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Newroz 1999
- Delegationsbüro -
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PRESSEMITTEILUNG NR. 12
(22.03.99, 00.30h) BILANZ: Newroz-Feiern´99 in Türkei und Kurdistan
· Über 8000 Festnahmen, hunderte Verletzte
und unbekannte Anzahl von Toten
Die Befürchtungen eines blutigen Newroz 1999 haben sich bewahrheitet. Der erste Rückblick auf die Ereignisse des Tages offenbart die Politik des türkischen Staates. In allen großen Städten der Türkei und insbesondere in den kurdischen Gebieten kam es zu Angriffen auf die feiernde Zivilbevölkerung. Die Strategie des türkischen Militärs, alle Newroz-Feierlichkeiten zu unterdrücken, ist jedoch nicht aufgegangen. Aus vielen Städten liegen uns Berichte vor, daß sich das Volk gegen die anrückenden Panzer und Militäreinheiten zur Wehr gesetzt hat. Im folgenden geben wir einen unvollständigen Überblick. Die Daten basieren auf telefonischen Berichten der europäischen Menschenrechtsdelegationen und der örtlichen HADEP-Vertreter. In Diyarbakir traf das Militär bei dem Versuch, Feiern in den Straßen aufzulösen, auf entschlossene Gegenwehr der Bevölkerung. Bei den Auseinandersetzungen, die noch immer andauern, gab es etwa 4000 Festnahmen und 100 zum Teil schwer Verletzte. In Batman gab es bis zur Stunde ca. 500 Festnahmen. Darunter befinden sich mindestens 50 Kinder, die sich mit Steinen gegen die anrückenden Panzer zur Wehr setzten. 30 Menschen wurden z.T. schwer verletzt. Seit Freitag Nacht finden in Batman kleinere Newroz-Feiern in Seitenstraßen statt, die vom Militär immer wieder mit brutaler Gewalt auseinandergetrieben werden. Meldungen über Festnahmen von insgesamt ca. 1600 Menschen gab es außerdem aus Van (200), Urfa (300), Gaziantep (1000) und Izmir (100). Die großen Metropolen wie Istanbul und Adana waren Schauplätze von Volksaufständen der dort lebenden kurdischen Bevölkerung und türkischen Opposition. In Adana waren bei verschiedenen Großveranstaltungen mehr als 60.000 Menschen auf den Straßen. Auch hier gingen die Sicherheitskräfte mit äußerster Härte gegen die Feiernden vor und nahmen über 1000 Menschen fest. Die Demonstranten wehrten sich mit Wurfgeschossen und Eisenstangen gegen das angreifende Militär. Ein Kind wurde von einem Panzer überrollt und schwebt in Lebensgefahr. Bei Angriffen von Sicherheitskräften auf Newroz-Feiern in 22 Stadtbezirken Istanbuls gab es schwere Straßenschlachten. Eine niederländische Delegation, die an Newroz-Feiern im Stadtteil Gazi teilnahmen, berichtete: ”Plötzlich fuhren Panzerwagen aufs Feld. Maskierte Spezialeinheiten, bewaffnet mit Maschinenpistolen, stürmten auf die friedlich feiernde Menschen zu und schossen in die Menge. Wir sahen mit eigenen Augen, wie drei Menschen durch Schüsse aus den Maschinengewehren der Sicherheitskräfte schwer verwundet wurden. Es waren Bilder wie im Krieg.” Allein aus HADEP- und IHD-Kreisen wurden im Laufe des Tages 1319 Festnahmen gemeldet. Es liegen unserem Büro bis zum jetzigen Zeitpunkt Angaben über mind. 100 zum Teil schwer Verletzte vor - viele von ihnen mit Schußverletzungen. Menschenrechtsdelegationen vor Ort
Noch immer befindet sich eine Delegation aus Schleswig-Holstein in Haft. Die Delegation mit Teilnehmern aus Kiel und Lübeck, die bereits in der Nacht zum Samstag in ihrem Hotel verhaftet wurde, soll Montag früh dem Haftrichter vorgeführt werden. Die türkische Polzei, die die 9 deutschen Staatsbürger in der “Anti-Terror-Abteilung” festhält, äußerte sich auch dem deutschen Konsulat gegenüber weder über den Grund der Festnahme, noch ließ sie eine direkte konsularische Betreuung zu. Seit mehr als 24 Stunden gibt es keinen Kontakt zu der Gruppe. Die 6köpfige Delegation unter Leitung Steffen Dittes, MdL aus Thüringen ist von Sonntag morgen ab 6.00 Uhr Ortszeit bis 20.00 Uhr von den türkischen Sicherheitskräften in Polizeigewahrsam gewesen. Sie wurde früh morgens aus ihrem Hotel in Nusaybin per Polizeibus auf die Polizeidirektion nach Diyarbakir verschleppt und dort stundenlang verhört. Die letzte Nachricht von der Gruppe erhielten wir gegen 01.20 Uhr (22.03.) Ortszeit. Steffen Dittes berichtete, daß sie nicht wie geplant in Urfa aussteigen sondern gezwungen wurden, weiter Richtung Gaziantep zu fahren. Ihre Namen seien auf Listen an Kontrollpunkten des Militärs vermerkt. Die in Istanbul bei einer Razzia im Mesopotamischen Kulturzentrum festgenommenen Dolmetscherinnen Gülten Sahin (Ettweiler) und Handan Pervasiz (Solingen-Wald), beide deutsche Staatsbürgerinnen, befinden sich seit über 30 Stunden in Haft. Es erreichte uns jedoch heute die Information, daß sie morgen früh nach Deutschland ausgewiesen werden. Sie werden mit der Türkish Airlines Maschine um 10.50h am Flughafen in Frankfurt Main landen. Unser Büro steht Ihnen für Nachfragen und Vermittlung von Telefoninterviews mit den Delegationen zur Verfügung. Newroz-Delegationsbüro, 22.03.1999 |