HDP-Abgeordneter Sirri Süreyya Önder über das Treffen mit Öcalan Öcalan: Von uns kommt nichts mehr bis der Gesetzentwurf umgesetzt ist Am Samstag traf sich eine Delegation der Demokratischen Partei der Völker (HDP) auf der Gefängnisinsel Imrali mit inhaftierten kurdischen Volksrepräsentanten Abdullah Öcalan zusammen. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Firat (ANF) äußerte sich Sirri Süreyya Önder, HDP-Abgeordneter und Delegationsmitglied, über das Treffen. ANF: Wie
verlief das Treffen mit Öcalan, nachdem die Gespräche für eine lange Zeit
unterbrochen waren? ANF: Der
gestern veröffentlichten Pressemitteilung der Delegation konnten wir entnehmen,
dass Herr Öcalan Selbstkritik geübt hat. Könnten Sie den Ansatz dieser
Selbstkritik vertiefen? Ich denke, dass alle Führungspersönlichkeiten davon lernen könnten. Die meisten anderenFührungspersönlichkeiten suchen nach Entschuldigungen und Bekenntnissen. Für Öcalan und seine Kader ist die Selbstkritik ein wichtiger Mechanismus. Wenn die türkische Regierung Herrn Öcalan richtig verstanden hätte, als er sagte „Ich werde euch nicht täuschen und auch nicht zulassen, dass man euch täuscht“, dann wären jetzt mehr Fortschritte in Richtung Frieden und Demokratie gemacht worden. Herr Öcalan fügte hinzu, dass in den nächsten Schritten die rechtlichen Garantien sehr wichtig sind und dass ohne die Gewährleistung der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen die eigentlichen Ziele von Frieden und Demokratie nicht erreicht werden können. Hierzu sagte Öcalan folgendes: „Wir erinnern uns genau, was passierte als im Rahmen der 'Demokratischen Öffnung“ Guerillaeinheiten über den Grenzübergang Habur nach Nordkurdistan gingen. Weil zu dem Zeitpunkt kein verfassungsrechtlicher Rahmen im türkischen Parlament verabschiedet war, wurde gegen die meisten GuerillakämpferInnen und den ZivilistInnen aus dem Flüchtlingscamp Maxmur Ermittlungsverfahren eingeleitet. Einige von ihnen befinden sich immer noch im Gefängnis.“ Er kritisierte auch den Bau neuer Militäranlagen und von Staudämmen im Sommer 2013 nachdem sich die kurdischen Guerillaeinheiten nach Südkurdistan als Teil des gegenwärtigen „Lösungsprozesses“ nach Südkurdistan zurückgezogen hatten. ANF: Wurde beim Treffen auf die landesweiten Proteste vom 07/08. Oktober und die darauffolgenden Festnahmen eingegangen? Önder: Herr Öcalan erklärte, dass diese Festnahmen durch den türkischen Staat inakzeptabel seien und sagte folgendes: 'Niemand hat das Recht, von uns irgendetwas im Namen der Öffentlichkeit zuverlangen, solange die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen und Garantien nicht in die Praxis umgesetzt werden.“ Aber Herr Öcalan betonte, dass wenn der Entwurf des verfassungsrechtlichen Rahmens umgesetzt wird, diese Probleme nur von administrativer Bedeutung seien und schnell geklärt werden. Er rief auch andere Organisationen, in erster Linie die Hüda-Par [=kurdisch-islamistische Partei], auf, Provokationen zu verzichten. Er sagte, dass die Kritik ein Bekenntnis des demokratischen Kampfes und des Dialogs ist. Herr Öcalan warnte auch vor der Beteiligung des Nationalen Sicherheitsrates und der Spezialeinheiten und sagte, dass sie das Risiko eines Staatsstreich erhöhen und die Regierung von der Macht stürzen würde. ANF: Es wurde von einem „Entwurf für Frieden und Demokratie im Verhandlungsprozess“ gesprochen. Was beinhaltet dieser Entwurf? Önder: Der Entwurf beinhaltet vier Hauptschwerpunkte. Der erste besteht aus neun Artikeln und bezieht sich auf