Proteste
am dezentralen Widerstandstag
Kein Ende der Auseinandersetzungen zwischen der Bevölkerung und Polizei
Am 30. Oktober gab
es in ganz Nordkurdistan und vielen Städten der Türkei Demonstrationen,
die auf die Hungerstreikenden in Gefängnissen und ihre Forderungen aufmerksam
machen sollten. In Städten wie Amed (Diyarbakir), Şirnex (Şırnak), Mêrdîn
(Mardin) und Elih (Batman) kam es schon in den Morgenstunden bei Protesten
für die Hungerstreikenden zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Polizei
und den DemonstrantInnen . Vielerorts hielten die Auseinandersetzungen
den ganzen Tag über an und nahmen auch nach Einbruch der Dunkelheit kein
Ende.
Semsur
In Semsur (Adiyaman) trafen sich die DemonstrantInnen vor der BDP-Zentrale
in der Stadt, um von dort aus in Richtung des E-Typ Gefängnisses zu laufen.
Die Polizei versuchte mit Straßensperren die Menschenmenge zu stoppen,
diese reagierte mit einem Sitzstreik und blockierte dadurch die Hauptverkehrsstraße
der Stadt. Die DemonstrantInnen riefen Parolen wie „Die politischen Gefangenen
sind unser Stolz“ und „Unser Friedensbotschafter ist auf Imrali“.
Bismil
Im Bezirk Bismil (Provinz Amed) versuchte die Polizei bereits die Bevölkerung
am Beginn der Demonstration zu stoppen. Nachdem die dort geplante Pressekonferenz
durch den Angriff der Polizei unterbunden worden ist, kam es zu Auseinandersetzungen
zwischen den DemonstrantInnen und der Polizei. Diese Auseinandersetzungen
weiteten sich in kurzer Zeit auf den ganzen Bezirk aus. Es kam infolgedessen
zu zahlreichen verletzten DemonstrantInnen sowie zu dutzenden Festnahmen.
Die Polizei setzte gegen die DemonstrantInnen Gasbomben und Wasserwerfer
ein.
Mêrdîn
In Mêrdîn wurde eine geplante Solidaritätsdemonstration für die Hungerstreikenden,
die von der BDP-Zentrale zum Bezirksbüro der AKP gehen sollte, von der
Polizei angegriffen und dadurch verhindert. Die DemonstrantInnen führten
daraufhin einen Sitzstreik durch. Der Sitzstreik wurde mit einer Pressekonferenz
beendet, auf welcher der BDP-Verantwortliche von Mêrdîn Abdulcelil Şimdi
betonte, dass für mögliche Todesfälle beim Hungerstreik allein die AKP
verantwortlich sein werde.
Qoser
Im Bezirk Qoser (Kızıltepe) (Provinz Mêrdîn) kam es zu Auseinandersetzungen
zwischen der Bevölkerung und der Polizei, nachdem diese das Hungerstreikzelt
in der Stadt gewaltsam abgerissen hat. Gemeinsam mit dem BDP-Abgeordneten
Erol Dora versuchte die Bevölkerung daraufhin eine Demonstration durchzuführen.
Allerdings wurde auch die Demonstration von der Polizei ohne Vorwarnung
mit Wasserwerfern und Gasbomben angegriffen. Die Bevölkerung reagierte
darauf mit Steinwürfen. Anschließend versammelte sich die Bevölkerung
erneut am Ort des abgerissenen Hungerstreikzelts, wo Dora eine kurze Rede
hielt, in welcher er auf den Gesundheitszustand der Hungerstreikenden
aufmerksam machte. Erneut ging die Polizei zum Angriff über und nahm zahlreiche
DemonstrantInnen fest. Im Stadtteil Ipek behaupteten Augenzeugen, dass
die Polizei gar mit scharfer Munition in Richtung der DemonstrantInnen
schoss.
Hezex
Im Bezirk Hezex (İdil) (Provinz Mêrdîn) haben sich tausende Menschen vor
dem „Zelt des Demokratischen Widerstandes“ getroffen, von wo sie sich
in Richtung des AKP-Gebäudes auf den Weg machten. Allerdings wurde die
Menge auf halben Weg durch eine Polizeibarrikade gestoppt. Ohne Vorwarnung
griff die Polizei die Demonstration mit Wasserwerfern und Gasbomben an.
