Hürriyet, Emin Cölasan: Der aus den Händen gleitende Südosten Diesen Fakt müssen wir alle akzeptieren. Der Südosten gleitet zunehmend aus den Händen. Ein Teil des Vaterlandes ist von bestimmten Kreisen parzelliert worden. Der Ministerpräsident ist gestern heimlich nach Semdinli, Yüksekova, Hakkari aufgebrochen. Niemand wusste davon. Früh morgens erreichte er die Region. Er sah sich gegenüber Transparente. Transparente, die verurteilen, kritisieren und Organisationspropanda beinhalteten. Da war selbst der Ministerpräsident überrascht, das hat er mit eigenen Worten mitgeteilt. Warum? Weil die Organisation und Roj TV, das im Namen der Organisation aus dem Ausland sendet, sofort erfährt, was in der Region vor sich geht und sofort alles sendet. Wahrscheinlich hat die Bevölkerung in der Nacht zuvor von diesem TV-Kanal von dem Besuch erfahren. Zu diesem Zeitpunkt wusste die Allgemeinheit in der Türkei noch nichts davon! Gestern habe ich mit Journalisten gesprochen, die sich seit den jüngsten Vorfällen dort aufhalten. Was sie erzählt haben, war angsteinflößend. Dort bröckelt der Staat. Dass die Region von den DEHAP-Bürgermeistern regiert wird, haben auch sie konkret beobachten können. Und wer wohl regiert die Bürgermeister aus dem Hintergrund? Das sollte doch wohl nicht die PKK sein! Aus Yüksekova berichten Journalisten: ‚Es war am letzten Tag, unsere Arbeit war zu Ende. Es wurde dunkel. Wir wollten gemeinsam nach Hakkari fahren. Polizisten und Soldaten warnten uns: Fahrt bloß nicht in der Dunkelheit los. Sie töten Euch und sagen hinterher, dass es die Sicherheitskräfte waren. Und die Bevölkerung warnte uns: Fahrt nicht im Dunkeln los. Der Staat lässt Euch von Soldaten oder Polizisten töten und macht hinterher Propaganda, dass es die Organisation war.‘ Das gegenseitige Misstrauen ist offensichtlich. Es finden Vorfälle statt, beinahe kommt es zum Aufstand. Auf den Straßen sind keine Sicherheitskräfte des Staates zu sehen. Sie haben sich in ihre Gebäude zurückgezogen. Die Menschenmassen werden von den Bürgermeistern der Region – von der PKK – angeleitet. Und die Journalisten erzählen weiter: ‚Hier sieht man so gut wie keine gehissten türkischen Fahnen. Die Fahne konnten wir nur in Regierungsgebäuden und in einer Gesundheitsstation sehen.‘ Und ein weiteres Beispiel: Als in Yüksekova alle Geschäfte auf Befehl der PKK geschlossen blieben, waren auch die staatliche Ziraat Bank und die Schulen geschlossen! Die Angelegenheit ist sehr ernst und hat eine furchterregende Dimension angenommen. Man sollte auch nicht glauben, dass sich die Lage beruhigt habe. Vorgestern haben in Mersin Kundgebungen stattgefunden, ein Mensch ist dabei gestorben. Bei Kundgebungen an verschiedenen Orten in Istanbul wurden Polizeipanzer in Brand gesetzt. Bloße Worte stellen keinen Ausweg dar. Jeder sollte seinen Verstand zusammen nehmen. Was getan werden muss, sollte getan werden. (...) Seien wir achtsam, die Sache
ist kein Witz. Ein Teil unseres Landes gleitet uns aus den Händen. Hunger und Armut herrschen. In der Region ist so gut wie jeder arbeitslos. Investitionen sind gleich null. Diese Situation schafft der PKK Raum. Und direkt unter uns, im Nordirak ist ein kurdischer Staat gegründet worden – zwar nicht offiziell, aber praktisch. Es gibt keinen Rückweg! Hinter diesem neuen Staat stehen die USA. Wir können bloß hilflos zuschauen. Und die Regierung, die einst großartig angekündigt hatte, die Gründung eines kurdischen Staates unter keinen Umständen zuzulassen, schweigt! Es hat ein sehr gefährlicher Prozess eingesetzt. Die kurdische Bewegung hat sich politisiert und seine Basis ausgebaut. Nicht nur im Südosten, sondern auch in Istanbul, Adana, Mersin und unzählbar vielen Orten gehen sie auf die Straße, halten Kundgebungen ab. Wohin wird das führen? Egal, Hauptsache die Börse steigt, die Devisen fallen, es kommt weiter ausländisches Kapital ins Land und der Ausverkauf unseres Landes wird nicht aufgehalten! Das ist es, was uns interessiert. Der Rest ist egal! Quelle: Hürriyet, 22.11.2005, ISKU |
Übersetzung
aus dem Türkischen |
ISKU | Informationsstelle Kurdistan |