Die Rolle der Kurden in der Geschichte der Republik, die Kurdenfrage und deren Lösung

Um die PKK angemessen analysieren und beurteilen zu können, reicht eine klassische und enge juristische Methodik nicht aus. Das Problem kann weder mit der primitiv-separatistischen noch mit der traditionell-nationalistischen Haltung richtig angegangen werden. Wenn die Türkei sich von diesem wichtigsten Problem befreien will, ist sie gezwungen, die wissenschaftlichen Standards der historischen und sozialen Methodik anzuwenden, um eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Beurteilungen, die die soziale Realität der PKK und das bestehende politische System nicht in Rechnung stellen, und die, wie in letzter Zeit der Fall, aus subjektiver Sicht vorgenommen werden, können weder die PKK zerstören noch zu einer Lösung verlocken. Wenn beide Seiten sich in ihrer zu Propagandazwecken benutzten Sprache mäßigen und eine objektivere Haltung einnehmen, kann das Problem allmählich aus der Sackgasse herausgeführt und einer Lösung näher gebracht werden. Starre ideologische und politische Vorgehensweisen sind mit einer demokratischen Lösung, die in dieser Phase zwingend ist, nicht vereinbar. Wenn man die Kurdenfrage im Kontext der Republik behandelte, würde man erkennen, dass die PKK das geeignetste Mittel zur Lösung ist.
Es ist von großer geschichtlicher Bedeutung, einige offene Fragen zu stellen und zu beantworten. Jeder bringt dies zur Sprache. Wenn die Kurden Mitbegründer der Republik sind - und das ist so -, warum wurde die Darstellung ihrer Identität zum größten Problem in der Phase der Gründung? Was sind die historischen Irrtümer, die beide Seiten begangen haben? Um das Problem zu lösen, ist es heute unumgänglich, dass die Kurden von der Wissenschaft wieder als eines der wichtigsten dynamischen Elemente bei der Gründung und Entwicklung der Republik definiert werden. Sie müssen auch als bewusste freie Bürger und eine gesellschaftliche Gruppe dargestellt werden und ihre Teilhabe an den allgemeinen verfassungsmäßigen Rechten und ihre Veranwortung sollte offen zum Ausdruck gebracht werden. Wenn stattdessen wieder mit den alten Methoden, die keinerlei wissenschaftlichen Charakter haben, verfahren wird, dann wird jeder das Problem seinen eigenen Interessen entsprechend in die Hand nehmen und zu subjektiven Schlussfolgerungen kommen. So würde eine sehr gefährliche Basis entstehen. Einige würden dies für ihr antidemokratisches Wählerpotenzial missbrauchen, andere zum Ziel und Thema des Nationalismus machen, wiederum andere als Grund für eine Rebellion nehmen. Es steht aber trotz aller utopischen und extremen politischen Perspektiven fest, dass die PKK auf hervorragende Weise ihre historische Rolle gespielt hat: das Problem beim Namen zu nennen und die Notwendigkeit seiner Lösung vor Augen zu führen. Sie hat die Notwendigkeit einer Lösung geschaffen. Auch wenn sie mit ihren Methoden und ihrer starren Politik den ideologischen und politischen Kampf verwechselt hat, ist sie beispiellos und hinterlässt der Geschichte ein reiches Erbe. In diesem Sinn hat sie den höchsten Preis dafür gezahlt, dass die Existenz der Kurden anerkannt wird und sie nicht mehr die Quelle des Problems sind.
Annähernd 25.000 Gefallene, über 10.000 zu Gefängnis verurteilte Mitglieder, Millionen von Menschen, die in rund zwanzig Jahren vertrieben wurden, unendliches Leid und grenzenlose Opfer im Krieg, die Entvölkerung von über 3.000 Dörfern - alle diese Fakten zeigen nicht nur die Ursache des Problems, sondern auch die Notwendigkeit seiner Lösung. Wenn man die Verluste der anderen Seite, also die Bilanz der Verluste des Staates dazurechnet, enthüllt sich die Dimension des Problems und die dringende Notwendigkeit, eine Lösung zu finden. Die tiefen Auswirkungen dieses Problems auf die Innen- und Außenpolitik, die ökonomische und soziale Lage sowie die Tatsache, dass es in diesen Bereichen zu einem regelrechten Stillstand gekommen ist, machen es noch zwingender, dieses Problem einer Lösung zuzuführen.
Eigentlich war die Türkei, die Republik, sich weitgehend dieser Seite der Erscheinung bewusst. Aber die gewaltsame offizielle Haltung und das furchtsame Herangehen an eine Lösung haben ein Problem geschaffen. Folgendes müssen wir uns eingestehen: Wir waren immer mit dieser Erscheinung konfrontiert und werden es auch weiterhin sein. Wenn das so ist, warum werden die Kurden nicht als ein unproblematisches, freies, dynamisches und demokratisches Element des Fortschritts anerkannt und warum werden sie nicht zu einer freien demokratischen Kraft in der Republik?
