Auf den folgenden Seiten wird eine Erklärung des Vorsitzenden der Arbeiterpartei Kurdistans PKK, Abdullah Öcalan, dokumentiert, die er am 15. Oktober 1998 im kurdischen Fernsehsender MED-TV abgegeben hat. Ausführlich nimmt Abdullah Öcalan zur aktuellen Entwicklung im Nahen Osten Stellung, vor allem zum einseitigen Waffenstillstand der PKK vom 1. September 1998 und der angespannten Situation zwischen der Türkei und Syrien.
Hintergründe und Geschichte des Komplotts
(…)
Ohne Zweifel begann das letzte Komplott gegen uns nicht erst mit Demirels
Äußerung, in der er drohte, Syrien die Welt zur Hölle zu
machen. Es hat eine längere Geschichte. Bevor ich jedoch auf die jüngste
Entwicklung eingehe, möchte ich zunächst zum besseren Verständnis
auf den Charakter der Komplotte eingehen, die vor allem nach dem Vorstoß
vom 15. August 1984 gegen uns und somit gegen die führende Kraft des
Befreiungskampfes, die PKK, ausgearbeitet wurden.
Als sich nach dem ersten Jahrestag des 15. August herausstellte, daß
es sich dabei nicht nur um eine bedeutungslose Aktion gehandelt hat, sondern
sie sogar internationale Dimensionen annehmen würde und der kurdische
Befreiungskampf vor allem in Europa Widerhall und Unterstützung finden
würde, wurde die Türkei als NATO-Land unter diesem Aspekt beurteilt.
Zu dieser Zeit hatte in Amerika die Reagan-Administration die Macht. Es
wurden wilde Pläne zur Zerstörung der Sowjetunion und zur Niederschlagung
nationaler Befreiungsbewegungen entwickelt. Sie betrachteten Kenan Evren,
den Generalstabschef des Militärregimes vom 12. September in der Türkei,
als ihren stärksten Repräsentanten im Mittleren Osten. Dies kommt
in den engen Beziehungen Evrens zum derzeitigen Regime zum Ausdruck.
Das Militärregime vom 12. September 1980 hat seine grenzenlose Unterstützung angeboten, um die Entwicklungen in Afghanistan und die iranische Revolution, welche die Kräfteverhältnisse in der Region zuungunsten des bestehenden Status quo hätten verändern können zurückzudrängen. Damit sich die Verhältnisse nicht noch weiter zuungunsten der westlichen Interessen entwickelten, wurde es uneingeschränkt auch von allen westeuropäischen Ländern unterstützt. Wie wir alle wissen, wurde sogar der Krieg zwischen dem Iran und Irak ausgelöst. Das zentrale Ziel bestand darin, das damals bestehende Kräfteverhältnis aufrecht zu erhalten. Daß wir genau zu dieser Zeit unseren Befreiungskampf gegen die Türkei aufnahmen, d. h. gegen ein Land, dem die Wächterrolle für die Stabilität in der Region zugeteilt worden war, schien eine ernste Gefahr darzustellen. Sie begannen, sich sehr ernsthaft damit zu beschäftigen, wie sie unsere Bewegung niederschlagen könnten. Dafür wurde die bekannte, in NATO-Kreisen als Strategie gegen innere Unruhen bezeichnete Methode (counterinsurgency) ins Spiel gebracht. Widerstandsbewegungen wurden damals generell den Kommunisten zugeschrieben und als innere Unruhen bezeichnet; aber auch in Bezug auf nationale Befreiungsbewegungen hatten die NATO-Staaten eigens geschaffene Konzepte. Zur Durchsetzung ihrer Pläne hatten sie unter anderem die Geheimorganisation ‘Gladio’ ins Leben gerufen, die nach ihren eigenen Regeln operierte.
Es ist bekannt, daß Gladio - das italienische Wort für ‘Schwert’ - in einer Zeit aktiv wurde, in der die Kommunisten in Italien an Stärke gewannen und auf dem Wege zur Macht waren. Gladio hat die Kommunisten in Italien 30 Jahre lang mit den unterschiedlichsten Komplotten außer Gefecht gesetzt und ein Italien hervorgebracht, das unter dem beherrschenden Einfluß der Mafia stand und sich bis zum heutigen Tage nicht ganz davon erholt und befreit hat. Hierin waren auch einige europäische Länder verwickelt. Für die NATO war Italien nur von untergeordneter Bedeutung und so nur ein begrenztes Operationsgebiet. Wenn man sich aber die besondere Stellung der Türkei vor Augen führt, sieht vieles anders aus. Ein Satz von Kenan Evren macht dies deutlich: „Diese Organisation war eine internationale Organisation, wir haben sie zu einer nationalen Organisation gemacht.“ Später hieß es dann: „Nach den 80ern wurde sie nationalisiert.“ In der Ära Ciller/Güres ab Anfang der 90er Jahre sprach man von der ‘Privatisierung’ dieser Organisation.
In der Türkei verfügt nun diese Organisation über die Regierungsgewalt. Sie firmiert als das sogenannte Amt für spezielle Kriegführung. Sie hat die ganze Macht auf sich konzentriert. Aber ihr Einfluß innerhalb der NATO blieb weiterhin unter der Kontrolle der USA. In diesem Zusammenhang möchte ich einen weiteren Punkt betonen: Bekannt ist, daß Catli (1) einen Diplomatenpaß besaß, der eigenhändig von Kenan Evren unterschrieben war. Catli ist mit diesem Paß zweimal in die USA, genauer gesagt, nach Florida eingereist, um dort für die Spezialeinheit geschult und ausgebildet zu werden. Später war er in Europa in die schmutzigsten Geschäfte und Kontakte verwickelt. Auch Agca (2) ist ein Teil dieses Vorhabens. Nach Aussagen von Türkes (3) wurde dieser damals von Nurettin Ersin (4) aus dem Gefängnis von Maltepe freigelassen und bei dem Attentat auf den Papst eingesetzt, nachdem ein Paß für ihn beschafft worden war. Darüber hinaus kam später auch ans Licht, wie von diesen Kreisen der Drogenhandel in weitesten Zügen entwickelt und die Morde, in erster Linie gegen Mitglieder von ASALA (5), verübt worden sind. Hierbei ist wichtig festzuhalten, daß das Catli-Team im Auftrag von Kenan Evren und in Kenntnis der USA als eine Spezialeinheit mit sehr wichtigen Aufgaben betraut worden ist.
