Der Frieden hängt von uns ab

Von PINAR SELEK

Der Kongra-Gel hat die erwartete Erklärung abgegeben. Jetzt sind die Augen auf Ankara gerichtet. Schauen wir mal, was der Premierminister, der in der vergangenen Woche auf die Initiative verschiedener Intellektueller Friedensbotschaften signalisiert hat, jetzt tun wird. Ob sich auf der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates (MGK) eine Friedensabsicht bilden wird?

Die Kurden haben seit langer Zeit immer wieder zu Frieden aufgerufen, Waffenstillstände erklärt, Selbstkritik geübt und verschiedene Schritte für eine Lösung unternommen. Die von der Regierung in der Öffentlichkeit erschaffene Atmosphäre haben sie bedacht, aber positiv aufgenommen. Der Kongra-Gel hat nicht nur einen einmonatigen Waffenstillstand angekündigt, sondern erklärt seine Absicht, die Waffen niederzulegen, verteidigt die territoriale Einheit der Türkei und erwartet eine Lösung in einer demokratischen Republik.

Und was wird passieren? Das hängt ganz von uns ab...

Wir müssen uns schleunigst in Bewegung setzen. Wir müssen auf unsere Erfahrungen bauen. Wir müssen unsere Kraft zu träumen und unsere künstlerischen Fähigkeiten mobilisieren. Wir müssen aktiver, mutiger und fleißiger sein als die Krieger. Mit Protesten und Erklärungen, die abgehalten werden, wenn wir mal einen freien Tag haben, werden wir den Krieg nicht stoppen können. Anstatt abzuwarten, was passieren wird, müssen wir die Initiative ergreifen, damit das geschieht, was geschehen soll.

Die kurdische Bewegung hat einen konkreten Schritt gesetzt. Zumindest hat sie angekündigt, keine Aktionen durchzuführen. Welchen konkreten Schritt wird die Regierung setzen? Unsere Aktivitäten dürfen wir nicht von der Regierung abhängig machen.

Wir sollten danach fragen, welcher bürokratische Mechanismus für das Verbot der Pressekonferenz verantwortlich ist, die der Kongra-Gel in Belgien abhalten wollte. Es war bekannt, dass auf der Konferenz konkrete Erklärungen in Richtung Frieden abgegeben werden. Die Zeitungen berichteten bereits im Vorfeld darüber. Wer hat sich also um was bemüht? Die Verantwortlichen müssen schnellsten dechiffriert werden. Es muss klar gestellt werden, wer sich für Frieden einsetzt und wer nicht.

Wir müssen gegen die negativen Stellungnahmen angehen, die abgegeben wurden, obwohl bekannt ist, dass Frieden durch eine positive Herangehensweise entsteht und die kurdische Seite auf den kleinsten Schritt sofort positiv reagiert.

Es ist bekannt, dass mit Sicherheitspolitik und militärischer Logik kein Problem in der Türkei gelöst werden kann. Wird es der Regierung gelingen, eine positive Einstellung zu entwickeln? Wird sie eine Antikriegspolitik betreiben? Wird sie es schaffen, ihre an die Öffentlichkeit gerichteten Erklärungen mit Inhalt zu füllen? Das müssen wir verfolgen.

Wenn die Regierung nicht alles tut, um den Wert eines gewaltlosen Widerstandes zu steigern, dann macht sie damit aus gewalttätigen Aktionen etwas besonderes. Bis heute hat sie das getan. Deshalb ist sie unglaubwürdig. Wird die politische Gewalt aufhören, wenn der Opposition alle Wege verwehrt werden, wenn alle zivilen Aktivitäten für Menschenrechte und Demokratie terrorisiert werden, wenn die Opposition mit dem Antiterrorgesetz zum Schweigen gebracht und jeder als Terrorist bezeichnet wird? Wird den Menschen ein Ort zum Atmen bleiben, ohne dass sie dafür Gewalt anwenden müssen? Mit dem Ausnahmezustandsgesetz (OHAL), das sich auf die gesamte Türkei ausbreitet, kehren wir zurück zu der Zeit des Militärputsches vom 12. September 1980. Konnte der 12. September die Gewalt stoppen? Ganz im Gegenteil wird der Beginn des bewaffneten Kampfes der PKK als Widerstand gegen den Militärputsch definiert. Wird wieder eine Atmosphäre entstehen, in der bewaffneter Widerstand als legitim betrachtet wird?

Wenn wir die vielseitige Funktionsweise des Kriegsmechanismus nicht begreifen, geraten wir ungewollt in die Gefahr, auf den psychologischen Krieg hereinzufallen. Wichtigster Mechanismus dieses psychologischen Krieges sind die Medien, die unter der Kontrolle großer Unternehmen stehen. Das Pressegepräch General Basbug’s hat die Rolle der Medien klar definiert. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Haltung der Medien, die selbst ein neoliberales Projekt darstellen, nicht ethisch bedingt ist, sondern ein Produkt der strukturellen Realität ist. Wir müssen begreifen, was Basbug mit seinen Direktiven an die Medien gemeint hat. Dabei ist es unnötig, auf erlogene Meldungen zu warten. Die wichtigsten Punkte der Entwicklungen werden verwischt werden, Spekulationen werden in den Vordergrund treten und die Familiengeheimnisse werden geheim gehalten werden. Die Geheimhaltung dieser widerlichen Familiengeheimnisse bedeutet gleichzeitig die Geheimhaltung der Widerstände auf dem Weg zum Frieden. Das ist so ähnlich, wie wenn die Medikamente eines Herzkranken bei einem Anfall versteckt werden. Es ist ein Verbrechen.

Für den Frieden gewinnen eine intellektuelle Sichtweise, künstlerisches Gespür und wissenschaftlicher Zweifel an Bedeutung. Während wir in Bewegung sind, müssen wir nachdenken. Wir müssen die Mittel hinterfragen, die der Staat einsetzt, um den Status Quo zu bewahren und den Widerstand gegen das System zu depolitisieren. Wir müssen zeigen, dass es sich dabei um grausame, ungerechte und unakzeptable Mittel handelt.

Welche Form die Zukunft annimmt, ob sie schön oder blutig wird, hängt von uns ab.

Quelle: Özgür Politika, 21.08.2005, ISKU

 

Übersetzung aus dem Türkischem