Briefe von Hungerstreikenden aus dem Gefängnis

Barış Mete wurde 1975 in Malatya geboren und befindet sich seit 7 Jahren in Gefangenschaft. „Seit 7 Jahren befinde ich mich im Gefängnis. Ich habe noch 1 ½ Jahre abzusitzen. Wie bekannt, wächst die Isolation unseres Vorsitzenden Apo von Tag zu Tag. Der faschistische Staat verweigert unserem Vorsitzenden den Kontakt zu seiner Familie und seinen AnwältInnen. Diese Haltung ist ein Beweis dafür, dass der Staat gegen die Freiheit des kurdischen Volkes ist. Das kurdische Volk hat überall kund getan, dass es sich beim Vorsitzenden Apo um ihren politischen Repräsentanten handelt. Der Staat möchte dies jedoch nicht akzeptieren. Die Verleumdungs- und Liquidationspolitik wird fortgeführt. Aus diesem Grunde ist die seit 15 Monaten andauernde erschwerte Isolation gegenüber unseren Vorsitzenden nicht zu akzeptieren. Das kurdische Volk sagt, „Das Dasein von unserem Vorsitzenden ist unser Dasein, seine Freiheit ist unsere Freiheit“. Solange der Vorsitzende Apo nicht frei gelassen wird, kann nicht behauptet werden, dass der wahre Wille des kurdischen Volkes widergespiegelt wird. Der Staat formt einen Willen des kurdischen Volkes nach eigenen Vorstellungen, der wahre Wille wird nicht akzeptiert. Beim Vorsitzenden Apo handelt es sich um die Friedens- und Geschwisterlichkeitsbrücke zwischen den Völkern.
Durch die Fortdauer der erschwerten Isolationshaft des Vorsitzenden Apo wird sich der Krieg weiter intensivieren. Durch unsere Aktion wollen wir auf die Isolation des Vorsitzenden Apos Aufmerksamkeit erregen. Die Isolation muss sofort beendet werden. Der Rahmen für eine gesundheitliche Behandlung soll sofort geschaffen werden. Dadurch wird der Weg für seine Freiheit geöffnet. Der Vorsitzende ist der Bote des Friedens. Seit Jahren leistet er seinen Dienst für den Frieden. Bedauerlicherweise sind der Staat und die faschistischen Kreise auf diesen Ruf nicht gefolgt. Sie beharrten auf den Krieg. Die Schuld für das Weiterdauern des Krieges trägt der türkische Staat. Nach den Verhandlungen von Oslo und Imrali nannte unser Vorsitzender dem Staat drei Bedingungen. Bedauerlicherweise hat die AKP-Regierung diese Forderungen abgelehnt und an seiner Vernichtungs- und Verleumnungspolitik der KurdInnen festgehalten. Dies hat Krieg und Sterben zur Folge. Wir fordern die Freiheit unseres Vorsitzenden und ein Ende der Vernichtung und Verleumdung unseres Volkes. Wie bekannt, wird uns nicht gestattet, uns in einer anderen Sprach als der Türkischen zu verteidigen. Tausende KurdInnen dürfen sich vor Gericht nicht auf ihrer Muttersprache verteidigen. Diese Haltung ist inakzeptabel. Mit dieser Aktion fordern wir auch, dass jede/r sich vor Gericht in seiner/ihrer Muttersprache verteidigen kann. Bis die KurdInnen dieses Recht zugesprochen bekommen, werden wir diesen Kampf fortführen. Bis wir unsere Rechte erhalten, werden wir diese Aktion fortsetzen. Für die möglichen Tode trägt die AKP-Regierung die Verantwortung. Das kurdische Volk soll unser Aktion Gehör verschaffen und für sie eintreten. Auch unsere Familien sollen nicht darauf bestehen, dass wir unsere Aktion beenden. Bis zur Freilassung unseres Vorsitzenden werden wir die Aktion nicht beenden. Wir glauben daran, dass der Vorsitzende Apo durch unsere Aktion zu Freiheit gelangen wird, und dass wir Erfolg haben werden.“