Die Rolle Europas
Die türkische Linke war zu dieser Zeit (Mitte der 80‘er Jahre,
A.d.Ü.) zum überwiegenden Teil liquidiert. Sei es der Mord an
Palme oder das Attentat auf den Papst, seien es die schmutzigen Geschäfte
- all dies wurde durchgeführt, um die Linke in der Türkei als
„terroristisch“ zu diffamieren. Damals nahm auch die Asylzuwanderung in
die europäischen Länder zu. Es handelte sich überwiegend
um Linke, die in diesen Ländern Asyl suchten. Um diese zu diffamieren
und die Solidarität mit ihnen zu brechen, wurden illegale Organisationen
wie die von Catli weiter ausgebaut. Die Spur dieses Organisationstypus
reicht zuletzt bis zu Alaatin Cakici (6) . In
Bezug auf uns wurden sie aktiv, als deutlich geworden war, daß die
Offensive vom 15. August nicht zu besiegen war und sich immer weiter ausdehnen
würde. Daß Europa dem Widerstand in Vietnam, aber auch anderen
nationalen Befreiungsbewegungen besondere Aufmerksamkeit einräumte,
paßte nicht in die Pläne der USA. Schweden und sein hochgeschätzter
Ministerpräsident Olaf Palme waren den USA ein Dorn im Auge. Sie wurden
zum Hauptangriffsziel der Reagan-Administration. Und daß nun auch
die Kurden zum ersten Mal in Schweden Akzeptanz fanden, daß sie eventuell
sogar von Olaf Palme unterstützt werden könnten, versetzte sie
in Sorge. Als dann auch die Versuche, Palme gegen uns einzunehmen, scheiterten,
verweigerte dieser seine Zusammenarbeit und machte deutlich, daß
er nicht bereit war, sich gegen die Kurden zu stellen. Damals stand er
unter solch einem Druck. Die kurdische Befreiungsbewegung hatte die Chance,
sich mit Hilfe Schwedens weiter zu entwickeln, das ist wahr. Kurz gesagt:
Es wurde damals eine Diffamierungskampagne gegen die PKK und die Kurden
gestartet.
(…)
Palme paßte nicht in die neue politische Bestimmung unter der Führung von Reagan. Er hatte den Befreiungskampf des vietnamesischen Volkes unterstützt, und, viel wichtiger, er hätte durch seine Sympathie für das kurdische Volk das NATO-Mitgliedsland Türkei, welches eine besondere Bedeutung für die NATO hat, in Bedrängnis bringen können. Dies zu verhindern paßte in das Konzept und die Planungen der Organisation (Gladio, A.d.Ü.). Sie wollten zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Einerseits würden sie Palme aus dem Weg schaffen, andererseits die Sympathie für den kurdischen Befreiungskampf, der sich in Anlehnung an Schweden entwickeln könnte, brechen. Kurden könnten somit als Terroristen diffamiert werden, und die in Europa entstehende Solidarität könnte so verhindert werden. Das war das Ziel. Und ich möchte darauf aufmerksam machen, daß dieses Ziel erreicht worden ist. Die Kurden wurden Opfer einer enormen Diffamierungskampagne. Bedeutsam ist aber, daß die Regierung in Schweden gestürzt wurde. Genau dasselbe wollen sie heute für das syrische Regime erreichen. Was die Situation von Hafis-al-Esad betrifft, so möchte ich ihm dringend empfehlen, einen Vergleich zu den Palme-Ereignissen zu ziehen. Ich möchte an dieser Stelle die Zuschauer, Journalisten, Intellektuellen und unser ganzes Volk darauf aufmerksam machen, daß wir wieder einem solchen Komplott gegenüber stehen. Die Ermordung Olof Palmes ist in diesem Zusammenhang zu bewerten und von größter Bedeutung. Die Aufklärung des Mordes wurde bis heute verhindert. Schweden hat seine Position in der Tat geändert.
In Zusammenhang mit dem Komplott begann damals auch in Deutschland eine Antikurdenwelle. Es kam zu zahlreichen Festnahmen. Sie versuchten, eine gegnerische Führung gegen die PKK-Führung aufzubauen. Das Jahr 1988 ist das Jahr, in dem die Verhaftungen begannen. Zugleich ist es das Jahr sehr gefährlicher Komplotte, die gegen uns ausgearbeitet wurden. Es wurde die Parole „sich dagegen stellen“ geschaffen, genauer hieß es: „Stellt euch gegen Apo, dann werdet ihr bereits morgen frei sein“. Es gibt viele Freunde, die diese Vorgehensweise bestätigen können. Bis 1990 hatten wir mit solchen Komplotten zu kämpfen.
Wie wir wissen, hatte Özal damals eine Vision vor Augen. Er wollte die Kurdenpolitik grundlegend überarbeiten. Sogar eine föderative Lösung sollte zur Diskussion gestellt werden. 1991 hatte sich diese Diskussion verbreitert.
Mesut Yilmaz - ein Demokrat?
An dieser Stelle ist es wichtig, die Rolle von Mesut Yilmaz zu verstehen.
Unter seiner Regierung drei bis vier Komplotte gegen uns durchgeführt
wurden. Er ist eine Person voller Intrigen, sein Heiligenschein täuscht.
Der innere Zerfall der ANAP (7) bedeutete
nicht nur, daß Özal seiner Macht beraubt wurde, es war zugleich
der Untergang seiner Familie. Vor allem wurden sie zur Zielscheibe des
kriegswütigen Cölasan (8) . Es begann
eine beispiellose Beleidigungskampagne in der Tageszeitung ‘Hürriyet’,
die nicht einmal einem normalen Bürger zuteil werden würde, geschweige
denn einem Staatspräsidenten. Der Herausgeber dieser Zeitung war an
dieser Kampagne persönlich beteiligt. Özal selbst hatte in Zusammenhang
mit dem ersten Attentat (9) auf ihn dessen Namen
ins Spiel gebracht. Wir wissen, daß diese Zeitung einen Spezialkrieg
der besonderen Art führt.
Als Özal den Dialog mit uns aufnehmen wollte, was zwischen dem
15. – 17. April 1993 erfolgen sollte, wurde er ermordet.
Ich erläutere dies hier, weil der Mord nicht aufgeklärt worden
ist. Wie sehr über seinen Tod spekuliert wird, ist der Öffentlichkeit
bekannt. Seine Familie glaubt nicht, daß es ein natürlicher
Tod war. Auch wir wissen sehr genau, daß er ermordet worden ist,
weil er den Dialog mit uns aufnehmen wollte, wenn auch nur in begrenztem
Umfang. Mit diesem Schritt hatte er sozusagen sein Todesurteil unterschrieben.
Nur deshalb mußte er sterben.
Weshalb nun kann Mesut Yilmaz kein Demokrat sein? Weshalb wird die
ANAP im Zusammenhang mit den Banden erwähnt? Da gibt es jenen Eyüp
Asik, den Vorsitzenden der Parlamentarischen Menschenrechtskommission,
der mit den Mitgliedern der aggressivsten Bande Gespräche etwa folgenden
Charakters führt: „Großer Bruder, das geschieht in Kenntnis
des Ministerpräsidenten. Was möchtest Du…?“ Das zeigt, wie sehr
die Kumpanei und Verstrickung zwischen Staat und Bandentum fortgeschritten
ist. Es ist auch allgemein bekannt, wie Mesut Yilmaz von Catli und Seinesgleichen
zum Vorsitzenden der ANAP gemacht wurde. Zunächst haben sie Mesut
Yilmaz gegen Özal aufgestachelt und dann zu dem gemacht, was er heute
ist. Später wurde Özal aus dem Weg geräumt haben. Daß
der erste Anschlag auf Özal ebenfalls das Werk dieser Bande war, ist
offensichtlich. Kartal Demirag, der Attentäter, war auch ein Nationalist.
Özals einziges Vergehen war, daß er das kurdische Problem offen
zur Diskussion stellte. Mesut Yilmaz ist in diesen Fall tief verwickelt.
Wie kann jemand, der in der Lage war, zum Mord an seinem Vorsitzenden beizutragen,
ein Demokrat sein?