die Vorgehensweise (Methode) im gegenwärtigen Lösungsprozess. Wir können das so verstehen, dass alle Phasen des Prozesses dokumentiert werden und dass alles auf der Grundlage demokratischer Politik getan werden sollte, damit dieser Lösungsprozess eine solide Basis hat. ANF: Was beinhalten die anderen Schwerpunkte? Önder: Nachdem die Fragestellung der Methode gelöst ist, sehen wir, dass Herr Öcalan die Geschichte und Philosophie der Kurdenfrage auf einem wissenschaftlichen Niveau, die praktisch alle landesweiten Universitäten in Verlegenheit bringen würde, analysiert. Die Frage nach einem Sekretär steht immer noch in Raum. Ich werde Ihnen jetzt die 11 Artikel über die methodische Vorgehensweise der Kommissionen nennen: - Das Wesen der kurdisch-türkischen
Beziehungen im Mittleren Osten im Laufe der Geschichte 1) die verfassungsrechtliche
Dimension der Lösung Die dritte Schwerpunkt lautet:' Zentrale Fragen auf der Tagesordnung', in der 40 grundlegende Fragen, Erkenntnisse und Lösungsschläge aufgelistet sind. Diese Bezugspunkte werden Spekulationen wie 'Öcalan ist beim Demokratietest durchgefallen' oder 'Die kurdische politische Bewegung wird getäuscht' überflüssig machen. Mit der Ernenung einiger Überschriften wird klar werden, was gemeint ist: die korrekte Definition
der demokratischen Politik und ihrer Inhalte Ich denke, dass diese Überschriften ausreichen, um einen ersten Überblick über den Entwurf zu bekommen. Der vierte Schwerpunkt beinhaltet einen Aktionsplan und besteht aus sechs Artikeln. Das wichtigste Merkmal ist, dass er Daten und Gespräche mit Kandil und dem Staat und der Regierung beinhaltet. Wir werden diesen Plan, in den Öcalan sehr viel Mühe und Zeit investiert hat, der Öffentlichkeit mitteilen. Ich denke, dass dieser Plan Menschen, die nicht wissen, was auf sie zukommt, mobilisieren wird. Nachdem wir unsere Gespräche mit der Führung im Kandil und dem türkischen Staat geführt haben, werden wir den Aktionsplan der Öffentlichkeit mitteilen. ANF: Wie wird die türkische Regierung auf diesen Plan reagieren? Önder: Dieser Plan ist eine große Chance für die Regierung. Herr Öcalan hat der ganzen Welt gezeigt, dass er die treibende Kraft hinter den Demokratieanstrengungen ist. Das Wichtigste ist es, für die Demokratie zu mobilisieren statt auf den Krieg zu setzen. Unsere Partei wird die Wahlen zu einem Manifest für eine friedliche und demokratische Lösung nutzen.
Önder: Herr Öcalan sagte folgendes dazu: 'Wir haben ein starkes Programm. Die Vorbereitungen sollten darauf abzielen, als eine Partei in die Wahlen zu gehen. Wenn dieses Programm den Menschen erklärt wird, dann hat die Wahlhürde kein Sinn mehr.' ANF: Wann hat Herr Öcalan zuletzt mit der Delegation des türkischen Staates gesprochen und wann werden neue Gespräche stattfinden? Önder: Herr Öcalan hat mit der Delegation vor zwei Tagen gesprochen. Wir werden bis nächsten Dienstag viele Gespräche mit den Verantwortlichen führen. Wir werden als Delegation nach Kandil gehen. Und anschließend werden wir wieder mit Herrn Öcalan zusammenkommen. Er sagte auch, dass er in Erwägung ziehe, mich und Leyla Zana nach Südkurdistan zu schicken, um den Dialog für einen kurdischen Nationalkongress zu führen. Herr Öcalan sagte über den historischen Widerstand von Kobanê folgendes: 'Die ganze Welt schaut zu, was in Kobanê passiert. Es ist der Kampf um die Ehre im 21. Jahrhundert und zeigt, was die kurdische freie Frau alles erreichen kann.' ANF, 01.12.2014, ISKU |
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