Die Menschenmenge reagierte auf den Angriff der Polizei mit Steinwürfen,
der gesamte Bezirk glich in kürzester Zeit einem Kriegsschauplatz. Die
Bevölkerung errichtete an vielen Punkten der Stadt Barrikaden, woraufhin
sich die Polizei teilweise zurückziehen musste. Nachdem Rückzug der Polizei
versammelte sich die Menschen erneut, um ihre Demonstration fortzusetzen.
Auffällig war, dass die Polizei ihr Kontingent von Gasbomben aufgebraucht
hatte und mit neuen Gasbomben beliefert werden musste. Die Polizei versuchte
vielfach vergeblich die Barrikaden der Bevölkerung zu durchbrechen. Die
Auseinandersetzungen hielten nach Einbruch der Dunkelheit weiter an.
Elih
In Stadtzentrum und in den verschiedenen Stadtteilen von Elih (Batman)
gingen die Demonstrationen bereits in den frühen Morgenstunden los, wodurch
das öffentliche Leben in der Stadt zum Stillstand kam. An dutzenden Punkten
der Stadt hatten Jugendliche Barrikaden errichtet und Straßen gesperrt.
Ein Großteil der DemonstrantInnen versammelte sich hingegen vor dem Büro
der BDP in der Stadt, unter ihnen auch die BDP-Abgeordnete Ayla Akat,
um in Richtung des AKP-Gebäudes zu marschieren. Allerdings stoppte auch
hier die Polizei die Menschen auf halbem Weg. Daraufhin entschlossen sich
die DemonstrantInnen , einen Sitzstreik durchzuführen. Die angespannte
Situation in der Stadt hielt bis spät in den Abend weiter an.
Şirnex
In Şirnex blockierten die Jugendlichen die Hauptstraße mit Barrikaden,
wodurch der Polizei der Zugang in Teile der Stadt verwehrt worden ist.
Die Polizei versuchte ihrerseits vergeblich mit Gasbomben die Jugendlichen
zurückzudrängen. Daraufhin zerstörten die Jugendlichen an vielen Orten
der Stadt Überwachungskameras.
Cizîr
Im Bezirk Cizîr (Cizre) (Provinz Şirnex) versammelten sich tausende Menschen
vor der BDP-Zentrale des Bezirks und setzten von dort zu einer Demonstration
an. Allerdings griff auch in Cizîr die Polizei die Menschenmenge an, woraufhin
es zu Auseinandersetzungen kam. Es gelang den annähernd 10.000 DemonstrantInnen
, die Polizeibarrikade zu durchbrechen und ihre Demonstration erfolgreich
zu Ende zu führen. Am Ort der Abschlusskundgebung setzte die Polizei allerdings
nochmal zum Angriff an, wobei sie mit Gasbomben und Wasserwerfern gegen
die DemonstrantInnen vorging. Abermals kam es zu Auseinandersetzungen
zwischen den DemonstrantInnen und der Polizei, die sich auf viele Ecken
der Stadt ausweiteten. In den Abendstunden hatte sich die Situation weiterhin
nicht beruhigt.
Silopi
Vor dem BDP-Parteigebäude in Silopi versammelten sich tausende Menschen
und setzten zur Demonstration Richtung Stadtzentrum auf. Neben verschieden
ParteivertreterInnen und VertreterInnen von NGOs und Gewerkschaften nahmen
auch zahlreiche Angehörige der Hungerstreikenden an der Demonstration
teil. Die Polizei schnitt den Weg der DemonstrantInnen, die die Parolen
„Es lebe Serok Apo“, „Öcalan“ und „Die PKK ist das Volk, und das Volk
ist hier“ riefen, durch gepanzerte Fahrzeuge ab, und griff die Protestierenden
mit Gasgranaten und Wasserwerfern an. Die lang andauernden Auseinandersetzungen
weiteten sie sich auf die Seitengassen aus. Die Jugendlichen verbarrikadierten
sich und setzten Autoreifen in Brand. Das wahllose Werfen von Tränengasgranaten
provozierte die EinwohnerInnen in den Stadtteilen, so dass auch diese
gegen das Vorgehen der Polizei aktiv protestierten. Durch die Angriffe
der türkischen Polizei wurden mehrere Menschen verletzt.
Dîlok
Wie auch in vielen anderen Städten blieben an dem heutigen Tag, den die
BDP als „zentralen Widerstandstag“ ausgerufen hat, in Dîlok (Antep) die
meisten Geschäfte geschlossen. In den frühen Morgenstunden versammelten
sich die DemonstrantInnen vor dem BDP-Parteigebäude in Şahinbey und protestierten
gegen das Schweigen der türkischen Regierung zum Hungerstreik, der sich
mittlerweile am 49.Tag befindet.
