Einleitung
Unsere Partei ist in den 70er Jahren als eine revolutionär-sozialistische
und nationale Befreiungsbewegung entstanden. Die Entstehungszeit der Partei
war geprägt vom Hintergrund einer weltweiten revolutionären Welle,
die sich aus siegreichen nationalen Befreiungsbewegungen in Asien, Afrika
und Lateinamerika speiste und von ihren beeinflußt war. Es war jedoch
auch eine Zeit, in der sich die Spannungen zwischen den Blöcken der
USA und der Sowjetunion verstärkten, in der die revolutionäre
Jugendbewegung in der Türkei einen radikalen Aufschwung erlebte, in
Kurdistan die stammesfeudalen Strukturen aufbrachen und sich objektive
Voraussetzungen entwickelten, um eine solche Befreiungsbewegung zu gründen.
Unsere Partei ist bereits seit ihren Anfängen inhaltlich, theoretisch
und praktisch von der Großen Voraussicht und der Entschlossenheit
des Parteivorsitzenden Abdullah Öcalan geprägt. Sie bewirkte
eine entscheidende Wende in der Geschichte Kurdistans, indem sie unser
Volk, das seitens des türkischen Kolonialismus von der geschichtlichen
Arena ausgelöscht werden sollte, dazu bewegte, sich dagegen zu wehren
und das Volk so auf den Weg der Befreiung gebracht wurde.
Der Abschnitt von 1970 bis 1978 stellt in der Geschichte unserer Partei
die Zeit einer ideologischen Gruppe dar. Die am Anfang dieses Abschnitts
in engem Studentenkreis in den großen Städten der Türkei
entstandene Partei hatte am Ende dieser Zeitspanne in den Städten
Kurdistans eine organisatorische Basis in einer Intellektuellen- und Jugendbewegung
geschaffen. Die grundlegende Vorgehensweise diese Periode war zunächst
jene der Untersuchung, der Erforschung, der Schaffung des revolutionären
Gedankens, und dann auch jene der Propaganda, um die revolutionären
Gedanken zu verbreiten und die Intellektuellen und die Jugend für
die Bewegung zu gewinnen. In dieser Zeit wurde eine Grundvoraussetzung
erarbeitet und geschaffen, nämlich die Formulierung einer scharfen
Kritik am türkischen Kolonialismus und den kollaborierenden kurdischen
Strömungen dieses etablierten Systems. Diese Kritik lieferte
die Basis einer revolutionären Ausbildung. Einer jener führenden
Militanten in dieser Phase, die sich damals am stärksten engagierten
und dem Parteivorsitzenden am engsten folgten, war Genosse Haki Karer.
Die Bewegung der sich formierenden ideologischen Gruppe entwickelte bald
einen organisierten und praktischen Charakter und wurde schließlich
zu einer politischen Bewegung.
Den zweiten Abschnitt, die Phase der politischen Entwicklung, erlebte
unsere Partei in den Jahren 1978 bis 1980. Einer der wichtigsten Schritte
dieser Zeit war der Gründungskongreß am 26. und 27. November
1978, in dessen Verlauf unsere Partei offiziell gegründet wurde. Der
Aufstand von Hilvan und Siverek, im Umfeld dessen sich der revolutionäre
bewaffnete Kampf entwickelte, stellt den Beginn des Volksaufstandes mit
dem Ziel der nationalen Befreiung dar. Dieser Kampf, der von dem so heldenhaften
Widerstand von Genossen wie Halil Cavgun, Salih Kandal oder Cuma Tak gekenzeichnet
war, zog die Sympathie von großen Massen der Bevölkerung auf
sich und verwandelte so die begonnene Bewegung in eine breite Volksbewegung.
Diese Entwicklung führte zu einer derartigen Destabilisierung des
türkischen Kolonialismus, daß es zu dem faschistischen Militärputsch
vom 12. September 1980 kam.
Unsere Partei versuchte in dieser Zeit der Etablierung der politischen
Entwicklung, sowohl den bewaffneten Kampf zu organisieren als auch die
Möglichkeiten, die sich im Ausland für die Unterstützung
des Kampfes boten, zu nutzen. Der sich als äußerst brutale konterrevolutionäre
Bewegung entwickelnde Militärputsch vom 12. September veranlaßte
uns dazu, verstärkt auf diese Möglichkeiten zurückzugreifen.