In dieser Zeit (1993, A.d.Ü.) beginnt die Phase der ‘Morde unbekannter Täter’. Hier muß ich eine Eigenart von Demirel ansprechen. Es war vermutlich der 1. September, an dem dieser an die Adresse der DEP-Abgeordneten (10) gerichtet gesagt hatte: ‘Sie werden ihre Strafe bekommen.’ Ich muß daran erinnern, daß drei Tage nach dieser Rede der DEP-Abgeordnete Mehmet Sincar ermordet wurde. Diese Bande geht äußerst heimtückisch vor. Die Präsidentschaft Demirels war bereits zu Lebzeiten Özals beschlossen. Es wurde zwar damals verbreitet, daß Özals Herz schwach sei und er bald gehen würde, doch sein Tod war von langer Hand geplant. Auch wußte man bereits drei Monate vor dessen Tod, daß Demirel der Nachfolgepräsident werden würde. Und so wurde dieses Regime errichtet.
Später wurde Kurdistan flächendeckend in Schutt und Asche
gelegt. Dieser Vernichtungsplan sollte 1995 vollendet werden. Das war während
der Amtszeit von Generalstabschef Güres. Aus ihrer Sicht hatten sie
auch große Schritte zur Verwirklichung ihres Vorhabens gemacht. Tatsächlich
sind die vielen bekannten „unaufgeklärten“ Morde und die Dorfzerstörungen
nicht die Taten eines “Yesil “ (11) allein. Ohne
eine starke Kraft im Rücken ist dieser Yesil nicht einmal in der Lage,
alleine zu gehen, geschweige denn Dörfer zu zerstören… Gemäß
dem Motto „Laßt die Hunde sich selbst zerfleischen“ wurden derartige
Gestalten in Kurdistan schon häufig benutzt. Eine Zeit lang haben
sie Gerüchte und Legenden in die Welt gesetzt, um ihre Komplotte zu
vertuschen. Derzeit sind sie bemüht, Yesil und andere für alles
verantwortlich zu machen.
(…)
Auch wenn ich es schon einmal angesprochen habe, will ich es noch einmal betonen, weil dies einer der prägenden Faktoren des Komplotts der letzten Jahre war: Es handelt sich um die mit dem Fall Semdin Sakik geplante Verschwörung mit einem Konzept, dessen wichtigsten Grundlinien waren: Er ist ein Guerillakommandant, ein großer Krieger. Er hat gekämpft solange er konnte, und kann nun in das Konzept eingebunden werden! Wir haben das seit 1993 sehr genau beobachtet und mußten dabei sehr behutsam vorgehen. Es bedarf wirklich eines guten Überblicks, um zu verstehen, welche Rolle Sakik zugesprochen wurde. Sakik wurde nicht durch eine Operation, wie behauptet, in die Türkei gebracht, sondern von speziellen Kräften des Generalstabes in Empfang genommen; damit sollte sichergestellt werden, daß er nicht in die Hände einer speziellen Organisation gerät, wie zum Beispiel des MOSSAD oder der CIA. Er steht immer noch unter Kontrolle des Generalstabes. Er durfte bisher nicht einmal mit der Polizei und dem MIT (12), noch nicht einmal mit JITEM (13) in Kontakt treten. Der Grund dafür ist, daß ihm eine besondere Rolle zugewiesen wurde. Mit einem Hinweis auf seine gestrige Aussage möchte ich meine Ausführungen zu der Verschwörung abschließen: „Ich werde kein Geständnis ablegen, ich werde nichts bereuen, ich werde auch nicht Guerillakämpfer, ich werde Friedenskämpfer.“ Sicher ist, daß er in diesem Sinne auszusagen hat. In dieser Aussage sehe ich die Anzeichen des neuesten Komplotts.
Die Türkei täuscht Friedenswillen vor
Es ist bekannt, daß wir einen Waffenstillstand ausgerufen haben.
Einige kurdische Kreise, die mit hoher Wahrscheinlichkeit im Auftrage des
Generalstabes handeln und deren Absichten zu verstehen für uns von
großer Bedeutung ist, traten mit dem Wunsch an uns heran, einen Waffenstillstand
auszurufen. Sie zählten uns eine Reihe von Gründen auf. So wurden
unter anderem das 75. Gründungsjahr der türkischen Republik,
der Amtsantritt des neuen Generalstabschefs, der Anti-Kriegstag am 1. September,
die erdrückenden Probleme des Staates und die Zerstörungen in
den Jahren 1993 bis 1996 sowie die Notwendigkeit der Neugestaltung des
Staates genannt. Dazu wurde versprochen, im Falle einer positiven Antwort
der PKK mit der praktischen Umsetzung beginnen zu wollen. Offen gesagt,
wir haben ihnen das geglaubt, wenn wir auch aus unserer leidvollen Geschichte
heraus natürlich nicht alles glauben können. Mit einer gewissen
Skepsis habe ich gesagt: „Gut, wenn es so ist, werden wir am 1. September
einen einseitigen Waffenstillstand erklären, um zu vermeiden, daß
auch nur ein einziger Tropfen Blut zu viel vergossen wird.“ So haben wir
diesen einseitigen Waffenstillstand ausgerufen. Wer genau hinsieht, stellt
fest, daß wir während des Waffenstillstandes keine einzige Aktion
durchgeführt haben. Aber wir sahen, daß eine militärische
Operation nach der anderen gestartet wurde - allesamt systematische und
überdimensionierte Würgeoperationen. So haben wir, wie in unserer
Kriegsbilanz steht, im September 62 Gefallene zu beklagen. Das hat sich
im Oktober weiter fortgesetzt.
Um die derzeitige Geheimoperation verständlicher zu machen, weise ich darauf hin, daß wir nach einiger Zeit gefragt haben, wann denn die Antwort kommen wird, da die Frist verstrichen war. Sie hatten vorab mitgeteilt, uns bis Ende September eine eindeutige Antwort zukommen zu lassen, aber sie ist nicht gekommen. Warum? Wir wurden aufgefordert, noch ein bißchen zu warten. Wir haben gewartet. Zuletzt hieß es, die Antwort würde in der zweiten Oktoberwoche kommen.
Dieser zweiten Oktoberwoche kommt eine große Bedeutung zu. Sowohl die Äußerungen Demirels am 1. Oktober als auch die Erklärungen der Generäle haben unser Mißtrauen genährt. Das war kein normales, sondern ein interessantes Datum. Und die Kriegsmaschinerie setzte eine unglaubliche Kriegswelle in Gang. Es war eine eindeutige Entscheidung für den Krieg. Ich glaube, die Öffentlichkeit weiß, wie die Entscheidung zum Krieg vorbereitet wurde. Demirels Aussage, ‘Wir werden sie unter Trümmern begraben!’, ist nicht beliebig und mehr als eine Drohung. Er wollte damit die Öffentlichkeit auf den Krieg einstimmen, dessen Vorbereitungen bereits abgeschlossen waren. Immer mehr sprangen auf das Kriegskarussel, und es drehte sich immer schneller. Recai Kutan ist derzeit Vorsitzender der islamischen Tugend-Partei (Fazilet Partisi). Erbakan, sein Vorgänger als Vorsitzender der inzwischen verbotenen REFAH-Partei, war Syrien nicht feindlich gesinnt. Wir wissen, daß er persönlich ein Schreiben vorbereitet hatte, in dem er Syrien um Vermittlung zwischen uns und der Türkei bitten wollte. Die REFAH hatte als Partei Vertrauen und gute Beziehungen zu Syrien. Und wir wissen: REFAH wurde aus dem Weg geräumt. Er hatte gesagt, die Konfession der Aleviten sei eine der perversesten Konfessionen. Es ist offensichtlich, daß diesem Mann diese Aussage befohlen wurde. Denn eine solche Aussage, alle Aleviten als Perverse zu beschimpfen, kommt für eine politische Partei einem Selbstmord gleich. Ein Parteivorsitzender, zumal einer religiösen Partei, kann niemals freiwillig so etwas sagen. Aber hier steht der Krieg auf der Tagesordnung. Und eines der Hauptziele dieses Krieges ist, die syrische Führung und ihr Regime zu beseitigen. Recai Kutan hatte noch etwas gesagt: „Diese syrische Führung repräsentiert nur Aleviten, also nur 10% der Bevölkerung. Der Rest, also 90%, sind Sunniten. Es gab dort Aufstände. Diese werden wiederkommen, die anderen gehen.“ Dies so auszusprechen war ihm befohlen worden, und er hatte dem Folge geleistet.
