fakt, dass die Gesellschaft kurdischen Ursprungs, von der uns die Anklage
vorwirft, wir hätten sie von der Republik loslösen wollen, in
einer Zange gesellschaftlicher Verleugnung zu leben gezwungen war, die
sogar noch hinter der Realität des Osmanischen Reichs zurückbleibt.
Ich betone nochmals: Es ist offiziell anerkannt, dass die kurdische Bevölkerung
in der Gründungsphase der Republik wesentlicher Teil der ursprünglichen
Begründer war.
Zumindest wurde ihre Existenz eingestanden. Die Probleme, die durch den
die Aufstände anführenden und sich im Widerspruch zur Republik
befindenden Bevölkerungsteil entstanden, sind nachvollziehbar. Aber
in der Zeit nach Atatürk kam es zu einer Normalisierung und eine
ernsthafte, gegen den Bestand der Republik gerichtete Gefahr bestand nicht
mehr. Der Umstand, dass ausgerechnet in dieser Zeit zu einer sogar verfassungsrechtlich
verankerten Politik des totalen Verleugnens übergegangen wurde, die
noch hinter den gesellschaftlichen Konsens des Osmanischen Reichs zurückfiel
und im Sprachverbot gipfelte, hat die gesellschaftliche Legitimation beendet
und die moralische und politische Notwendigkeit jeder Art von Aufstand,
auch ungesetzlicher Art, hervorgerufen. Das Erkennen dieser Realität,
die dem Geschehen zugrunde lag, und wegen dessen Vorkämpfertum mir
hier der Prozess gemacht wird, ist von existenzieller Wichtigkeit: nicht
um meiner Person willen, sondern um zu einem richtigen Verständnis
der jüngsten Vergangenheit zu gelangen und den gesellschaftlichen
Konsens und die Verfassung der Zukunft fehlerfrei zu gestalten.
Es ist nunmehr unausweichlich, dass vor allem in der kurdischen Gesellschaftsstruktur
als auch in der nationalen Struktur der Türkei, die sich vorrangig
aus Menschen türkischen Ursprungs zusammensetzt, ein fortschrittlicher
gesellschaftlicher Konsens aller unterschiedlichen Gesellschaftsteile
auf wissenschaftlicher Grundlage herzustellen ist. Die revolutionäre
Eigenart des Aktes der Republikgründung ist von dem sich später
entwickelnden Chaos zu unterscheiden. So sehr wir uns Ersterem verbunden
fühlen und vor der Gründung Achtung haben, so notwendig und
richtig ist das Wissen, dass gerade diese Verbundenheit und Achtung es
zur Pflicht machen, das Zweite zu überwinden.
In der Konkretheit dieses Prozesses wurden manche Punkte deutlich, die
auffallen und Rückschlüsse darauf zulassen, wie unter historischen
Gesichtspunkten eine Problemlösung aussehen kann.
Der erste Punkt ist, dass der Anteil der Kurden an der Republikgründung
heruntergespielt wurde. Wenn dieser Anteil bagatellisiert wird, werden
die modernen Rechte der nicht zu unterschätzenden Realität eines
Volkes auf lange Zeit nicht beachtet, und wenn zum Mittel des Zwangs und
der Gewalt zwecks Assimilierung gegriffen wird, so ist hiermit kein vernünftiges
politisches und rechtliches System zu schaffen. Doch selbst wenn es geschaffen
werden sollte, ist es mit derartigen Methoden der Politik nicht aufrecht
zu erhalten. Andererseits kann auch ein legitimer Aufstand gegen diese
Art der Politik und gegen rechtliche Ungleichheit auf der Grundlage von
Sezession keinen Erfolg erzielen. Zahlreiche stattgefundene Aufstände
haben diese Realität mit vielen Schmerzen und Verlusten zu Genüge
belegt.
Ein anderer grundlegender Punkt, der verständlich wird, ist der,
dass das zunehmende Bewusstsein darüber, dass es auch in den Zeiten
zwischen den Aufständen zu keiner Lösung für das Leben
kommen kann, gleichgültig, ob diese Zwischenzeiten mit Gewalt herbeigeführt
wurden oder sich die Aufstände von selber legten, noch schwerwiegendere
Explosionen zur Folge hat. Dieser Umstand belegt zugleich das politische
Motiv der Aufstände.
Die Geschichte der Republik kann lediglich dann auf den richtigen Weg
gebracht werden und den ihr zustehenden Erfolg erzielen, wenn ihre Mängel
und Fehler in diesem Kontext erkannt werden. Daher sage ich, dass dieser
Prozess sich nicht durch ein Urteil selber beschränken sollte, das
nur den engen Strafvorschriften des formalen Rechts gemäß rechtlich
korrekt wäre. Eine solche Betrachtungsweise wäre nicht in der
Lage, eine ausreichende Erwiderung auf das Wesen der Republik darzustellen.
Ich kann nicht an mich halten, diesen Punkt immer wieder zur Sprache zu
bringen. Ich habe nicht gegen den Kern der Republik gekämpft, sondern
gegen ihre oligarchischen Abweichungen.
Dass dies nicht hinreichend zum Ausdruck oder es zu Aktivitäten mancher
Kämpferinnen und Kämpfer in der Periode des Aufstands kam, die
in keinster Weise akzeptabel sind, können an dieser Realität
meines Kampfes nichts ändern. Etwas verallgemeinert gesprochen: Utopien
und Fehler im Programm und in den Aktionen der PKK können nicht dazu
führen, dass diese fundamentale Eigenheit meiner Realität aufgehoben
wird. Es ist nicht möglich, mit einer derart übertriebenen Art
des Prozessierens gegen mich mir sämtliche Aktionen anzulasten: diejenigen
einer Masse, die an die Millionen reicht, diejenigen nicht weniger Individuen,
die aufgrund einer vorenthaltenen Kultur ohne feste Prinzipien sind und
sogar die Handlungen aller am Kampf beteiligten Seiten. Das ist mit universalen
Rechtsprinzipien und der Philosophie grundlegender Politik und Moral nicht
in Einklang zu bringen. Es sprengt alle Regeln der Wissenschaft, mir die
alleinige Verantwortung für ein derart umfassendes Problem zuzuschreiben.
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