In seinem Brief brachte der in Êlih Batman geborene 19-jährige Nizam Özlük folgendes zum Ausdruck: Seit Februar 2011 sitze ich im Gefängnis. Zum ersten Mal beteilige ich mich am unumkehrbaren und unbefristeten Hungerstreik. Revolutionäre Völker besitzen gewisse Phasen, in den sie mit der jetzigen Generation und seinen Heldentaten gedacht werden, oder diese zu einem einfachen Andenken sich wandeln. Unser 40-jähriger Kampf birgt uns für heute eine solche Mission. Wir durchleben im Augenblick eine Zeit, in der die Angriffe auf unser Volk und seinen Vorsitzenden bis ins Unvermessenste reichen, und zeitgleich wir dem Sieg am nächsten sind. Die Erfordernis und der Zeitpunkt unserer Aktion sind darauf zurückzuführen. Völker werden durch heilige Werte gebildet. Die Führungspersönlichkeiten der Völker sind die größten Verteidiger dieser Werte. Aus diesem Grunde findet sich bei diesen Führungspersönlichkeiten eines Volkes, die sich für diese Werte aufopfern, der Ausdruck des konkreten Verdienstes. Das Eintreten für den Vorsitzenden bedeutet das Eintreten für seinen Kampf. Für den Vorsitzenden zu Leben bedeutet frei zu leben. Das Ziel dieser Aktion ist als Volk mit unserem Vorsitzenden in Freiheit zu leben. Diese Aktion drücken aus, dass wir entweder gemeinsam mit unserem Volk und unserem Vorsitzenden oder überhaupt nicht leben wollen. Sie bilden den Kampf dafür. Wir sagen nichts zur 14-jährigen Isolation, wir sagen „edî bes e- (es reicht)“ zu 14 Jahren Knechtschaft. In einer Phase, in der sich die Angriffe auf ein Volk am meisten intensivieren, haben wir als die revolutionären Gefangene dieses Volkes aus dem Glauben heraus, dass die bedeutendste Antwort darauf diese Aktionen erbieten werden, diese Aktion begonnen. Bis ein Ergebnis erzielt wird, werden wir die Aktion mit aller Entschlossenheit weiterführen. Falls der Gewinn der Freiheit einen Preis erfordert, sind wir bereit diesen Preis zu zahlen. „Die PKK hat uns den Widerstand gelehrt“ sagt der Rote Stern Ali Çiçek, der mit seiner Haltung der Jugend von Kurdistan persönlich den Widerstand gelehrt hat. Die aktuelle Phase erinnert an die Zeit nachdem 12. September. Ich glaube daran, dass ein Widerstand wie der von Ali und Kemal erforderlich ist. Ich bin darüber glücklich, dass ich mit dem Geist vom Roten Stern Ali Çiçek an diesem Widerstand teilhabe. Aus diesem Anlass rufe ich die Jugend von Kurdistan dazu auf, für ihren Vorsitzenden einzutreten.

Der aus Erzurum stammende Mehmet Zahit Şahin sitzt seit 7 Jahren im Gefängnis. Der 28-Jährige wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 70 Jahren verurteilt. In seinem Brief verfasste er folgendes: „Seit 7 Jahren befinde ich mich im Gefängnis. Meine Strafe befindet sich immer noch beim Kassationsgerichtshof. Eigentlich gibt es mehrere Gründe für meine Beteiligung an dieser Aktion. Jedoch wenn ich es zu Wort bringe, dann habe ich es als Gelegenheit empfunden, das billige Leben, welches das System den Menschen verkauft, abzulehnen. Der Mensch ist wie ein Ozean. In seiner Beschaffenheit kann er sehr viele Sache unterbringen. Ich denke, dass ich mit dieser Aktion die Gelegenheit dafür geboten bekommen habe, zum ersten Mal mit all meinen unterschiedlichen Facetten eine vollkommene Haltung einzunehmen. Zweifellos möchte niemand von uns ein billig verkauftes Leben leben. Jedoch können wir dem System, welches sich wie ein Oktopus um uns geschlungen hat, abschwören. Definitiv rutsch eine Seite von uns zum System. Für den Vorsitzenden Apo ist ein Leben ohne Kampf ein riesen Schwindel und aus Würdelosigkeit bestehend. Ich bin der Überzeugung, dass ich durch diese Aktion einen Kampf gegen dieses billige Leben des Systems leiste. Mein Ziel bei dieser Aktion ist, dass der Kampf, der unter der Führung vom Vorsitzenden Apo begonnen wurde, sein Ziel erreicht. Um was handelt es bei dem Ziel? Ab sofort können wir mit unserem eigenen Willen mit unseren eigenen Entscheidungen über uns selbst bestimmen. Jedoch können wir immer noch nicht behaupten, dass wir frei sind. Wir glauben, dass es noch eine letzte Türe gibt. Ich glaube, dass der Weg, der zum freien Mensch geöffnet wird, zum ersten Mal einen Wert und einen Willen beimisst. Dafür müssen wir kämpfen, und unsere moralische Verantwortung den Wegweisern gegenüber tragen. Diese Verantwortung tragen wir unserem Vorsitzenden gegenüber. Und bei der erwähnten Tür handelt es sich um die Tür von Imrali, wo unser Vorsitzender gefangen gehalten wird. Bei dieser Aktion ambitionierten wir unter der Avantgarde unseres Vorsitzenden die Freiheit unseres Volkes. Ich hatte das Ziel, gegen das System mit großem Willen und großer Euphorie ein Revolutionär zu werden; jedoch hatte ich mich bis jetzt der Aussage „Ich bin ein Revolutionär“ nicht als würdig genug erachtet. Revolutinär zu sein heißt, nicht ein Bein hinter sich herziehen und so zu laufen. Da, hier sehen wir es, wir leben es. Die Guerilla führt einen aufopferungsvollen Kampf. Am zweiten Tag unserer Aktion habe ich mir die Rede der Guerilla nach ihrer Aktion am Haruna Militärstützpunkt angehört. Ich wurde wahnsinnig berührt. Ich konnte mich nicht mehr halten. Danach habe ich meine revolutionäres Dasein und meine Annäherung an die Aktion nochmals hinterfragt. Im Gefängnis habe ich sehr viel gelernt. Eben deshalb trägt diese Aktion für mich eine weitere Besonderheit. Weil ich das Gelernte in solch einer Phase in die Praxis, sprich in die Aktion verwandeln kann. Ich sehe es als Gelegenheit meinen Revolutionscharakter einer Prüfung zu unterstellen. Wie bekannt, werden Gefängnisse zum Zweck von Verbesserungsanstalten erbaut. Durch diese Chance glaube ich daran, dass ich demgegenüber eine Antwort geworden bin. Ein anderer Aspekt waren die kurdischen Kinder, deren Last ich auf meinen Schultern spüre, und dass ihre Körper durch Zerstückelung ermordert worden sind. Auch wenn es sich nur um einen Schimmer handelt betrachte ich die Aktion als Rache für die Ermordung von Enes, Uğur, Ceylan und den anderen Kindern. Zum Schluss kann ich noch folgendes sagen. Der Tod ist dann schön, wenn er erforderlich ist. Ein Tod, der für ein neues Leben gedacht ist, ist bedeutend und heilig. Er trägt verschiedene Stimmen in der Brust. Das schönste und bedeutungsvollste Leben ist das ich mit Widerstand benenne, der Moment den ich gerade fühle.

