Die Verteidigung in Kurdisch im Gewahrsam der großen türkischen RichterInnen EZGİ BAŞARAN Es sieht aus wie
ein Maiskorn. Von weitem ist auch der Geruch von Mais wahrzunehmen. Eine
Taube nähert sich. Mit ihrem Schnabel begutachtet sie das Maiskorn. Als
sie ihre Zunge an dem Korn streicht, bleibt es abrupt in ihrem Hals stecken.
Es handelt sich nämlich um keinen Maiskorn, sondern um ein maisförmiges,
gelbes Plastikstückchen. Eine raffinierte Erfindung des Menschen. Wenn ihr fragt wieso....
Erstens: Sollte die angeklagte Person nach der Verurteilung ins Gefängnis müssen, müsste sie dennoch die Gerichtskosten tragen. Deswegen kann die angeklagte Person nicht mit der Beschaffung eines Dolmetschers und dem Tragen seiner Kosten belastet werden. Das Gesetz drückt aus: Wenn du, obwohl du Türkisch kannst, unbedingt das Recht auf muttersprachliche Verteidigung verlangst, dann hast du auch das Geld dafür zu zahlen! Das bedeutet ein unveräußerliches Recht mit Geld zu kaufen! Herrje. Zweitens: Stellen Sie sich vor, ein Mensch sagt, dass er sich auf Kurdisch besser ausdrücken kann. Das Gericht antwortet dem: “Okay, ich erlaube dir Kurdisch zu sprechen, aber nur nach Verlesung der Anklage und bei der dazugehörigen Stellungnahme. Im übrigen Teil hast du in einer Sprache zu sprechen, in der du dich nicht ausdrücken kannst.” Wo bleibt hier der Sinn? Wo ist die Logik? Drittens: Das Gesetz überlässt es dem/der RichterIn willkürlich zu sagen: “Aaa,der Prozess zieht sich in die Länge”. An sich wird ihm zu jederzeit beliebiges Vorgehen in Bezig auf die Verteidigung in Kurdisch übertragen. Bewertet der/die RichterIn das neue Gesetzt mit guter Intention, dann besteht bei der Verteidigung vor Gericht in Kurdisch, beispielsweise bei den KCK-Prozessen kein Hindernis. Folglich liegt die Verteidigung auf Kurdisch wieder im Gewahrsam der “großen” türkischen RichterInnen. Das bestehende “politische Hindernis” wurde durch diese Gesetzesänderung nicht aufgehoben. Die großen türkischen
RichterInnen werden demnach entscheiden wieviel Türkisch die angeklagte
Person versteht, wieviel sie nicht versteht und ab wann der Prozess in
die Länge gezogen wird. Genau diese RichterInnen haben zuletzt bei den
Gerichtsverfahren der angeklagten JournalistInnen verhindert, dass die
Angeklagten mit ihren AnwältInnen reden und den sich im Hungerstreik befindenden
Angeklagten Wasser mit Zucker gegeben wird. Sie sorgten dafür, dass das
Mikrofon eines Angeklagten abgestellt wird, weil er “unerhörterweise”
angefangen hatte Kurdisch zu reden. Die Sprache eines Volkes wurde dann
als “eine nicht-türkische Sprache” oder als “eine unbekannte Sprache”
im Gerichtsprotokoll vermerkt. ...zu ungenießbar der Geschmack des Staates. Quelle: Radikal, 15.11.2012,
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