Das war ein Signal. Daraufhin weitete sich die Propaganda schlagartig aus. Dann brach eine ja nicht unbegründete Aufregung aus. Plötzlich sah sich Syrien einem unerwarteten Krieg gegenüber. Das ist, von der Presse weltweit so berichtet worden. Mesut Yilmaz sprach davon ihnen die Augen herauszureißen.
Die internationale Dimension des Komplottes
An dieser Stelle möchte ich etwas ausholen, um die internationale
Dimension dieses Sachverhaltes näher zu erläutern.
Das Duo Yilmaz/Netanyahu tritt auf die Bühne der Weltpolitik.
In Israel wird Rabin ermordet, der bekanntermaßen ernsthaft den Kriegszustand
zwischen den arabischen Staaten und Israel beenden und eine Friedensphase
eröffnen wollte. Rabin hatte immer wieder betont: „Nur wahre Krieger
können Frieden schließen.“ Und bei genauerem Hinsehen war Rabin
tatsächlich an vorderster Stelle im Krieg gegen die Araber zu sehen
gewesen. Den Mord an Rabin darf man nicht einfach übergehen. Er weist
Parallelen dem Mord an Özal in der Türkei auf. So wie durch diesen
der kurdisch-türkische Frieden vereitelt wurde, wurde durch den Mord
an Rabin der israelisch-arabisch-palästinensische Frieden gestoppt.
Der Mord an Rabin ist der erste Mord dieser Dimension in Israel. Rabins
Ziel war es, einen umfassenden Frieden im Nahen Osten zu verwirklichen
und dort eine neue politische Phase zu beginnen. Auch Özal wäre
in der Lage gewesen, im kurdisch-türkischen Konflikt einen ernsthaften
Versuch in Richtung Frieden zu unternehmen. Vielleicht wollte er ja tatsächlich
die tausendjährigen Beziehungen, die zum Nachteil der Kurden sind,
ja sogar die Existenz der kurdischen Identität bedrohen, korrigieren
und durch Frieden ersetzen. Es gibt keinen Zweifel daran, daß er
deswegen ermordet wurde. Wer hat seinen Platz eingenommen? Mesut Yilmaz
von der ANAP. Wer kam in Israel? Netanyahu. Beide sind erzkonservativ.
Wie bekannt, spielte sich auch noch etwas anderes ab. Clinton wollte Netanyahu
und Arafat mit Nachdruck, wie auch in diesen Tagen geschehen, zu einer
Lösung bewegen. „Ihr müßt Frieden schließen“, sagte
er. Trotz dieser Aufforderung gab es keine Begegnung zwischen Arafat und
Netanyahu. Dann platzte die Lewinsky-Affäre. Bitte achten Sie genau
darauf: Einen Tag nach der nachdrücklichen Aufforderung, dem Friedensaufruf
endlich Folge zu leisten, wurde die Lewinsky-Affäre in die Öffentlichkeit
gebracht.
Heute treffen sie sich, aber Arafat bekommt keinen Ton heraus und Clinton
hat keinen Boden mehr unter den Füßen. Ich sage dies aus folgendem
Grund: Diese beiden Männer stützen sich nicht umsonst auf einen
Krieg im Mittleren Osten. Sie haben Macht. Sie, die so viel Macht besitzen,
um einem amerikanischen Präsidenten den Teppich unter den Füßen
wegzuziehen, die wieder einen Staatspräsidenten ermordeten, sind stark.
Dies muß man akzeptieren. Ebenso, wie diejenigen, die Palme ermordet
haben, mächtig sind.
(…)
Am 7./8./9. Oktober haben es die Zeitungen berichtet. Bis dahin hatte
es keine NATO-Manöver in Iskenderun gegeben. Es wird davon gesprochen,
daß beim derzeitigen Manöver - das 22 Tage andauern soll - riesige
Schiffe und Waffen neuesten technologischen Standards benutzt würden.
Aber in der NATO-Planung existiert ein solches Manöver nicht. Ich
vermute, daß viele der Raketen großer Reichweite von den Schiffen
abgeladen und an den nächstgelegenen Orten stationiert wurden. Es
wurde noch von einem weiteren sogenannten Manöver der Türkei
gesprochen. Dies sind die sich immer schneller vollziehenden Entwicklungen
des Monats Oktober. Wir haben NATO-Experten gefragt: Dies sei kein Manöver,
sondern eine Munitionslagerung; indirekt haben dies auch die Zeitungen
geschrieben. Jetzt sind die riesigen, umfangreichen Munitionsbestände,
die von den Schiffen abzufeuernden Raketen, bereit.
Die Zeitungen schrieben weiter, daß am 7./8. Oktober auf dem
Flughafen Incirlik viele mit Raketen beladene Langstreckenflugzeuge landeten.
Die Truppen sind in Bewegung, die Raketen stationiert, die Drohungen
der türkischen Verantwortlichen ausgesprochen - nun ist alles bereit.
Seit zwei Jahren wird von einem israelisch-türkischen Abkommen gesprochen. Man beachte, daß dieses Abkommen nach der Ermordung Rabins entstanden ist. In der Türkei wurde dieses Abkommen in der Zeit, in der die letzten Krisenregierungen und Krisenleitungen an der Macht waren, verwirklicht. Es sieht doch so aus: Ein Mann wie Clinton wurde Einflußlos gemacht; ein Mensch wie Rabin wurde ermordet. Nachdem diese wirkungslos gemacht wurden, kam die Geheimorganisation der NATO, Gladio, wieder unter Kontrolle. Daran kann es keinen Zweifel geben. Betrachten wir die speziell in der Türkei plötzlich zu Tage getretene Stimmung vom 28. Februar 1997 (14) . Seit `91 hat der Generalstab Schritt für Schritt alles beherrscht. Er hat keine einzige zivile Institution übrig gelassen, in die er nicht eingedrungen wäre, die er nicht seiner Kontrolle unterzog. Er hat sogar Sport- und Kulturvereinigungen unterwandert, um die absolute Kontrolle zu übernehmen. Wozu aber diese umfassende Kontrolle? Um in einer kritischen Zeit wie dieser große Entscheidungen zu fällen. Wenn selbst in einer Gesellschaft wie der israelischen die Friedensbefürworter zum Schweigen gebracht wurden, dann kann alles gemacht werden. Wir wissen, daß Clinton den Krieg wirklich nicht besonders befürwortet. Aber er wurde wirkungslos gemacht.