Farqîn (Silvan)
In Farqîn versammelte sich eine große Anzahl von Menschen vor der BDP-Parteizentrale.
Plakate und Transparente mit den Aufschriften, „Ein Ende der Isolation,
Imrali muss geschlossen werden“, „Es lebe der Gefängniswiderstand“ und
„Wir grüßen euch mit dem Geist von Kemal Pîr“ wurden in die Luft gehalten.
Slogans wie „Es lebe Serok Apo“ und „Es lebe der Gefängniswiderstand“
wurden kontinuierlich gerufen. Während des Demonstrationszuges blockierte
die türkische Polizei an der Selahattin Eyyubi Mosche die DemonstrantInnen
am Weitergehen. Dagegen wurde mit Parolen wie „Unterdrückung kann uns
nicht aufhalten“ und „Es lebe der Gefängniswiderstand“ protestiert. Anschließend
wurde eine Pressemitteilung verlesen. Nach einem 5-minütigen Sitzstreik
sang die Menschenmenge gemeinsam das bekannte Volkslied „Achse der Revolution“
und schloss damit ihre Protestaktion ab.
Çınar
In Landkreis Çınar (Amed) blieben nach dem Aufruf zum „vollständigen Widerstand“
die Geschäfte geschlossen. Die Menschenmenge, die sich vor der BDP-Parteizentrale
versammelte, rief Parolen wie „Es lebe Serok Apo“, „Die PKK ist das Volk,
und das Volk ist hier“ und „Es lebe der Gefängniswiderstand“. Als der
Demonstrationszug eine Militärstelle passierte, zogen sich die Wache haltenden
Soldaten von ihrem Posten zurück.
Erxenî
In Erxenî (Ergani) (Landkreis von Amed) kamen tausende Menschen vor der
BDP-Parteizentrale zusammen. Nachdem ein Transparent mit der Aufschrift
„Wir begrüßen den Gefängniswiderstand unserer GenossInnen, die das Leben
so sehr lieben, dass sie bereit sind dafür zu sterben“ geöffnet wurde,
formierte sich die Menschen zu einem Demonstrationszug. Ziel dieser Demonstration
war es einen schwarzen Kranz vor die AKP-Parteizentrale zu legen. Die
türkische Polizei verhinderte die Demonstration. Nach einem 10 Minuten
dauernden Sitzstreik wurde der schwarze Kranz auf die Straße gelegt. Eine
Gruppe führte eine Straßenblockade durch. Ein Gebäude, welches zum Landkreisamt
gehört wurde in Brand gesetzt. Nach dem Vorfall wurden 2 Personen festgenommen.
Dersim
In Dersim versammelten sich hunderte Menschen vor dem Gebäude der BDP.
Sie gingen von dort zur AKP-Zentrale um einen schwarzen Kranz niederzulegen.
Sêrt
In Sêrt (Siirt) wurde die Menschen, die sich vor dem Gebäude der BDP versammelten,
von türkischen Polizeieinheiten eingekesselt. Die Protestierenden hatten
ein Transparent mit der Aufschrift „Wir begrüßen den Gefängniswiderstand,
ihre Forderungen sind unsere Forderungen“ und verlasen eine Presseerklärung.
Es wurden die Parolen „Durch Widerstand leisten und Widerstand leisten
werden wir den Sieg erreichen“, „Ohne den Vorsitzenden kein Leben“, „Es
lebe der Gefängniswiderstand“ und „Die revolutionären Gefangenen sind
unser Stolz“ gerufen. Nach einem 5-minütigen Sitzstreik wurde die Protestaktion
beendet.
Pîran
In Pîran (Lice) (Landkreis von Amed) versammelten sich die Menschen vor
dem „Widerstandszelt“. Sie führten eine Demonstration bis zum Gefängnis
von Pîran durch. Dort wurde eine Presseerklärung vorgetragen. Auf dem
Rückweg des Demonstrationszuges zum Widerstandszelt griff die türkische
Polizei die DemonstrantInnen mit Wasserwerfern und Tränengasgranaten an.
Dem Angriff der türkischen Polizei entgegneten die Protestierenden mit
Steinen. Die Ausschreitungen verlagerten sich anschließend ins Zentrum.
Quelle: DIHA, 30.10.2012,
Übersetzungskollektiv
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