Warum sollte das verhindert werden? Warum soll es gegen Gesetze und die Verfassung verstoßen, wenn die Mitbegründer der Republik als aktive demokratische Teile der Republik anerkannt werden? Wenn irgendetwas falsch ist, dann sind es diese Verfassung und diese Gesetze, die den grundlegenden Prinzipien der Republik widersprechen. Was geändert werden muss, ist nicht die Erscheinung, sondern die Gesetze, die ihr nicht angemessen sind und ihr nicht in demokratischer Weise Ausdruck verleihen. Dieser Aspekt der Gesetze hat bei der Vertiefung des Problems eine bedeutende Rolle gespielt. Tatsache ist, dass diese Situation in der Gründungsversammlung der Republik und in der Gründungszeit Atatürks nicht existierte. Wie sehr auch immer der Dilettantismus, der mangelnde Realismus und die Fehler in den Aktionsmethoden der PKK kritisiert werden mögen, so hat die PKK der Republik historisch und gesellschaftlich doch gute Dienste geleistet, indem sie ständig gesagt hat: “Sieh dieses Problem, das dich schon so lange belastet, und löse es. Vor diesem Hintergrund haben die Kurden versucht, eine ebenso wichtige Rolle bei der Demokratisierung der Republik zu spielen, wie sie sie auch bei der Befreiung und Gründung der Republik gespielt haben.
Die Kurden haben mit ihrem Aufstand unter der Führung der PKK folgendes bewiesen: Wenn du unsere Freiheit nicht anerkennst, werden Separatismus und Aufstände immer auf der Tagesordnung stehen. Entweder vereinige ich mich mit dir als freier Verbündeter oder ich sterbe oder fliehe. Andernfalls werden wir beide viel Leid und Verluste ertragen müssen. Das ist die Botschaft dieser Aufstände. Die PKK hat bezüglich der freien Vereinigung eine hohe Reife erlangt. Dies zu erkennen, heißt ihre Geschichte zu sehen. Der Schutz und die Verteidigung der Republik können nicht gewährleistet werden, solange man dies ignoriert. Diese freiwillige Einheit konkretisierte sich mit Millionen von Stimmen - zuletzt im Rahmen der HADEP. Die Republik kann nur verteidigt werden, wenn man diese Realität sieht und sie mit der Republik und deren rechtlicher Ordnung vereinigt und ein demokratisches Zusammenleben verwirklicht. Die PKK ist eine Bewegung des bewussten und freien Willens, die zum Ausdruck gebracht hat, dass die Vereinigung mit einer in historischer Hinsicht unterdrückten, eingeschüchterten und durch erzwungene Rückständigkeit fast unkenntlich gemachten kurdischen Realität nicht möglich ist, dass eine solche Masse dem Anspruch auf Aufgeklärtheit der Republik widerspricht und dass auch die Gründungsmitglieder der Republik aufgeklärt und frei sein müssen, wenn die Republik diese Attribute für sich in Anspruch nimmt.
Die letzten Wahlen haben dies klar und deutlich bewiesen. Daher verkörpert die PKK die historische Realität der freien Einheit, indem sie die den Kurden zustehende Rolle in der Republik richtig definiert.
Wenn diese geschichtliche Realität gänzlich erfolgreich ist, dann darf im letzten Teil der Anklageschrift nicht gesagt werden, dass die PKK einen separaten Staat fordert, sondern dass sie ganz eindeutig eine Demokratische Republik fordert und die treibende Kraft einer solchen Republik ist. Auch wenn die Geschichte dies heute noch nicht anerkennt, so wird sie es doch früher oder später tun. Die Geschichte wird damit von der PKK ans Licht gebracht und berichtigt, und das Problem wird gelöst. Wie die Kurden in der Zeit der Befreiung in den 20er-Jahren die Rolle einer nationalen Streitkraft* spielten, haben sie, da wir uns der Jahrtausendwende nähern, mit der PKK und ihren richtigen und falschen Handlungen, schlechten und guten Seiten die Rolle einer demokratischen Streitkraft gespielt. Sie ist keine separatistische Bewegung, im Gegenteil: Sie ist eine Bewegung für die vielleicht stabilste Vereinigung mit der Türkei und den Türken, um Kräfte zu sammeln und wieder eine Führungsposition vom Mittelosten über den Kaukasus bis zum Balkan zu erlangen. Es gibt keinen anderen Weg außer der freiwilligen Einheit. Die PKK ist auch ein Beweis dafür. Nichts, auch nicht die Gesetze, kann stärker sein als die Macht des Faktischen. An diesem historischen Wendepunkt der PKK dürfen wir nicht für die Trennung, sondern müssen wir für die Vereinigung sein. Wir müssen die dominierende Seite der Realität sehen und uns entsprechend entscheiden.



*Türkisch: Kuva-i Milliye