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Berlin, 20. Februar 2000

 

Am heutigen Tag gab der Präsidialrat der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu den Verhaftungen der drei HADEP-Oberbürgermeister eine Erklärung ab. Aufgrund der Aktualität dokumentieren wir die Erklärung im vollen Wortlaut:


"Die Türkische Republik steht am Anfang des 21. Jahrhunderts dem Problem gegenüber, sich von ihren unterdrückende Struktur zu befreien, um ihre Demokratisierung mit Erfolg zu realisieren. Ihre bisherige Struktur führte bekanntlich zu ernsthaften Problemen. Für den demokratischen Kampf ist es notwendig, dass die Folgen des 15jährigen schmutzigen Krieges und negativen Auswirkungen auf Staat und Gesellschaft überwunden werden. Dafür ist es unausweichlich alle Bandenbildungen innerhalb der Regierung und Staatsstruktur aufzulösen. Die Zukunft der Türkei hängt von einer positiven Entwicklung in dieser Frage ab. Eine Türkei, die sich demokratisiert, wäre imstande die kurdische Frage zu lösen und ihre wirtschaftlichen, sozialen und politischen Probleme. Dies erfordert zu erst die Entwicklung einer wirksamen Linie der Demokratisierung und deren praktische Umsetzung.

Die Staatsführung weist an diesen Punkten eine mangelhafte Herangehensweise und eine falsche Praxis vor, wie die Vorfälle der letzten Tage zeigen.
Am 19. Februar 2000 wurden in Diyarbakir, Siirt und Bingöl die HADEP-Oberbürgermeister verhaftet. Die Festnahme wird mit der Beziehung dieser Personen zur PKK und ihrer politischen Arbeit begründet.

Unsere Partei hat auf ihrem 7. außerordentlichen Kongress die Einstellung des bewaffneten Kampfes offiziell beschlossen und seine bewaffneten Kräfte aus den aktiven Kampfhandlung abgezogen und umstrukturiert. Sie entschied sich für ein Demokratisierungs- und Friedensprojekt. Die Verhaftungen der Oberbürgermeister mit derartigen Vorwürfen ist daher eine besorgniserregendes Vorgehen.
In einer Situation, in der die kurdische Seite eine Lösung anstrebt, stellen die Verhaftungen die Glaubwürdigkeit des türkischen Staates in bezug auf die Demokratisierung in Frage. Jetzt, wo um die Hisbullah herum die Vergehen des schmutzigen Krieges und sogar die tausende Morde unbekannter Täter ans Tageslicht treten.

Die Parteivorsitzenden der Koalitionsregierung beschlossen am 12. Januar auf ihrem Gipfeltreffen die Aufschiebung der Hinrichtung unseres Vorsitzenden Abdullah Öcalans, bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes. Auf diesem Gipfeltreffen wurden Drohungen im Falle einer politischen Aktivität des kurdischen Volkes ausgesprochen. Daraufhin verschärften sie die ohnehin schlechten Haftbedingungnen unseres Vorsitzenden und reduzierten die Besuchstermine seiner Anwälte. Einen Tag nach den friedlichen Protestaktionen des kurdischen Volkes am Jahrestag der Verschleppung unseres Vorsitzenden Abdullah Öcalan, prophezeite Tansu Ciller, dass das kurdische Volk im Frühjahr einen Aufstand machen wird. Tansu Ciller hat in ihrer Amtszeit als Ministerpräsidentin gegen das kurdische Volk große Verbrechen begangen. Den provokativen Erklärung Cillers folgte der Ministerpräsident Ecevit, der die HADEP warnte. Der Konsens aller politischen Parteien im türkischen Parlament in der Frage der bevorstehenden Staatspräsidentenwahlen und eine mögliche Wiederwahl des jetzigen Staatspräsidenten Süleyman Demirel, rücken die bisherige Repressionspolitik in den Mittelpunkt. Die Verhaftungen des Oberbürgermeisters von Diyarbakir Feridun Celik, des Oberbürgermeisters von Siirt M. Selim Özalp und des Oberbürgermeisters von Bingöl Fesullah Karaaslan stehen in diesem politischen Kontext.

