3.
Das Recht des kurdischen Volkes auf seine Sprache und seinen freien kulturellen
Ausdruck ist der Kern des Problems.
Die
erste und zweite These haben dargelegt, dass es sich bei dem Problem nicht
um die Frage der Gründung eines Staates handelt, sondern dass es
um ein freies Leben in der Heimat geht und um eine demokratische Einheit
im Staate. Die historische, politische und verfassungsmäßige
Basis dafür ist vorhanden. Die vorhandenen Fragen sind nicht so schwer
und unüberwindbar, wenn sie von Personen mit guter Absicht, mutig
und mit einem Mindestmaß an Demokratie angegangen werden.
Ergänzend hierzu stellt das Sprachverbot und die Behinderung der
kulturellen Freiheit eine Besonderheit dieses Problems dar. Dass man sich
darauf nicht konzentrierte, hat die Lage sehr kompliziert. So kam es zu
einer Vermischung der politischen und kulturellen Dimensionen, vielfach
auch zur falschen Definition der Frage, zu falschen Anwendungen, ja, es
kam sogar zu Aufständen. Das ist nicht nur ein Unglück, sondern
darüber hinaus auch das bittere Ergebnis einer unwissenschaftlichen
und dogmatischen Herangehensweise. Sehen wir uns noch einmal das Beispiel
der Schweiz an, wo alle vier Sprachen offiziell als nationale Sprachen
benutzt werden. In den größten Ländern wie den USA, Indien
und sogar in Russland gibt es eine ähnliche Sprach- und Kulturfreiheit.
Keiner der Staaten verliert dadurch an Kraft. Im Gegenteil, es stärkt
sie sogar. In der Türkei dagegen wird durch Verbote und Behinderungen
das Volk zu Aufständen getrieben und dazu gebracht, auf Distanz zum
Staat zu gehen. Das schafft keine Voraussetzung für eine gesunde
Assimilation, sondern ist eine Methode, die Schwierigkeiten produziert.
Im Grunde genommen gibt es diesbezüglich in der Verfassung keine
Beschränkungen. Der Präsident des Verfassungsgerichts hat offen
von der Notwendigkeit gesprochen, dass die Behinderungen der Sprach-,
Kultur- und Artikulationsfreiheit beseitigt werden müssen.
Die Aufhebung des kurdischen Publikations- und Sprachverbots, die Gründung
eines kurdischen Instituts und die Aktivitäten der Kulturvereine
sind seit den 90er-Jahren Anzeichen für Veränderungen seitens
des Staates. Das sind wichtige Schritte. Wenn noch mehr Sicherheiten geboten
werden und diese Einrichtungen sich weiter entfalten können, dann
ist ein wesentlicher Schritt zur Lösung getan. Der am schwersten
wiegende Mangel ist das Analphabetentum.
Es gibt in der Verfassung keine Verbote bezüglich des Lesens und
Schreibens. Es ist eine Frage der Möglichkeiten und wie die Erziehung
vorbereitet wird. Das kann man ohne weiteres bewältigen. In einigen
Vorschulen, in Instituten und in den Fachbereichen Geschichte und Philologie
an den Universitäten können große Beiträge zur Lösung
geleistet werden. In vielen Ländern gibt es solche Einrichtungen.
Im Zeitalter der Technologie haben die Beschränkungen gar keinen
Sinn mehr. Das Gleiche gilt auch für Radio- und Fernsehsendungen.
In Wirklichkeit wird eine Emanzipation auf diesem Gebiet die wichtigsten
Faktoren für die Lösung offenbaren. Durch die Untersuchung der
kurdischen Geschichte, Sprache und Kultur, durch die Gründung und
Erweiterung von Vorschulen, die Anerkennung der Freiheit von Publikationsmitteln,
von Büchern, Zeitungen, Radio, Fernsehen usw. wird eine spezielle
Lösung möglich sein. Separatismus und Loslösung werden
sich dadurch sicherlich nicht entwickeln. Im Gegenteil, sie können
präventiv verhindert werden. Es wird keine Schwächung auftreten,
sondern eine neue Stärke geboren. Die Verbundenheit zum Staat wird
gefördert. Der Staat wird in diesem Fall noch mehr akzeptiert. Zahlreiche
Beispiele in der Welt zeigen das. Das Lernen der türkischen Sprache
als offizielle Sprache wird als sinnvoll anerkannt werden und wird eine
Bereicherung darstellen. Genau wie in den USA, in vielen asiatischen und
afrikanischen Ländern, wo Englisch, Französisch und Russisch
als offizielle Sprache gelernt werden. Das Erlernen der Muttersprache
ist eine maßgebliche demokratische Methode, welche die Einheit stärkt
und den Separatismus verhindert. Wenn die Türkei das innerhalb ihrer
Grenzen zulässt, braucht sie sich vor den Entwicklungen in den Nachbarländern
nicht zu fürchten. Im Gegenteil: Sie könnte die Bevölkerung
in den Nachbarländern mit einer so großartigen demokratischen
Herangehensweise positiv beeinflussen, wodurch sie Sympathie und Verbundenheit
dieser Menschen erfahren würde. Auch dadurch wird nicht der Separatismus
gefördert, sondern Einheit und Stärke.
Es ist bekannt, welchen Einfluss die demokratische Lösung auf die
Gesellschaften des Mittleren Ostens hat. Die bisherige Politik, die von
Verboten geprägt ist, hat wirklich sehr großen Schaden angerichtet.
Sie hat weder der Einheit noch der Stärkung gedient. Auch wenn heute
nur in Ansätzen eine demokratische Lösung gewagt wird, so zeigt
sich doch, dass eine solche Lösung der Kurdenfrage Einheit und Stärke
bedeutet; das historische Leid und die Verluste müssen sich nicht
wiederholen. Aus diesem Grunde ist die Aufhebung von Sprach- und Kulturverboten
ebenso wie der Verbote anderer Ausdrucksmittel wichtig, um die Komplexität
der Frage aufzulösen. So werden viele Fehler, Ängste und Reaktionen
vermieden. Auf der Grundlage von Einheit, Wohlstand und Stärkung
wird der Weg geebnet, anstelle von Separatismus und Schwächung.
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