Die Streiche Mesut Yilmaz’ gegenüber seiner eigenen Partei und dem eigenen Generalsekretär sind offenkundig. Die erwähnten reaktionären Kreise in der Türkei und Israel haben ein Bündnis geschlossen. Dieses Bündnis drückt im Mittleren Osten über ein normales Bündnis hinaus die Bemühung aus, mittels der Eroberung des Staates durch zwei faschistische Organisationen, im eigenen Land jegliche Demokratie und alle zivilen Institutionen unterdrückend, insgeheim nach und nach den Völkern des Mittleren Ostens ein vorbereitetes Machtverhältnis aufzuzwingen.
Aus diesem Anlaß sage ich es auch speziell der israelischen Öffentlichkeit:
Wir wissen, daß dort eine friedensbefürwortende Strömung
existiert, aber sie wurde wirkungslos gemacht.
Zusammengefaßt stehen auf der einen Seite Israel und die Türkei,
die ein erzreaktionäres Machtzentrum bilden, auf der anderen Seite
ein geschwächter Clinton und ein schwaches Europa, Iran wird zur Zeit
mit Afghanistan beschäftigt, die NATO und vor allem die europäischen
Staaten, sind speziell mit der Kosovo-Frage beschäftigt damit sind
die Rahmenbedingungen dieses Krieges beschrieben.
Etwas, das bis zu unserem Aufbruch aus Ankara in den 70er Jahren zurückreicht, ist besonders interessant: Es existiert eine Tradition zu versuchen, uns mit Hilfe von Komplotten zu liquidieren. Zufällig haben sie bis zum heutigen Tage keine große Wirkung gezeigt. Ich denke, daß wir das mit ein wenig Glück und Umsicht überwunden haben.
Warum wurde MED-TV gestört?
Warum wurde MED-TV am Freitag (9. Oktober, A.d.Ü.) gestört?
Warum heute? Wir haben uns daran gewöhnt, daß die türkische
Republik andauernd solche Störaktionen unternimmt. Nein, sie macht
es nicht immer. Warum es speziell heute geschah, hat einen sehr bedeutenden
Grund.
Heute haben wir uns eigentlich in Luft aufgelöst. Meines Erachtens, und dies wird in der Zukunft sicherlich noch klarer werden, war es für sie erforderlich festzustellen, zu welcher Zeit sich meine Person an welchem Ort befindet, damit dieser Krieg beginnen kann, damit die erwähnten Raketen, die Langstreckenflugzeuge, die Schiffe und die an die Grenze des Mittelmeeres gerückten mit Raketen bestückten Schiffe, damit alle losschlagen können. Wenn man es genau betrachtet, dann wurde außer „Apo“ nichts gesagt. Die Zeitungen verkündeten „Apo oder Krieg“, und hatten eigentlich auch recht. Alles hatte sich an meiner Person festgemacht. Der Krieg wird beginnen, aber wo ist dieser Mann? Die Syrer sagen überrascht, nicht zu wissen, wo ich bin, und verlangen Zeit. Die Türkei verlangt dennoch meine Auslieferung und gewährt keine Zeit. Der Nullpunkt ist erreicht, es wird unerträglich. Der Kriegsentschluß steht fest, aber für seine Umsetzung ist die Kenntnis meines Aufenthaltsortes sehr wichtig.
Wir haben wieder einige Informationen erhalten. Von denen, die wie ‘96
hinter uns her waren, also von den Personen, die sich mit Bomben beschäftigen,
die nun gezündet werden, sind auch einige gefaßt worden. Sie
sagen, daß es ihrer Meinung nach in diesen Tagen Bombardierungen
geben müßte. Das sagen ihre eigenen Agenten. Der Termin ist
nahezu gleich, die Bombardierungen sollten am 9. Oktober stattfinden. Aber
dafür brauchen sie ein Ziel und eine Zeit. Denn Ihr wißt, genauso
wie es im Sudan geschehen ist, die Raketen sind computergesteuert, Ort
und Zeit müssen einprogrammiert werden.
(…)
Doch so wie wir uns zu einem anderen Zeitpunkt als erwartet bewegten, so war auch der Ort für sie überraschend. Deswegen ist ihr Attentatsplan gescheitert. Dies kann ich ganz klar sagen: Wenn wir uns ihren Erwartungen entsprechend bewegt hätten, hätten sie uns und den Platz in Syrien, den sie kennen, mit allen möglichen Raketen bombardiert.
Warum plötzlich Störaktionen gegen MED-TV? Auch das ist ein
Teil des Planes. Wenn der Sender in Betrieb gewesen wäre, hätten
wir gesprochen. An diesem Abend oder sagen wir, nachdem das geplante Attentat
verübt worden wäre, hätten sie MED-TV nicht senden lassen.
Das ist der Kern der Sache. Nachdem diese große Operation begonnen
hätte, wäre nicht viel, was mit den Kurden zu tun hat, übriggeblieben.
Wahrscheinlich hätten sie dann Propaganda gemacht. Achten Sie darauf,
dies ist ein sehr wichtiger Aspekt. Jetzt wird MED-TV kämpfen, gegen
den Krieg protestieren, vielleicht wird es auch an vorderster Stelle protestieren.
Deshalb muß dieses Oppositionsorgan zum Schweigen gebracht werden.
So einfach ist das. Dies allein ist ein Grund. Warum an keinem anderen
Tag als dem Abend des 9. Oktober? Wenn wir das auf mich beziehen, dann
ist es offensichtlich. Sie haben sich verraten. Ich erinnere an den Verlauf
des Komplotts von Mesut Yilmaz vom 6. Mai 1996 (15)
. Es heißt, der Generalstab, Demirel und Mesut Yilmaz befanden sich
in Cankaya (16) auf einer Versammlung. Mesut Yilmaz
verkündete damals; daß der 6. Mai abgewartet werden solle da
er dann sehr wichtige Erklärungen abgeben würde. An dem Abend,
als er die Erklärung abgeben wollte, gingen zuerst Meldungen wie „Apo
ist weg“ usw. an die Nachrichten. Später sagte er, es sei nicht gelungen,
und brach die Pressekonferenz ab.
Ich hatte dazu nichts gesagt, weil das Komplott fehlschlug. Auch jetzt
hat sich nichts geändert.
(…)
Was wird aus dem Nahen Osten?
In diesem Zeitraum (Anfang Oktober, A.d.Ü.) wurden 10.000 Soldaten
zusätzlich nach Südkurdistan geschickt, was ja auch im Voraus
geplant war. Dann wurde die KDP (17) eingeschaltet.
Noch gestern sah man, wozu sie fähig sind: Die Exekution von 18 in
die Enge getriebenen jungen Frauen war ebenso ein Teil des Plans. Sie haben
augenscheinlich ihre Vorbereitungen getroffen, den Krieg schrittweise auszuweiten.
Das Konzept ist sehr umfangreich. Die Anhänger von Barzani sind darin
nicht enthalten. Der Vertrag von Washington zwischen KDP und PUK
(18) ist lediglich ein weiteres Manöver, um die Kurden irrezuführen.
Eigentlich kann nicht von einem fundierten Vertrag gesprochen werden, sondern
lediglich von einem Täuschungsmanöver gegen einen vereinten Widerstand
und einer breiten Front in Kurdistan. Man sagt ihnen, daß sie nicht
weggehen sollen, und sie warten. Eines ist beachtenswert: Mesut Barzani
verkündete, er würde am 20. September zurückkehren. Aber
das tat er nicht. Er befindet sich noch immer außerhalb Kurdistans.
Seine Berater sagen ihm, daß er erst nach Apos Exekution und der
Okkupation von Syrien und vielleicht auch anderer Gebiete, die sowieso
ihnen gehören werden, freien Zugang haben wird. Konsequenz dieses
Plans wäre, daß der ganze Nahe Osten besetzt wird.