Die Partei sah sich in der Folge der Taktik des teilweisen Rückzugs
gezwungen. So waren auch die Jahre 1980 bis 1982, in denen die revolutionäre
Entwicklung von einer blutigen und grausamen Gegenrevolution unterdruckt
wurde, eine der schwersten Zeiten für unsere Partei. Einerseits wurden
Hunderte inhaftierte Parteikader in den Gefängnissen einem schier
unerträglichen und in seinem Ausmaß zerstörerischen Druck
unterzogen, andererseits war die Handvoll von Parteikadern im Ausland Provokationen
ausgesetzt. Es wurde damit versucht, unsere Partei gänzlich zu liquidieren.
In den Gefängnissen widersetzte sich unsere Partei diesem Vernichtungsangriff
mit dem unvergleichlichen Widerstand von Genossen wie Mazlum Dogan, M.
Hayri Durmus und Kemal Pir. Des weiteren war unsere Partei darin erfolgreich,
die Kampfgebiete des Mittleren Ostens als Orte des Wiederaufbaus und der
politisch-militärischen Ausbildung zu nutzen, um wieder ins Land zurückkehren
und eine neue Widerstandsphase einleiten zu können. Historische Meilensteine
dieser Zeit waren der 1. Parteikongreß im Juli 1981 und der 2. Parteikongreß
im August 1982. Diese Entwicklungen wurden durch den aufopfernden Einsatz
von zahlreichen Genossen, wie unter anderen Abdülkadir Çubukçu
und Ismet Özkan, ermöglicht.
Unsere Partei, der es sowohl in den Gefängnissen wie auch im
Ausland gelang, sich heldenhaft den vielfältigsten Unterdrückungsmaßnahmen
und Provokationen zu widersetzen, kehrte ab Ende des Jahres 1982 ins Land
zurück, um den revolutionären Widerstand gegen den 12.-September-Faschismus
zu organisieren. In dieser Widerstandsphase, in deren Zentrum die revolutionäre
Aktion vom 15. August 1984 stand, zeigte sich, wozu menschliches Bewußtsein
sowie Wille und Überzeugung fähig sind. Diese Zeit, die von den
Arbeiten und Aktivitäten von bewaffneten Propaganda-einheiten gekenzeichnet
war, hat als Widerstandsphase gegen den Faschismus vom 12. September beim
Volk und auf internationaler Ebene großen Eindruck hinterlassen.
Kerngruppen unserer Partei verbreiteten sich erneut im Land, organisierten
sich vom neuem und stellten Beziehungen zur Bevölkerung her. Viele
unserer Genossen fielen in dieser Zeit, allen voran Sahin Kilavuz, Mehmet
Karasungur und Mahsum Korkmaz. Die brutale faschistische Unterdrückungspolitik
wurde auf diese Weise bekämpft, und so wurden die ersten Schritte
zur Bildung einer nationalen Befreiungsbewegung und einer nationalen Befreiungsarmee
vollzogen.
Die Formung und Herausbildung einer modernen Kampfführung und
einer modernen Armee in Kurdistan waren mit äußerst schwierigen
Begleitumständen verbunden. So wurde die Weiterführung und Ausbreitung
des Widerstandes kurz nach der Aktion vom 15. August 1984 zu einem ernsten
Problem. Verschiedenartigste konservative, individualistische, inkompetente
oder zersetzende Tendenzen brachten unseren revolutionären Kampf an
den Rand der Niederlage. Diese Tendenzen konnten jedoch im Verlauf des
3. Parteikongresses überwunden werden. Die These des Parteivorsitzenden
Abdullah Öcalan, nach der nicht das Individuum zur Debatte steht,
sondern die Klasse, und nicht der Moment, sondern die Geschichte, sicherten
die Weiterführung und Entwicklung der revolutionären Aktion vom
15. August 1984 im Prozeß der revolutionären Erneuerung. Die
Phase von 1987 bis 1990 war eine Zeit der Ausbreitung und Etablierung der
Guerilla in ganz Kurdistan. In dieser Zeit fielen Hunderte unserer Genossen
im Kampf als Märtyrer, so unter anderen Ahmet Kesip, Mehmet Sevgat,
Sehymus Yigit, Mustafa Yöndem, Mustafa Ömürcan, Haydar Karasungur
und Hasan Bindal. Der Kampf, der sich auch gegen aufrührerische und
willkürliche Bandenbildungen und das feudale Verschwörertum richtete,
konnte konkrete Schritte zu einer revolutionären Vorgehensweise setzen.
Es ist dies auch ein Kampf, der von dem Parteivorsitzenden Abdullah Öcalan
personlich geführt wurde und der zu einer Begegnung und Verbindung
unserer Partei mit der Bevölkerung und in der Folge zu Volksaufständen
(Serhildan) geführt hat.
