Ein
Machtkampf zwischen AKP und Gülen
Seit dem vergangenen
Wochenende ist die Festnahmewelle gegen JournalistInnen, FernsehproduzentInnen
und ranghohen PolizeibeamtInnen, die der Gülen-Bewegung nahe stehen, auf
der Tagesordnung in der Türkei. Auch die gesamte deutsche Medienlandschaft
berichtet und klagt Menschenrechtsverletzungen durch die AKP-Regierung
an. Der Anfang vergangener Woche von Abdullah Öcalan vorbereitete „Entwurf
für Frieden und Demokratie im Verhandlungsprozess“, der einen neuen Vorstoß
der kurdischen Freiheitsbewegung zu einer demokratisch-politischen Lösung
der kurdischen Frage darstellt, wurde durch diese Operationen von der
Tagesordnung verdrängt.
Die Nachrichtenagentur
ANF hat mit dem Mitglied des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften
Kurdistans (KCK) Mustafa Karasu über diese letzten Ereignisse gesprochen.
Im Folgenden veröffentlichen wir einige Auszüge des Interviews.
Kampf um Hegemonie
zwischen AKP und Gülen
Laut Karasu zeigen die Operationen der AKP, dass die Allianz zwischen
Gülen und AKP am Ende ist. Dieser Bruch habe sich bereits letztes Jahr
ereignet. Heute erfolge zwischen der AKP und der Gülen-Bewegung ein Kampf
um Hegemonie. Dies sei der einzige Streitpunkt zwischen diesen beiden
Kräften. „Wenn es um eine demokratische Türkei gehen würde, hätte dieser
Streit nicht diese Stufe erreicht. Jetzt sagen sowohl die AKPler, als
auch die AnhängerInnen von Gülen ‚Ich will die Hegemonie‘. In diesem Kampf
um die Vormachtstellung treten beide alle möglichen Menschenrechte, alle
Rechte der Freiheit und der Demokratie mit Füßen. Es stimmt, mit den Operationen
gegen die GülenanhängerInnen werden Presse- und Freiheitsrechte beschnitten.
Dies aber geschieht auf Basis eines Machtkampfes. In diesem Kampf um die
Macht wird alles um das Ziel zu erreichen als zulässig gesehen. Da gilt
sowohl für die AKP, als auch für Gülen.“
Die dreckige
Kollaboration zwischen AKP und Gülen sollte nicht vergessen werden
Karasu erklärte, dass sie als Freiheitsbewegung aufgrund ihrer vertretenen
Prinzipien und ihrer Haltung gegen die Macht, Operationen und Festnahmen
gegen niemanden für gut heißen. Das gelte auch für die Operationen gegen
die Gülen-nahen Medien. Doch Karasu betonte, dass man aufgrund der gegenwärtigen
Ereignisse nicht die dreckige Kollaboration zwischen Gülen und der AKP
aus den Augen verlieren sollte: ,,Gestern noch haben die Gülen-Anhänger
alle möglichen dreckigen Kriegspraktiken verteidigt und wollten die Festnahme
aller kurdischen AktivstInnen. Hinter den zehntausenden Festnahmen gegen
die kurdischen ZivilistInnen und PolitikerInnen, sowie hinter den ‚Morden
unbekannter Täter‘, stehen die Gülen-Anhänger. Ganz Kurdistan wurde in
einen Ort der Vernichtung verwandelt. Das taten auch die Gülen-nahen Polizisten."
Nicht nur GülenanhängerInnen
werden festgenommen, auch tausende Kurden und Kurdinnen
Karasu erklärte, es gebe gegenwärtig bei dem Thema AKP und Gülen demagogische
Annäherungsweisen: ,,Es werden gegenwärtig nicht nur GülenanhängerInnen
festgenommen. Jeden Tag werden dutzende Kurden und Kurdinnen festgenommen.
In der letzten Zeit wurden mehr als tausend KurdInnen verhaftet, dies
wird nicht gesehen. Wir sind natürlich gegen alle Festnahmen. Für uns
ist die Frage grundlegend, warum dies passiert. Dies muss bewertet werden.
Wir müssen die Mentalität untersuchen, die die ‚KCK-Operationen‘ und nun
die Festnahmen gegen die GülenanhängerInnen hervorbringt. Und das ist
die hegemoniale Mentalität. Sich über die Festnahmen zu beschweren, ohne
von der hegemonialen Mentalität abzurücken, ist falsch. Gülen verfügt
über eine hegemoniale Mentalität, aber beschwert sich über die Festnahmen.
Wie will er sich beschweren, wenn er den Festnahmen und Ermordungen von
den vielen Kurden und Kurdinnen zugestimmt hat? (...) Auch die Politik
der AKP ist hegemonial und unterdrückerisch ausgerichtet.“
Das Hauptproblem
der Türkei ist die kurdische Frage
Es sei wichtig herauszustellen, dass die Operationen gegen die GülenanhängerInnen
nach der Veröffentlichung des Entwurfs von Abdullah Öcalan zur demokratischen
politischen Lösung begonnen haben: ,,Ich möchte nicht behaupten, dass
dies unbedingt etwas damit zu tun haben muss. Aber wir wissen, dass die
AKP die Methoden der psychologische Kriegsführung nutzt, um das gesellschaftliche
Denken zu beeinflussen. (...) Denn das Hauptproblem der Türkei ist die
kurdische Frage. Warum bringt die AKP in solch einer Phase so etwas auf
die Tagesordnung? (...) Es sieht nach der Praxis der AKP aus, den Entwurf
des Vorsitzenden Öcalans mit anderen Tagesordnungspunkten von der Tagesordnung
zu drängen, um so Zeit zu gewinnen, um vor den Wahlen keine Antwort auf
den Friedensentwurf zu geben.“
ANF, 17.12.2014, ISKU
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