Die Türkische Republik ist unentschlossen die notwendigen Schritte für die Demokratisierung zu unternehmen. Es wird deutlich, dass die Türkische Republik nicht den Mut aufbringt, Tansu Ciller, die Hizbullah und diejenigen, die Kriegsverbrechen begangen haben, zur Rechenschaft zu ziehen.
Im Gegenteil, der Staat versucht Lösungen mit den Methoden der 70er Jahre zu finden, die zum Krieg geführt haben. Die türkische Regierung verdeckt das Problem, indem sie das kurdische Volk und seine Vertreter angreift, die im Rahmen eines friedlichen demokratischen Kampfes eine Lösung entwickeln wollen. 15 Jahre Krieg haben verdeutlicht, das diese Methode des türkischen Staates zu keinem Ausweg führt. Die repressive Politik zielt darauf ab die Legalisierung der kurdischen Bewegung zu verhindern und die Oberbürgermeister zu verhaften. Das führt offensichtlich zur Spannung und Problemen. Es ist unmöglich mit dem Vorwand einer Verbindung zur PKK die Verleugnungs- und Vernichtungspolitik zu legitimieren.

Die Tatsache, dass der größte Teil des kurdischen Volkes mit der PKK sympathisiert und sich ihr verbunden fühlt, ist jedem bekannt. Die Bevölkerungsmassen, die in Diyarbakir, Mardin und Van neben anderen Parteivorsitzenden, Staatspräsidenten Süleyman Demirel mit den Parolen "Nein zur Todesstrafe! Wir fordern Frieden und Demokratie!" empfingen, waren Sympathisanten der PKK. Im gleichen Maße, steht die Basis und ihre Repräsentanten der Regierungsparteien in den kurdischen Gebieten in der Einflußsphäre der PKK. Genau so, wie dieser Sachverhalt die Regierungsvertreter der Türkei und die politischen Parteien nicht schuldig macht, können die HADEP-Funktionäre, ebenfalls nicht beschuldigt werden, wenn ihre Basis mit der PKK sympathisiert. Dies darf nicht als Vorwand missbraucht werden, um Druck auf die HADEP und ihre Oberbürgermeister auszuüben.

Inzwischen akzeptieren viele verschiedene Kreise, dass es im Interesse der Türkei liegt, wenn sich die PKK auf der Grundlage eines friedlichen und demokratischen Kampfes legalisiert. Solange die Türkei nicht gegen Ciller und die von ihr organisierten Banden vorgeht, kann es keine Demokratisierung und Lösung der Probleme geben. Es wird der türkischen Regierung mehr schaden als nutzen, wenn sie gegen Oberbürgermeister vorgeht, die 70% der Bevölkerung gewählt haben. Es ist ein großer Fehler, dass alle Parteien im Rahmen der Staatspräsidentenwahlen sich gegen die HADEP verbündet haben. Die gegenwärtige Atmosphäre ist von den Diskussionen um die Verbrechen geprägt, die in 15 Jahren Krieg begannen wurden. Es geht um deren Aufklärung und die Aufdeckung der bestialischen Massaker. Statt dessen machen sie die PKK und HADEP zum Angriffsziel und das ist eine offensichtliche Manipulation der politischen Tagesordnung. Somit versuchen sie alle Verbrechen zu vertuschen, die in Verbindung mit dem Staat begangen wurden.

Die Spannungen werden zunehmen und der Demokratisierungs- und Friedensprozess wird in Bedrängnis geraten, sollte dieses Vorgehen fortgeführt werden. Für die Schaffung einer demokratische Republik müssen reaktionäre Kräfte und die Verantwortlichen der Kriegsverbrechen bekämpft werden. Das ist die Überzeugung unserer Partei.
An dieser Stelle möchten wir mit Nachdruck betonen, dass es zu Nachteilen führen wird, sollte der demokratische Kampf des kurdischen Volkes den aktuellen politischen Interessen geopfert werden.

Das kurdische Volk und die demokratische Öffentlichkeit im In- und Ausland dürfen gegenüber der Verhaftung der Oberbürgermeister und anderen repressiven Maßnahmen des Staates nicht schweigen. Unser Volk sollte die mit ihren Stimmen gewählten Oberbürgermeister verteidigen und mit friedlichen, demokratischen Aktionen ihren Protest an den Tag legen.

Unsere Partei verurteilt auf schärfste die Verhaftung der Oberbürgermeister und appelliert an unser Volk und die demokratischen Kräfte aktiv zu werden. Im weiteren rufen wir die türkische Regierung auf, ihre derzeitige Haltung zu überdenken und sie zu korrigieren. "