Aber was geschieht danach? Ich möchte nicht zu weit ausholen. Den Nahen Osten wollte man wirklich besetzen, diese Kraft haben sie auch. Noch einmal möchte ich betonen: den Taliban in Afghanistan wurde nicht umsonst der Weg freigeräumt. Andere arabische Länder, die Widerstand leisten könnten, gibt es nicht. Wie weit wären sie gegangen? Ziehen wir außerdem noch einmal das strategische Bündnis in Betracht: Ein ökonomisches, militärisches, politisches und von Netanjahu vor ein paar Tagen formuliertes, den ganzen Nahen Osten betreffendes Bündnis führt zu einem viel größeren Krieg als dem Golfkrieg, umfangreicher als der gegen Saddam vorangetriebene Krieg und die Invasion im Südlibanon 1982. Nun, diese Geschehnisse sind nicht von gewöhnlicher Natur. Der Plan, mit dem sie jetzt auf uns zielen, ist viel umfangreicher als alle vorherigen. Denn wenn wir uns das Ergebnis dieser Kriege vor Augen halten, sind einerseits Libanon und Irak Schritt für Schritt in die Knie gezwungen worden. Andererseits wäre mit Syrien der gesamte Nahen Osten bezwungen.
Können nun die, die übrigbleiben, Herrscher sein? Faschistisch,
verrückt, voller ‘Hitler-Verrücktheit’. Hier und da hatte dieser
Eroberungen gemacht, die Welt in Blut getränkt. Wie weit war er gekommen?
Genau so wird es jetzt auch sein.
(…)
Sie sind zu allem fähig. Können sie es schaffen? Eines steht
nun fest: sie haben es nicht ganz geschafft. Damit ihre Pläne fehlschlagen,
kann ich natürlich vorerst unserem Volk nur eins empfehlen: Ich leiste
Widerstand; leistet auch Ihr Widerstand! Ich bin bewußt und wach;
seid auch Ihr bewußt und wach.
(…)
Sie wissen: Das Verbot von Presse und Rundfunk ist eine Maßnahme
in kritischen Situationen. Ich möchte natürlich damit nicht sagen,
daß wir den Feind und den Faschismus überschätzen sollen,
aber es gibt im Nahen Osten eine ernsthafte, bedeutende faschistische Entwicklung,
so ernsthaft wie vor dem ersten und dem zweiten Weltkrieg. Und der Feind
droht damit, uns die Welt zur Hölle zu machen wobei sie niemand aufhalten
könne. Die Zeitungen sind voll solcher Erklärungen. Das meinen
sie auch ernst, sie stehen der Welt gegenüber, und sie besitzen auch
Macht. Sie haben geheime Kräfte. Sie haben den NATO-Mechanismus in
der Hand, der nicht unterschätzt werden darf. Dieser regiert die Türkei
seit den 80er Jahren. Er ist heute im Kosovo weitgehend nach ihren Wünschen
erprobt. Heute ist er schon in Iskenderun, dieser Tatsache sollte Beachtung
geschenkt werden, denn von diesem Stützpunkt aus wollen sie Schritt
für Schritt den Nahen Osten unter ihre Kontrolle bringen. (...)
Diese Drohung betrifft nicht nur meine Person (…). Wir haben den Wunsch nach ein bißchen Frieden geäußert, Krieg ist die Antwort. Wir verlangen begrenzte Rechte, das wird nicht einmal verbal beachtet. Wir müßten alle auf unsere Identität als Kurden verzichten, damit das Ganze sich ändert. Zum 75. Jahrestag der türkischen Republik möchten sie uns Kurden ausrotten, ebenso wie einst die Armenier, Griechen, Assyrer, Soranis.
Unter diesen Umständen frage ich Euch: Wie wichtig sind denn die
Unterschiede zwischen den Parteien? Vorsicht, es ist einen Angriff auf
das kurdische Volk insgesamt. Ein Angriff, der in keiner Weise Regeln beachtet.
Die Gefahr existiert natürlich nicht nur für Kurden, die anderen
Völker in dieser Region sind ebenso gefährdet, zugleich aber
auch die fortschrittliche Menschheit. Nach Möglichkeit sollten vernünftige
Länder und Regierungen sich stärker solidarisieren.
(…)
Die Völker der Region müssen sich gegen die reaktionären
Bündnisse stellen
Bei dieser Gelegenheit möchte ich an die Völker Kurdistans
und besonders an die Völker des Nahen Ostens, die der von ihnen erwarteten
Solidarität nicht fähig waren und sind, an die fortschrittlichen
Kräfte und sogar an die Regierungen im Nahen Osten appellieren, ihre
Einstellung zu diesem Thema nochmals zu überdenken und über meine
Darstellung nachzudenken. Vor allem Israel betreffend möchte ich einiges
sagen. Ich bin mir dessen bewußt, daß es in Israel eine große
Friedensbewegung gibt. Die wahren, eigentlichen Vertreterinnen und Vertreter
dieser Friedensbewegung sollten dieser Verrücktheit von Netanyahu
ein Ende setzen. Sie ist nämlich gar nicht im Interesse des israelischen
Volkes, ebensowenig die Unterstützung von Israels wahnsinniger, unermeßlich
unmenschlicher Türkeipolitik.
Ebenso möchte ich an die Anhänger von Rabin und die Angehörigen seiner Partei appellieren: Ich möchte betonen, welches Ausmaß die Unterstützung ihrer Regierung für die türkische Regierung gegen die Kurden hat und bitte Sie, sich über diese Sache bewußt zu werden und diesen Wahnsinn zu verhindern. In Zukunft, wenn Sie den Haß der Kurden nicht auf sich ziehen möchten, sollten Sie dieser faschistischen Regierung ein Ende setzen. Die Regierung handelt geheim, sie gibt an, mit der augenblicklichen Eskalation nichts zu tun zu haben, aber sie unterstützt die türkische Regierung mit ganzer Kraft. Im Falle eines Massakers am kurdischen Volk zählt die Regierung von Netanyahu mit zu den Verantwortlichen. Ich bin der Meinung, daß das israelische Volk in Zukunft diese Regierung unter allen Umständen zur Rechenschaft ziehen muß; vor allem aber sollten dies die Anhänger der Friedensbewegung des israelischen Volkes tun.
Aber auch die Völker der Nachbarländer, obwohl sie aktuell nicht bedroht werden, vom Iran bis zu allen arabischen Ländern, sollten diesen Ereignissen nicht schweigend zusehen. Wenn Syrien besetzt wäre, gäbe es dann hier noch irgendein arabisches Land? Deshalb müßten die ehrlichen arabischen Völker sich der Umstände bewußt werden und die Kurdenpolitik ernsthaft überdenken. Es hilft also nichts, Euch eurer Verpflichtung mit Demagogie über Terror oder Ähnlichem zu entziehen. Ihr müßt begreifen, von wem eigentlich der wirkliche Terror ausgeht, und dessen bewußt solltet Ihr eine vernünftige Haltung einnehmen. Das verlange ich ebenso vom Iran. Es gibt überhaupt keinen Grund für Euch, diesen Ereignissen weiterhin ruhig zuzuschauen und Eure Einstellung dazu nicht zu ändern, zumal keineswegs nur wir in diesem Zustand leben. Und künftig warne ich davor, sich der türkischen Politik anzunähern und sie zu unterstützen. Wenn diese Operation vollzogen worden wäre, könnte vom Fortbestand des Iran wohl auch keine Rede mehr sein. Angesichts der Tatsachen möchte ich hier ausdrücklich betonen, daß der Iran eine vernünftige Haltung besonders gegenüber dem kurdischen Volk und den Völkern des Nahen Ostens einnehmen muß. Darüber sollten sie sich Gedanken machen. Wenn sie nicht dieser Meinung sind, sollten sie ihre Position offenlegen. Ansonsten ist mit geheimen politischen Intrigen kein Erfolg zu erzielen, dies bringt auch dem Islam und der übrigen Menschheit keine Vorteile.