In seinem Brief forderte K. Firat Vural seinen Vater und seinen Onkel, die als Dorfschützer tätig sind, zur Waffenniederlegung auf. „Ich bin im Landkreis Diyadin von Agri zur Welt gekommen. Seit zwei Jahren befinde ich mich hinter Gittern. Ich bin Jura-Student an der Universität von Istanbul. Wenn wir auf den Grund und das Ziel dieser Aktion eingehen, dass ist es das seit 13 Jahren gegen unseren Vorsitzenden angewendete Foltersystem, eine Isolation, die sich in den 13 Jahren jeden Moment ausweitete. Seit den letzten 14 Jahren verläuft dies auf eine gottlose Weise. Wir können keinerlei Nachrichten von unserem Vorsitzenden erhalten. Der Vorsitzende Apo führt gegen diese Vernichtung und Folter einen Widerstand. Bei Imrali handelt es sich um ein System, gegen das jede/r der/die sagt „ich bin mensch“ in Form von Aktion entgegentreten muss. Auch ich möchte eine Antwort auf den 13-jährigen Widerstand des Vorsitzenden Apo sein. Ohne den Vorsitzenden Apo kann kein würdevoller Frieden verwirklicht werden. Unser Volk besitzt an diesem Punkt eine eindeutige Haltung. Auch das türkische Volk muss zu dieser Haltung gelangen. Ansonsten kann kein würdevoller Frieden geschaffen werden. Unser Volk muss den Aufstand des Revolutionären Volkskrieges mit einer noch aktiveren Beteiligung versorgen. Durch eure Vermittlung rufe ich in erster Linie meinen Vater, der Dorfschützer ist, meinen Onkel, bei dem es sich um den Dorfschützerführer handelt, und alle anderen Dorfschützer zur Waffenniederlegung auf. Sie müssen die Ehrenhaftigkeit erreichen, sich bei unserem Volk zu entschuldigen und an der Seite des Kampfes unseres Volkes Platz nehmen. Ansonsten werden sie in der Geschichte von Kurdistan als Kollaborateure aufgeführt. Auch wenn diese Aktion um Vergleich zum 13-jährigen Widerstand des Vorsitzenden Apo nur einen Tropfen im Ozean bildet, betrachte ich diese Aktion als gewissenhafte und moralische Verantwortung. „Wie schön es ist Widerstand zu leisten“, sich dem Brauch würdig zu erweisen erweckt in einem eine unglaubliche Gefühlskonzentration. Wir können die Freiheit unseres Vorsitzenden und unseres Volkes durch den Widerstandsgeist des 14. Juli erreichen.

