Berlin,
19. März 2001
An
die Redaktionen: In-und Ausland / Türkei / Kurdistan
/ Mittlerer Osten
Newroz
2001: Europäische Beobachterdelegationen in den kurdischen
Gebieten
- Hunderttausende
KurdInnen werden zu Newroz am 21. März ihren Willen
nach Frieden, Freiheit und Demokratie auf die Straßen
tragen
- Das
diesjährige Newroz wird den Weg für einen Friedensmarsch
nach Ankara ebnen, nach dem Vorbild der Zapatisten in Mexico.
Zur
Stunde befinden sich über hundert Delegationsteilnehmer
aus Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, der Schweiz
und Österreich in den kurdischen Gebieten.
Seit
1993 fahren jedes Jahr Dutzende internationaler Menschenrechtsdelegationen
in die kurdischen Gebiete der Türkei, um die Newrozfeierlichkeiten
zu beobachten. Dies wurde notwendig als 1992 türkische
Sicherheitskräfte gewaltsam in die friedlichen Newrozfeierlichkeiten
eingriffen. Dabei wurden mehr als hundert Menschen getötet.
Die
Menschenrechtsdelegationen konnten bislang punktuellen Schutz
der kurdischen Zivilbevölkerung vor staatlichen Angriffen
gewährleisten und zudem die Dimension der Menschenrechtsverletzungen
sowie den Einsatz von deutschen Waffen im Krieg gegen das
kurdische Volk dokumentieren. Außerdem ermöglicht
diese Reise den Delegationsteilnehmern, sich ein unabhängiges
Bild der politischen und sozialen Lage in den kurdischen Gebieten
zu machen.
Seit
1990 wurde das Newroz-Fest durch die Widerstandsaktionen des
kurdischen Volkes mit neuem Leben erfüllt. Bis vor einigen
Jahren war Newroz für die kurdische Bevölkerung
nicht nur ein Tag geschichtlicher Erinnerung, sondern neben
dem Ausdruck ihres wachsenden nationalen Bewußtseins
auch der Versuch, auf die kurdische Frage aufmerksam zu machen.
Der Charakter der Newrozfeierlichkeiten hat sich in den letzten
Jahren verändert. Hunderttausende Kurden nehmen nun Newroz
zum Anlaß, eine Lösung der inzwischen deutlich
gewordenen Probleme einzufordern. Daher wäre es nicht
übertrieben zu sagen, die Newrozfeier ist inzwischen
die wichtigste Friedensaktion des kurdischen Volkes.
Die
Entwicklungen der letzten anderthalb Jahre ließen bei
vielen Menschen die Hoffnung aufkommen, das kurdische Neujahrsfest
könne als ein Zeichen des Friedens, der Völkerverständigung
und des demokatischen Wandels ungestört stattfinden.
Doch die Entwicklungen der letzten Monate, vor allem das staatliche
Vorgehen gegen die pro-kurdische Partei HADEP sowie das erneute
Verschwindenlassen von Menschen werfen Schatten auf diese
Hoffnung.
Trotz
all dem hoffen wir natürlich, daß die diesjährigen
Delegationsteilnehmer Zeuge friedlicher Feierlichkeiten für
Frieden, Freiheit und Demokratie werden.
Für
die Pressevertreterinnen und Pressevertreter besteht die Möglichkeit,
mit den Delegationsteilnehmern vor Ort telefonisch in Kontakt
zu treten. Wir bitten interessierte MedienvertreterInnen,
sich hierfür an unser Büro zu wenden.
Hintergründe zum Newrozfest:
"Newroz" heißt übersetzt "der neue
Tag" und basiert auf einer Legende aus dem Jahre 612
v. Chr. Dieser Legende nach unterdrückte der assyrischer
Tyrann Dahak die Völker innerhalb seines Herrschaftsgebietes,
des assyrischen Reiches, u.a. auch die Vorfahren der Kurden,
die Meder. Dem Tyrann wuchsen zwei blutgierige Schlangen,
denen täglich das Hirn zweier junger Menschen geopfert
werden mußte. Über Jahre hinweg wurden den Menschen
mit Gewalt ihre Kinder weggenommen und geopfert, so geschah
es auch dem Schmied Kawa. Er hatte mehrere Kinder, die bis
auf eines dem Tyrannen geopfert werden mußten. Als eines
Tages erneut die Häscher kamen, um ihm auch sein letztes
Kind zu nehmen, entschloß er sich, diesem unerträglichen
Zustand ein Ende zu bereiten. Er mußte den Tyrannen
töten. Er erklärte den Häschern, aus Treue
zum König werde er eigenhändig das Hirn seines Sohnes
dem König übergeben. Der König, der sich von
diesem Angebot bestätigt fühlte, erlaubte dem Schmied,
seinen Sohn eigenhändig in seiner Anwesenheit zu opfern.
Als der Tag der Begegnung kam, bereitete der Schmied das Hirn
eines Tieres vor, welches er als das Hirn seines eigenen Sohnes
ausgab und gelangte somit bis zu König Dahak. Die Völker,
die unter der Herrschaft des assyrischen Reiches litten waren
vom Vorhaben des Schmiedes unterrichtet und auch sie trafen
Vorbereitungen. Die Menschen zogen sich auf die Berge zurück
und warteten auf das Zeichen der Befreiung. Nachdem Kawa den
Tyrannen mit einem Dolch, den er unbemerkt bei sich trug,
getötet hatte, zündete er ein Feuer an, das als
Signal der Befreiung dienen sollte. Daraufhin wurden als Symbol
des Sieges überall auf den Bergen Feuer angezündet.
Seitdem gilt dieser Tag für die Kurden als der Beginn
des Neuen Jahres. Im Gedenken an das Erlangen der Freiheit
entzünden seitdem Kurden am 21. März die traditionellen
Newrozfeuer. Durch die jahrhundertelange Unterdrückung
entwickelte sich das Newrozfest zu einem bedeutenden kurdischen
Nationalfeiertag.