Nun möchte ich an die Völker der Türkei appellieren: Was ist das für ein Volk, mit solchen Gangsterbanden, Politikern, Generälen? Was machen sie? Was hat das türkische Volk davon, unter der Führung von Leuten, deren Hände beschmutzt sind, in einem faschistischen Akt die Völker des Nahen Ostens anzugreifen und zu bedrohen? Werden denn dadurch nicht große Verluste erzielt? Wie lange wollt Ihr denn diesem faschistischen Treiben noch stillschweigend zusehen und an ihm teilhaben? Wann wollt Ihr denn die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen? Ihr werdet sonst die Verlierer, Ihr fügt Euch selbst schwere Schäden zu. Was aus den Völkern der Türkei geworden ist, das seht und wißt Ihr ganz genau. Ich appelliere an die türkischen Intellektuellen: Wieso begreift Ihr die Wahrheit nicht umfassend? Wieso dient Ihr als Werkzeug für diesen kriegerischen Wahnsinn? Was werdet Ihr zu sagen haben, wenn eines Tages die antifaschistischen, revolutionären Kräfte siegen werden? Hier möchte ich auch an die Regierenden der Türkei eine Frage stellen: Angenommen, wir sind Terroristen, vor allem aber, wenn ich ein Terrorist bin, weshalb wird den Kurden nicht einmal ein Bruchteil ihrer Rechte zugestanden? Im Interesse der Republik möchtet Ihr uns vernichten. Einige wie Deniz Baykal drohen dauernd im Namen der Sozialdemokratie, daß der `Kopf zu zerquetschen‘ sei. Ecevit behauptet von sich sogar, daß er darin der Meister sei.
Was ist das für ein Wahnsinn, nur zum Andenken der Republik die Kurden zu mißbrauchen, zu massakrieren und zu vernichten? Hat es denn immer noch nicht gereicht? Werdet Ihr denn diesen über den Faschismus hinausgehenden Vernichtungsprozeß nicht aufhalten? Nun ja, was ist mit den anderen Parteien, die sich die verrückte Frage stellen, wie sie am Krieg teilhaben und ihn vorantreiben können? Die REFAH- und Fazilet-Partei: Wo ist Eure Treue zum Islam, wie könnt Ihr im Namen des Islam erklären, den Krieg auf alle Fälle zu unterstützen? Wo ist da der Islam? Wißt Ihr denn nicht, daß diese Koalition von Mesut und Netanjahu ein Bündnis gegen den Islam ist? Das wißt Ihr genau, aber weshalb versprecht Ihr Eure bedingungslose Unterstützung? Folgt denn daraus nicht, daß Ihr separatistische Chauvinisten und ultra-türkische Nationalisten seid? Wo bleibt Euer Glaube an den Islam? Fielen denn heute nicht Eure Masken? Woher nehmt Ihr Euch das Recht, ein islamisches Land zu vernichten, im Namen des Islam? Eure Haltung könnte zum Anlaß werden, daß sich die Menschen über Euch und die Realität bewußt werden. Dies hoffe ich, und dies ist sogar ein Anlaß, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten.
Wer ist für Frieden, und wer ist Terrorist?
Ich appelliere auch an die USA. Hin und wieder erklären sie, daß
die PKK eine terroristische Organisation sei, daß sich in Syrien
Terroristen aufhielten. Nein, in Syrien gibt es keinen Terrorismus. Nun
gut, sind denn Eure ungeheuerlichen Raketen keine terroristischen Raketen?
Die auf Euren gewaltigen Kriegsschiffen vorhandenen Waffen, sind die nicht
ungeheuerlich einer Person gegenüber? Angenommen, ich sei erledigt,
was wollt Ihr dann den Kurden zugestehen? Angenommen, die ganze Macht läge
in Euren Händen, wollt Ihr dann den Kurden einige Friedensrechte,
ein paar demokratische Rechte zugestehen? Dort ist Euer Partner, ich gebe
mein Wort: Trefft die Vorbereitungen für eine politische Lösung,
ich werde keine Ansprüche daran stellen. Aber nein, Ihr werdet nichts
zugestehen. Ihr sagt lieber, daß Ihr sie ausgerottet habt. Nichtsdestotrotz,
auch wenn ich der Einzige bleibe, werde ich diesen Krieg voranbringen.
Gibt es eine andere Lösung? Habt Ihr denn überhaupt eine Gemeinsamkeit
mit der Menschheit? Seid Ihr denn auch nur an einem winzigen Stück
Frieden, einem kleinen bißchen Demokratie interessiert? Schaut euch
diesen verrückten Plan an. Sind denn wirklich so viele Waffen nur
für eine Person nötig? Mit einem Agenten, mit einer Pistole wäre
dies zu erledigen.
(…)
Weshalb werden so viele Waffen eingesetzt? So eine riesige Armee wird nicht allein gegen eine Person mobilisiert, sondern gegen Völker, gegen fortschrittliche Menschen. Diese sollen zum Schweigen gebracht werden. Ich werde natürlich meinen Beitrag dagegen leisten. Die Wahrheit liegt auf der Hand. Ich werde alle dazu aufrufen, zunächst diese Wahrheit intensiv nachzuvollziehen, und möglichst Bedingungen gegen diese Ungerechtigkeit, gegen diese Tyrannei zu schaffen.
Nun gibt es die Problematik des Friedens, auf die ich jetzt noch einmal eingehen will, damit Ihr Euren Standpunkt kennenlernt. Semdin Sakik sagt: ‘Ich habe gestern einen Friedensaufruf gemacht.’ Das ist ein Aufruf des Generalstabs. Jeder sollte wissen, welchen Frieden er will. Auch Rabin wollte Frieden schließen, aber man hat ihn getötet. Özal wollte ebenfalls Frieden schließen, auch er wurde umgebracht. Wollt Ihr dies immer noch nicht einsehen? Was für ein Frieden? Wer torpediert diesen Frieden? Wer bringt seine engsten Verwandten, die wichtigsten Personen des Staates um? Haben diese denn Frieden geschlossen? Anstatt mich nach dem Frieden zu fragen, sollte man sich fragen, ob überhaupt jemand dem Frieden eine Chance gibt.
Auch die Kurden müssen vorsichtig sein. (…) Aus der kurdischen
Geschichte ist bekannt: Seyit Riza luden sie ein, um mit ihm Frieden zu
schließen. Sie erhängten ihn. Das gleiche machten sie mit Scheich
Said. Auch mit mir hatten sie es vor. Ich sollte ihnen glauben, daß
sie mir angeblich mein Leben schenken würden, und mit ihnen Frieden
schließen. Sie können gar nicht so handeln. Es sind zu viele
Faschisten, Tyrannen am Werk. Ob ich einen Friedensaufruf mache oder nicht,
ändert daran nichts. Das möchte ich ausdrücklich betonen.