Während in Kurdistan solche historischen Entwicklungen abliefen
und die Welt mit dem Zerfall der Sowjetunion in eine Phase fundamentaler
Veränderung eintrat, wurde unser 4. Parteikongreß abgehalten.
Es war auch die Zeit des Golfkrieges, in dessen Verlauf unsere Partei von
den günstigen Voraussetzungen in Kurdistan profitierte und einen hohen
revolutionären Aufschwung erlebte, was schließlich den Feind
dazu veranlaßte, einen allumfassenden Spezialkrieg durchzuführen.
Die Verbreitung der Guerilla in ganz Kurdistan und die sich häufenden
Serhildan brachten unseren Kampf an die Schwelle der Volksherrschaft. Diese
revolutionäre Entwicklungsphase sollte mit einer internationalen konterrevolutionären
Front, wie sie sich im Krieg in Südkurdistan manifestierte, verlangsamt
oder aufgehalten werden. Unsere Partei jedoch konnte diese, seitens der
faschistischen Spezialkriegsführung inszenierten Angriffe einerseits
durch die Aufstände der Bevölkerung, andererseits durch legale
Arbeit und die Erklärung eines einseitigen Waffenstillstandes entlarven.
Die Parteiarbeit, der bewaffnete Kampf und die Vermeidung und Bekämpfung
der im Verlauf des revolutionären Prozesses sich zeigenden liquidierenden
Strömungen des Bürgertums, sichterten diesen Erfolg. Hunderte
Genossen, die Heldenhaft Widerstand geleistet hatten, wurden zu Märtyrern,
allen voran Ahmet Güler, Mehmet Salih Sahin, Aydin Adsay, Abdülkadir
Bekiroglu, Kazim Kullu, Binevs Agal, Gülnaz Karatas, Bedriye Tas und
Nilgün Yildirim. Sie wurden zu Festungen auf dem Weg zum Sieg, den
die revolutionäre Parteiführung vorgezeichnet hat.
Unsere Partei hat mit dem 5. Kongreß, nach fünfundzwanzigjährigem
Kampf und dem besonderes in den letzten vier Jahren intensiven Krieg, den
höchsten historischen Gipfel erreicht. Der Kampf von fünfundzwanzig
Jahren und die damit einhergehende reiche theoretische und praktische Erfahrung
brachten es für Kurdistan zum ersten Mal in seiner Geschichte mit
sich, daß es zu solch umfassenden politischen, organisatorischen
und militärischen Veränderungen und Entwicklungen gekommen ist.
Als wir vor achtzehn Jahren im September 1977 das Parteiprogramm entwarfen,
gab es noch keinen Kampf, existierte nur die Wille sowie das Bewußtsein
über die Notwendigkeit des Kampfes. Unser Parteiprogramm stützte
sich auf keinerlei praktische Kampferfahrung, beinhaltete lediglich den
Entwurf eines solchen. Nun jedoch verfügen wir über eine fundierte
theoretische und praktische Erfahrung und über riesige politische
Fortschritte, aus diesem Grund konnten wir vieles, was 1977 nur geplant
war, auch verwirklichen. Außerdem haben weltweit tiefgreifende Veränderungen
stattgefunden. In 1977 stellte sich das Weltgeschehen anders dar, als es
heute ist. Die Sowjetunion ist zerfallen, der sowjetische Block hat sich
aufgelöst, und in der sozialistischen Bewegung ist es zu wichtigen
Entwicklungen gekommen. Im Bereich des Sozialismus ist die von der Vorherrschaft
der Sowjetunion bestimmte Phase zu Ende gegangen. Es war die Phase des
primitiven und brutalen Sozialismus. Nunmehr hat eine neue Zeit des Sozialismus
begonnen, nämlich seine reife Phase. Unsere Partei verkörpert
in der Phase eine der wichtigsten sozialistischen Bewegungen und will die
diesem Anspruch mit ihrer revolutionären Arbeit gerecht werden.
Unser 5. Parteikongreß hat all diese Faktoren diskutiert und
die weitgreifenden revolutionären Entwicklungen in Kurdistan sowie
die wichtigen politischen Veränderungen in der Welt berücksichtigt
und in unserem Parteiprogramm umgesetzt. Das neue Programm wird in zuküftigen
Phasen die geistige Grundlage der schöpferisch historischen Entwicklung
und Erfolge unserer Partei darstellen. |