Für
Sakine, Fidan und Leyla soll es so viele Blumen geben, wie in Kurdistan
blühen
Ferda Çetin – Die
Tragödie der Geschichte: Die Stadt der Literatur und der Revolution ist
zum Schauplatz der Ermordung von drei revolutionären kurdischen Frauen
geworden. Für die Kurden ist Paris von nun an eine Stadt des Mordes, eine
Stadt, die sich versündigt hat ...
Überall wo Staat und Macht herrschen, ist es notwendig, die geraubte Freiheit
von neuem an Bedeutung gewinnen zu lassen. Denn nicht eine einzige Macht
wird bereitwillig die Freiheit gewähren. Für die Freiheit sind ein erbitterter
Kampf und ihre „Eroberung“ notwendig. In diesem Sinne ist diese Eroberung
die „Arbeit“ von Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez.
Daher sind die Fragen „Wer hat den Mord begangen?“ und „Wer sind die Täter
und die Mitschuldigen?“ absurd.
Die Mörder sind diejenigen, die die Freiheit der Kurden, der Frauen und
der Völker des Mittleren Ostens nicht wollen.
Es sind diejenigen, die sagen, dass die Kurden keinen Staat wollen, keine
Föderation wollen, keine demokratische Autonomie wollen und eigentlich
nicht offen aussprechen wollen, „dass das kurdische Volk unter unserer
Herrschaft als Sklaven leben kann.“
Es ist der Rabulist und anmaßende Scherge, der sagt: „Wir gewähren ihnen
ihr Leben, wenn die kurdische Guerilla die Waffen niederlegen und Kurdistan
verlassen.“
Es sind die Medienleute, die „Paris ist heute sehr schön“ sagend vor Freude
jubeln, während alle Menschen aus Kurdistan in tiefer Trauer sind.
Es sind die „großen“ und „zivilisierten“ Staaten, die den gerechten und
legitimen Kampf des kurdischen Volkes gegen die Barbaren als „Terrorismus“
beschuldigen und mit den Despoten des Mittleren Ostens zusammenarbeiten.
Auch ist die Aufgabe des französischen Staates – der kurdische Politiker
24 Stunden am Tag überwacht, jedes Jahr dutzende patriotische Kurden festnimmt
und verhaftet – aufzuklären. Wenn Frankreich es selbst möchte, wird es
dies tun. Andernfalls wird immer seine „Mittäterschaft“ und „Unterstützung“
an diesen Morden mitten in Paris diskutiert werden.
Kurzum, gegen diejenigen oder gegen welches System Sakine Cansız, Fidan
Doğan und Leyla Şaylemez den Kampf geführt haben, jene sind die Mörder.
Lassen wir mal die Spurensuche nach den Mördern zur Seite und wenden uns
unseren Helden zu.
Nach Rousseau waren gute Menschen diejenigen, die ihr Leben an alle Menschen
denkend lebten. Der gewöhnliche Mensch war der, der an sich selbst denkend
lebte.
Dostojewski sagte mal: „Denkt ihr, euch selbstvergessend so sehr an Andere,
dann werden sie sich stets an euch erinnern.“
Gestern fand in Paris eine prachtvolle „Zeremonie“ für diese drei tapferen
kurdischen Frauen statt, die ihr eigenes Leben vergessen hatten. Aus allen
vier Richtungen Europas strömten Menschen nach Paris. Es waren nicht nur
Kurden. Armenier, Assyrer, Chaldäer, türkische Revolutionäre und Sozialisten,
französische Kommunisten, Palästinenser, Tamilen, deutsche Sozialisten
... Jede/r von ihnen lief mit ihren/seinen eigenen Fahnen und Spruchbändern
in der eigenen Sprache. Aber alle hatten am Revers Fotos, auf denen die
drei revolutionären Frauen lachen. Es war eine Kundgebung, die den drei
Frauen würdig war.
Man möchte sagen: „Könnten Sara (Sakine Cansız), Rojbîn (Fidan Doğan)
und Ronahî (Leyla Şaylemez) doch dieses Bild sehen.“ Man kann niemals
akzeptieren, dass sie nicht mehr unter uns sind. Man sucht nach etwas
anderem als den Tod, das nicht Schmerz und Trauer bringt. Che Guevara
schrieb kurz vor seinem Tod in einem Brief an seine Familie: „In unserer
beschwerlichen Tätigkeit als Revolutionär ist der Tod ein sehr häufiger
Unfall.“
Die Wahrheit darüber, dass diese Demonstration nicht mit elendigen und
erbärmlichen Angriffen verhindert werden kann, ist uns bewusst und unser
Trost.
Nun ist die Zeit der Begrüßung ...
Auf vielen Tontafeln der Sumerer kommt das Wort „amargi“ vor. Amargi bedeutet
wohl „Rückkehr zur Mutter“.
Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şeylemez kehren in ein paar Tagen
zur „Mutter“ zurück. Zu der Mutter, die ihre Arme und ihre Seele ausgebreitet
hat und mit Liebe wartet ...
Amed, Dersim und Elbistan wird Zeuge dieser Begegnung sein.
Alle Veilchen, Nelken, der Klatschmohn und die Rosen sind für sie.
So viele Blumen sind für sie, wie in Kurdistan blühen ...
Quelle: ANF, 14.01.2013,
ISKU
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