Es bedeutet nicht viel, ob ich den Frieden will oder nicht. Einmal abgesehen
vom Frieden: es gibt Pläne zur Verwirklichung eines Massakers an unserem
Volk und der Entehrung und Entwürdigung der Völker. Die Frage
ist nun, ob wir diesen Plan aufhalten können. Wir werden es versuchen.
Wir werden alles daran setzen. Dies ist zur Zeit meine Hauptaufgabe. Als
ich im Flugzeug saß, dachte ich daran, wie gut es wäre, wenn
unser Volk etwas mehr Macht hätte, wenn es einen Intellektuellen geben
würde, der diese Manöver durchschauen könnte, sich dazu
äußern und sich schützen könnte. Das ist mein Problem.
Man kann dieses seinem Herzen niemals abtrotzen. Wie kann man diese Ungerechtigkeit
über sich ergehen lassen? Wie soll das Bewußtsein das jemals
akzeptieren? Ist es möglich, in diesem Falle noch zu essen, zu trinken
und zu schlafen? Dieser großen Ungerechtigkeit muß Einhalt
geboten werden. Was können wir also tun? Wir haben einige Möglichkeiten.
Ich werde versuchen, meine Aufgaben noch besser zu erledigen, besser, tiefer
nachzudenken, um bessere Pläne zu entwickeln. In diesem Punkt möchte
ich betonen, daß ich dies alles nicht für mich mache, sondern
für unser Volk. Und wenn ihnen etwas an unserem Leben liegt, dann
sollen sie diese Möglichkeit nutzen, sich zu stärken. Es ist
nötig, daß sie sich besser organisieren, alles geradezu in einer
Kampagnenstimmung durchführen. Sie müssen wenigstens diese Lebensgefahr
selbst überwinden. Ich habe auch daran gearbeitet, aber die Gefahren
gegen mich sind viel konkreter. Ich werde auch weiterhin alles in meiner
Macht stehende tun, aber entscheidend ist, daß das Volk sich selbst,
seine Verteidigungskraft und seine Widerstandskraft zeigt.
(…)
Die Guerilla ist in einer intensiven Vorbereitungs- und Erneuerungsphase.
Dies wird auch mit einem großen Elan weitergeführt, so daß
die Guerilla eine entscheidende Rolle spielen wird. Bezüglich unserer
Volksfront ist zu sagen, daß in Europa eine Unterstützungskampagne
durchgeführt wird. Diese kann verdoppelt oder verdreifacht werden.
Wir werden dies zur Vereitelung der Massaker einsetzen. Es ist nicht nur
eine finanzielle Kampagne, sondern auch eine auf der Ebene der Organisierung.
Nutzt diese Kampagne, um alle Kräfte und Beziehungen, die wir haben,
zu bündeln.
(…)
Europa, vor allem Deutschland, trägt eine hohe Verantwortung
Zum Europaparlament ist Folgendes zu sagen: Sie müssen zu ihrer
Entscheidung stehen. Ich glaube nicht, daß alle europäischen
Staaten bewußt diese NATO-Einsatzkommandos und insbesondere die Pläne
der türkischen und israelischen Regierungen unterstützen. Ich
möchte vor allem von den europäischen Demokraten, daß sie
diese Staaten auffordern, diesem Treiben ein Ende zu setzen. Im Besonderen
fordere ich dies von der neuen deutschen Bundesregierung. Die Rolle Deutschlands
während der 16jährigen Regierung Kohl in diesem schmutzigen Krieg
war nicht unerheblich. Diese neue Regierung soll das sehen und ich appelliere
an sie, unverzüglich ihre Unterstützung für diesen Spezialkrieg
der Türkei zurückzuziehen.
Sie sollte auch einige Tatsachen, die von der alten Regierung verschwiegen
wurden, an die Öffentlichkeit bringen.
Vor allem die gegen die PKK geschmiedeten gemeinen und schmutzigen
Intrigen, die zwischen Mustafa Kalemli, dem früheren Innenminister
der Türkei, und dem deutschen Innenminister getroffene Vereinbarung
sollen öffentlich gemacht werden. Die neue Regierung sollte genau
untersuchen, wie ein Vernichtungskrieg gegen ein Volk Schritt für
Schritt geplant wurde und dementsprechend eine klare Position beziehen.
Auch in Schweden formiert sich eine neue Regierung. Auch hier betone ich
ausdrücklich, daß sie ihre Haltung gegenüber den Kurden
und insbesondere gegenüber der PKK seit der Ermordung von Palme überdenken
müssen, und daß es notwendig ist, der Situation entsprechend
Antworten zu formulieren. Auch der britischen Regierung ist zu sagen, daß
es notwendig ist, die demokratischen Entwicklungen, die sie Irland und
Schottland zugestanden haben, auch für die Türkei denkbar zu
machen. Diese Regierungen sind aufgerufen zu handeln. Auch wenn sie nicht
gewillt sind, diesen so geheim geführten Spezialkrieg zu stoppen,
so müßte es doch möglich sein, ihn wenigstens in diesen
kritischen Tagen nicht dadurch zu unterstützen, daß man der
ökonomischen Erpressungspolitik, der wirtschaftlichen Kosten/Nutzen-Politik
nachgibt. Und wenn Sie in diesem Kontext verstehen wollen, wer demokratischer
ist, wer auf der Seite des Friedens steht, muß mit uns ein Dialog
aufgenommen werden.
Anstatt der PKK immer wieder Vorwürfe zu machen und sie zu verbieten,
sollten sie sowohl uns als auch die Türkei anhören, um zu erkennen
wer in Recht oder Unrecht ist, wer für und wer gegen den Frieden ist,
damit die Weltöffentlichkeit darüber gerecht urteilen kann. Wir
dürfen nicht vergessen, daß auch die Interessen Europas ebenfalls
darunter zu leiden haben, wenn dieser Wahnsinn verwirklicht würde.
Es ist offensichtlich, daß viele Völker Nachteile davon tragen
würden. Jeder sollte diesbezüglich mit gesundem Menschenverstand
nachdenken. Ich hoffe, daß so, wie die fortschrittliche Menschheit
bisher den Faschismus niederringen konnte, sie auch diesen faschistischen
Wahnsinn besiegen wird.
(…)
Gemeinsam für den Frieden kämpfen!
Wir hätten uns gewünscht, daß diese Phase im Frieden
geendet hätte. Wir dürfen uns keiner Illusion hingeben. Wie ich
bereits sagte, werden diese Leute, die nicht davor zurückschrecken,
ihre eigenen Präsidenten und Ministerpräsidenten umzubringen,
dem Frieden keine Chance geben. Ich hoffe, daß sich auch in der Türkei
bald etwas verändert. Daß es mehr werden, die für den Frieden
eintreten, so daß wir möglichst bald mit ihnen und einer großen
Friedenskampagne erfolgreich sein können. Unser Volk muß sich
dessen bewußt sein, daß dies nur mit seinem Widerstand zu verwirklichen
ist. Ohne sich zu fürchten, muß es wissen, daß es dem
Erfolg noch nie so nah war wie jetzt.
In diesem Sinne möchte ich abschließend sagen: Unsere Geschichte
hat Folgendes gezeigt: Dadurch, daß wir damals Ankara verlassen hatten,
wurden wir zu einer Partei; dadurch, daß wir in den Nahen Osten hinausgegangen
waren, wurden wir zu einer Armee; wenn wir in die Welt hinausgehen, werden
wir zu einem Staat.
Begriffserklärungen: