Demirtaş:
„Welcher kurdische Politiker soll in Deutschland exekutiert werden?“
Der Co-Vorsitzende der Partei
für Frieden und Demokratie (BDP) Selahattin Demirtaş hat während der heutigen
Fraktionssitzung erklärt: „Der Ministerpräsident Erdoğan soll seine Bemühungen
einstellen, die BDP nach seinem Wunsch umzuprogrammieren. Wir erwarten
von ihm weder Mitleid noch Almosen. Wir fordern lediglich die Rechte eines
entrechteten Volkes zurück."
Demirtaş hat auch zu den Morden
in Paris und im Zuge dessen zu den Äußerungen Mehmet Ali Şahins, dem Stellvertretenden
Vorsitzenden von Erdoğans AKP (Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung),
Stellung bezogen.
Die Veröffentlichungen der
französischen Staatsanwaltschaft sind unbefriedigend
Demirtaş hat auf die Erklärung
der französischen Staatsanwaltschaft zum dreifachen Mord in Paris seine
Enttäuschung zum Ausdruck gebracht: „Die Informationen, die die französische
Staatsanwaltschaft zu diesem Fall veröffentlicht hat, sind nicht von besonderer
Tragweite und befrieden unser Bedürfnis nach Aufklärung bei weitem nicht.
Wir wollen wissen, wer und warum diese Morde begangen wurden. Dies aufzuklären,
ist die dringlichste Aufgabe der französischen Ermittlungsbehörden und
der Regierung, da ihnen die dafür benötigten Mittel bei weitem zur Verfügung
stehen. Seit dem Mord an Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez
sind nunmehr 10 Tage vergangen und die französischen Ermittlungsbehörden
wollen uns weiß machen, dass dieses magere Ergebnis alles ist, was sie
zu bieten haben. Ist das wirklich alles was sie erreicht haben? Der Staatsanwalt
weißt ja darauf hin, dass es Videoaufnahmen zum Beschuldigten gibt, die
aufzeigen, wie er das Gebäude zum Büro betritt. Dies bedeutet wiederum,
dass der Eingang zum Bürogebäude rund um die Uhr aufgezeichnet wird, so
dass wir uns aufgrund der Masse des Materials ernsthaft fragen, ob das
wirklich alles ist, was sie innerhalb der letzten 10 Tage heraus bekommen
haben. Bedeutet dieser Umstand, dass sie keine weiteren Informationen
zum Fall ermitteln konnten?“
Welcher kurdische Politiker,
welche kurdische Politikerin soll in Deutschland exekutiert werden
Demirtaş weist darauf hin, dass auch den türkischen Behörden eine Verantwortung
zur Aufklärung des Falles zufällt. Demirtaş hinterfragt auch die Aussagen
von Mehmet Ali Şahins, dass Morde dieser Art auch jederzeit in Deutschland
passieren können. Demirtaş fordert daher den Ministerpräsidenten Erdoğan
auf, Klarheit zu dieser Aussage zu schaffen und die Grundlage dieser indirekten
Drohung offenzulegen. „Der Ministerpräsident soll daher offen legen, wer
wen wo exekutieren wird. Wir wollen wissen, welcher kurdische Politiker
laut Ihrer Liste als nächstes exekutiert werden soll? Sie müssen diesen
Sachverhalt aufklären und offen legen, ob auch die Morde in Paris mit
Ihrem Einvernehmen passiert sind. Ihr stellvertretender Vorsitzender erklärt
punktgenau, wo die nächste Exekution stattfinden soll.
Entweder wird die Türkei offen legen, welcher kurdische Politiker in Deutschland
ermordet werden soll oder Sie werden den Mord verhindern, da im Gegenteiligen
Sie allein die Verantwortung zu übernehmen haben. Dies ist kein simpler
Sachverhalt, so dass, wenn Sie an einer friedlichen Lösung der kurdischen
Frage interessiert sein sollten, durch Ihr Verhalten Ihre ehrenhafte Motivation
beweisen könnten. Daher sollte auch die türkische Regierung alles in ihrer
Macht stehende unternehmen, um diese Morde aufzuklären", so Demirtaş.
Eine faschistoide Staatspolitik
Auf die Aussage Erdoğans während der AKP-Fraktionssitzung, dass es keine
„kurdische Frage“ gäbe, fragt Demirtaş: „Ich frage den Ministerpräsidenten
Erdoğan, erkennen Sie das kurdische Volk als ein Volk an? Haben Sie vor,
das kurdische Volk als ein Volk anzuerkennen? Die Antwort auf diese Frage
ist zugleich der Beleg für das Verständnis und die Auslegung der momentanen
Phase. Ihre Aussagen dahingehend, dass wir Brüder und Schwestern oder
Gate und Gattin werden sollten sind zwar nett, aber werden Sie uns auch
als ein Volk anerkennen? Sie behaupten, dass es keine kurdische Frage
gibt. Ich stimme Ihnen zu, denn es gibt viel mehr einen faschistoiden
Staat mit einer Verleugnungs- und Assimilationspolitik. Jedoch glaube
ich nicht, dass wir dasselbe anklagen."
Die Assimilation wird fortgeführt
Erdoğan hat auch behauptet, dass mit der AKP-Regierung die Assimilations-
und Verleugnungspolitik ein Ende gefunden haben. Zu diesem Punkt hat Demirtaş
folgendes angeführt: „Es ist eine Heuchelei zu behaupten, dass die Assimilation
beendet ist. Es ist Ihr ernannter Gouverneur, der sich erst kürzlich gegen
den in Amed (Diyarbakir) errichteten Park wegen seines kurdischen Namens
‚Beybun‘ gerichtet hat. Das Türkische wird zu einer olympischen Disziplin
ausgebaut und das Kurdische darf sich nicht einmal im Namen eines Parks
widerspiegeln. Die Kurden können nicht ein Mal ihre eigene Muttersprache
nutzen und Sie behaupten, dass die Assimilation beendet wurde. Wer hat
denn Ihrer Ansicht nach die Kurden erschaffen? Ihrer Weltanschauung nach
hat ja der Schöpfer alle Völker gleich geschaffen. Dabei ist nicht die
Rede von Verboten in Bezug auf die kurdische Sprache. Sie sagen zwar hin
und wieder nette Dinge, aber die Realität sieht ganz anders aus. Statt
unentwegt den Versuch zu unternehmen uns umprogrammieren zu wollen, sollten
Sie sich vielleicht besser anschauen, was Sie angerichtet haben. Wir erwarten
von Ihnen weder Mitleid noch Almosen. Wir fordern lediglich die Rechte
eines entrechteten Volkes zurück. Falls es Ihnen daran liegt einen Dialog
anzustoßen, so bitten wir auf diese Fragen zu antworten. Wenn die Erklärungen,
die der Ministerpräsident in den letzten zehn Tagen abgegeben hat von
uns gekommen wären, dann hätten uns die türkischen Medien längst an den
Galgen gehängt. Der in Nisêbîn (Nusaybin) erschossene Polizist ist ein
Mensch und seine Mutter hat ein Herz, aber auch die in Malatya aufbewahrten
und ihren Eltern nicht ausgehändigten Leichname der Guerilla waren Menschen
und ihre Mütter haben Herzen. Diese Phase wird eine Bewährungsprobe, aber
wir haben vollstes Vertrauen in unser Volk und unsere Fähigkeiten."
Quelle: ANF, 22.01.2013, ISKU
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