Der 20-jährige Kerem Irmak drückt in seinem Brief aus, dass er sich für eine Lösung und für Frieden an dieser Aktion beteiligt. „Im Landkreis Kop von Mus bin ich geboren. Seit eineinhalb Jahren befinde ich mich in Haft. Ein würdevoller Frieden und ein würdevolles Leben kann nur mit dem Repräsentanten des kurdischen Volkes verwirklicht werden. Einige Kreise reden von einer Lösung und einem Frieden ohne den Repräsentanten des kurdischen Volkes. Dies werden wir niemals akzeptieren. Das kurdische Volk verlangt ein Leben mit ihrem Repräsentanten in Frieden. Dass der Krieg solch ein Ausmaß angenommen hat, ist auf die Isolation des Vorsitzenden zurückzuführen. Weder das kurdische Volk noch der Vorsitzende waren jemals für den Krieg. Der Friedensaufschrei muss endlich gehört werden. Die Öffentlichkeit muss endlich ihre Augen öffnen. Alle die für den Frieden sind, müssen unsere Aktion unterstützen. In dieser Phase an einer weisen und historischen Aktion teilzuhaben erfüllt einen mit großem Stolz. Für die Freiheit des Vorsitzenden in Aktion zu treten verleiht einen Würde. Es erweckt einen wirklich mit Stolz, im Gefängnis an einer solch historischen Aktion mitzuwirken. Freunde haben ihre Leben für die Freiheit des Vorsitzenden geopfert. Die Mazlums, die Kemals und die Hayris haben niemals ans Aufgeben gedacht. Sie sind dem kurdischen Volk und ihrem Vorsitzenden immer treu geblieben. Es gilt für die von ihnen geschaffenen Werte bis zum Ende einzustehen und vom Kampf niemals abzuweichen. Wir werden immer für unser Volk und unseren Vorsitzenden kämpfen. Wir werden mit den vom Vorsitzenden und den MärtyrerInnen geschaffenen Werten auf den gefüllten Pfad bestreiten. Egal was auch kommen mag, wir werden niemals aufgeben und jederzeit siegen.“

Yildirum Turgut, der 1982 in Diyarbakir geboren wurde, schildert in seinem Brief folgendes: „Ich bin in Amed geboren. Jedoch habe ich lange Zeit in Semsur gelebt. Seit 6 Jahren befinde ich mich in Haft. Ich wurde zu einer Strafe von 13 Jahren verurteilt, von denen ich noch 4 Jahre abzusitzen habe. Warum habe ich mich an solche einer Aktion beteiligt? Die Notwendigkeit ist offensichtlich. Die Lösung dieser Situation ist gekommen. Durch das Zerbrechen des Gleichgewichts in der letzen Phase haben wir die Ausfahrt noch bekommen. Es wird eine Phase sein, die wir durch unsere Körper, unserem Verstand und unserem Geist aufgebaut haben. Das Hauptziel dieser Aktion ist die Freiheit unseres Vorsitzenden. Die Gefangenschaft und Isolation verletzt uns in der Tiefe. Es ist die Aufgabe jeder aus Kurdistan stammenden Person, dafür zu sorgen, dass dies ein Ende nimmt. Die Botschaft, die ich an die Öffentlichkeit übermitteln möchte ist, dass der Erfolg dieser Phase in unserer Hand liegt. Diese Phase werden wir mit dem Sieg abschließen. Wenn die Menschen in den Gefängnissen dem Tode nah liegen, in Kurdistan unglaubliche Fortschritte erzielt werden, dann liegt dies an unserer Basiskraft. Ohne vom Staat etwas zu verlangen müssen sämtliche Brücken gebrochen werden. Wir müssen uns noch mehr radikalisieren und uns so auf diese Phase stürzen. Der Sieg wird unser sein. Die Bedeutung dieser Aktion liegt in der Symbolik unseres Vorsitzenden bei der Befreiung eines Volkes. Die Nichtbeteiligung an dieser Aktion bewerte ich als unzureichende Genossenschaftlichkeit. Die Isolation des Vorsitzenden ist die Isolation eines Volkes. Wir sind entschlossen. Unsere Hoffnung ist groß. Ich bin Türke. Meine Muttersprache ist Türkisch. Ich habe Bildung in meiner Muttersprache erhalten. Jedoch wurde in Kurdistan eine Assimilationspoltik betrieben. Als ein Türke konnte ich dem nicht stillschweigend zusehen. Das kurdische Volk hat immer ihre Würde und ihre Identität behalten. Das gegen all die Unterdrückung solch ein Widerstand geleistet wurde, bildet eine große Quelle der Moral. Es trägt für mich als Türke eine riesen Bedeutung an diesem Widerstand teilzuhaben.“


ISKU | Informationsstelle Kurdistan