Gespräche
zwischen dem Kurdischen Hohen Rat und der Nationalen Koalition der Syrischen
Revolutions- und Oppositionskräfte
In einem Gespräch
mit der Tageszeitung Yeni Özgür Politika vom 13.12.2012 gab der Co-Vorsitzende
der Partei der Demokratischen Einheit (PYD), welche als einflussreichste
kurdische Partei in Syrien gilt, bekannt, dass die Gespräche, die zwischen
der Nationalen Koalition der Syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte
und dem Hohen Kurdischen Rat geführt wurden, positiv verlaufen sind.
An der Gründung der Nationalen Koalition der Syrischen Revolutions- und
Oppositionskräfte im vergangenen November in Doha partizipierten keine
kurdischen Gruppen. Nachdem die Syrische Nationale Koalition von zahlreichen
Staaten als legitimer Vertreter Syriens anerkannt wurde, wurde bestrebt,
ebenfalls die KurdInnen mit in das neugegründete Gefüge einzubeziehen.
Dafür wurde zunächst der Kontakt zum Kurdischen Nationalrat Syriens (ENKS),
welcher zugleich Mitglied im Kurdischen Hohen Rat ist, gesucht. Jedoch
erklärten die kurdischen VertreterInnen, dass durch den ENKS nicht alle
KurdInnen repräsentiert werden, und trafen sich deshalb mit insgesamt
sieben VertreterInnen des Kurdischen Hohen Rates mit der Syrischen Nationalen
Koalition.
„Das in Doha gegründete Koalitionsgefüge ist nicht mit dem Syrischen Nationalrat,
der in der Türkei gegründet wurde, gleichzusetzen. Die Nationale Koalition
hat den Kurdischen Nationalrat Syriens zu Gesprächen eingeladen, jedoch
haben wir darauf bestanden, dass die Gespräche im Namen des Kurdischen
Hohen Rates geführt werden sollen, da dieser die KurdInnen repräsentiert“,
so Müslim, der weiter anmerkte, dass die Gespräche positiv verlaufen sind
und viele wichtige Forderungen der KurdInnen seitens der Nationalen Koalition
akzeptiert wurden. „Auch wenn nicht alle unsere Forderungen zu 100 Prozent
erfüllt worden sind, wurden uns Versprechen erteilt. Darin heißt es, dass
der stellvertretende Vorsitzende der Nationalen Koalition von den KurdInnen
gestellt wird und die Rechte der KurdInnen in der Verfassung gesichert
werden. Zudem wird sowohl die kurdische Identität, als auch die Kultur
offiziell anerkannt. Schulbildung wird in kurdischer Sprache erteilt“,
so Müslim weiter.
„Die YPG ist
die Verteidigungskraft sämtlicher KurdInnen“
Zu den Diskussionen über den Status der KurdInnen im künftigen Syrien
äußerte Müslim: „Es wurde darüber debattiert, ob es in Form einer Föderation
oder der Demokratischen Autonomie sein soll. Meiner Vermutung nach wird
der Demokratischen Autonomie zugestimmt werden. Die diesbezüglichen Details
werden später noch konkretisiert werden. Der Name der Arabischen Republik
Syrien soll ebenfalls geändert werden. Der neue Name wird Syrische Republik
lauten.“
Hinsichtlich der Verteidigung der kurdischen Bevölkerung gab Müslim bekannt,
dass „die Volksverteidigungseinheiten (YPG) die Verteidigungskraft sämtlicher
KurdInnen darstellen. Dies hat jeder so zu wissen und zu akzeptieren.
Die YPG wird sich nicht der Freien Syrischen Armee (FSA) unterordnen,
jedoch in Koordination mit ihr zusammen agieren.“
Keine offizielle
Gebundenheit
Müslim betonte, dass sich die Vereinbarungen auf bloße Versprechungen
stützen und demnach offiziell nicht bindend seien und ergänzte: „Für die
Errichtung des neuen Syriens bedarf es einer Übergangsphase in der eine
Übergangsregierung gegründet wird. Nach dieser Übergangsphase wird es
zu einem Regierungswechsel kommen. Verfassungskommissionen müssen gegründet
werden, in denen die KurdInnen und die Koalition diese Punkte erneut debattieren
werden. Über die Bestimmung des stellvertretenden Koalitionsvorsitzenden
werden sowohl wir KurdInnen unter uns, als auch gemeinsam mit den Koalitionsvertretern
beraten.“
Geheimes Abkommen
Nachdem die Koalition in Katar gegründet worden war, tauchten in der Presse
Berichte über ein geheimes Abkommen auf. Eines der 12 Punkte des geheimen
Abkommens soll lauten, dass „die PKK (Arbeiterpartei Kurdistan) von allen
Mitgliedern ausgegrenzt wird, die von der Türkei verlangten PKKlerInnen
ausgeliefert werden, und die PKK in die Liste der Terrororganisationen
aufgenommen wird“. Angesprochen auf dieses Abkommen, erklärte Müslim:
„Wir haben ebenfalls von solch einem Abkommen gehört. Zunächst gilt es
klarzustellen, dass die PKK in Westkurdistan nicht vertreten ist. Hier
gibt es nur die PYD und die YPG, die alle KurdInnen vertritt. Wir haben
bei den Parteien bezüglich dieses Abkommens nachgefragt. Diese meinten,
dass so etwas nicht bestehen würde. Wir schenken ihren Worten vertrauen.
Die Wahrheit wird sich sowieso in den kommenden Tagen zeigen. Als kurdische
Seite hoffen wir, dass solch ein Abkommen nicht getroffen worden ist.“
Die Türkei
fühlt sich gestört
„Die Türkei akzeptiert den Kurdischen Hohen Rat nicht. Daher wird die
Türkei auch etwas dagegen haben, dass wir in der Nationalen Koalition
vertreten sein werden. Jedoch ist es alleinig das Problem der Türkei,
ob sie es akzeptieren werden oder nicht. Entweder werden sämtliche KurdInnen
akzeptiert, oder die KurdInnen werden, auch wenn ein Teil von ihnen von
der Nationalen Koalition akzeptiert wird, nicht daran teilnehmen“, so
Müslim weiter.
Die Türkei
mit im Massaker involviert
In der Nähe der Provinz Hama wurde im alawitischen Dorf Akrab durch die
Al-Nusra Front, die von der Türkei Unterstützung erhält, ein Massaker
verübt. Dabei wurden 130 DorfbewohnerInnen ermordet. Der PYD-Vorsitzende
Müslim vermutet, dass die Türkei in dieser Sache involviert sein könnte.
Mit Hinweis auf die Zusammenkunft militärischer Gruppen aus Syrien in
der türkischen Stadt Antalya in den letzten Wochen fügte Müslim noch folgendes
hinzu: „Auf dieser Zusammenkunft distanzierten sich die anderen Gruppen
von den der Türkei nahestehenden islamischen Gruppierungen. Dies hat natürlich
die Türkei gestört. Das türkische Regime ist zu allem fähig. Es wird versuchen
Syrien in ein noch größeres Chaos zu versetzen. Durch die Unterstützung
der Türkei konnten einige Organisationen nach Syrien gelangen. Eine davon
ist die Al-Nusra Front, deren Mitglieder aus Tunesien, Libyen und anderen
Ländern stammen. Diese denken nicht an das Wohl Syriens. Sie verstehen
auch nichts von Demokratie oder Freiheit. Deren einzige Intention besteht
darin, für sich selbst den Weg ins Paradies zu sichern. Wurden die Türen
zum Paradies in Syrien geöffnet? Gibt es keine anderen Türen? Muss denn
der Weg ins Paradies unbedingt über Syrien verlaufen?“
Quelle: Yeni Özgür
Politika, 13.12.2012, ISKU
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