Berlin,
18. September 2001
An die
Redaktionen: In- und Ausland / USA/ Türkei /Kurdistan
(Gesamtseitenzahl = 2)
Wölfe
bevorzugen betrübtes Wetter
Wie
die Türkei den Angriff auf die USA für sich zu nutzen
versucht
Nach den
Angriffen vom 11. September 2001 auf das Welthandelsgebäude
und Verteidigungsministerium in den Vereinigten Staaten von
Amerika, versuchen verschiedene Kräfte von der weltweiten
Ablehnung des Terrors zu profitieren. Insbesondere Regierungen,
deren Länder in notorischen Konfliktregionen liegen,
glauben die nach den Angriffen entstandene Sensibilität
der internationalen Gemeinschaft für eine breite Akzeptanz
der Gewalt nutzen zu können, die sie gegen die eigene
Opposition anwenden.
Soweit
man den Diskussionen der letzten Tage in den türkischen
Medien und der türkischen Bürokratie entnehmen kann,
steht die Türkei an der Spitze dieser Länder. Unverhohlen
wird über den möglichen ökonomischen und expansiven
Gewinn diskutiert, den die Türkei aus einem regionalen
Krieg und einer Aufteilung der Welt in zivilisierte und unzivilisierte
Länder erzielen könne. Diese Diskussionen schließen
unter anderem auch die Vollstreckung der Todesstrafe an dem
Vorsitzenden der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah
Öcalan ein, der im Februar 1999 in Kenia entführt
und anschließend zum Tode verurteilt wurde. So wird
die jetzige Phase als eine Gelegenheit zur Vernichtung der
PKK gesehen, die seit dem 1. September 1999 einseitig den
Krieg beendet und sich auf Territorien außerhalb der
türkische Staatsgrenzen zurückgezogen hat; obwohl
sie sich für eine demokratische Lösung der kurdischen
Frage ausspricht und dies in einem umfassenden Friedensplan
konkretisiert, welcher sich das friedliche Zusammenlebender
Völker innerhalb der Türkischen Republik zur Grundlage
macht.
In diesem
Fall wäre der Grad der zivilen und militärischen
Reaktion der kurdischen Seite nicht mehr berechenbar. Das
Niveau einer solchen Konfrontation würde die problematische
Balance im Mittleren Osten empfindlich stören und die
Konflikte massiv ausweiten. Im jahrelangen Israel-Palästina
Konflikt gibt es keine siegreiche Seite. Tausende von Menschen
haben in diesem Konflikt ihr Leben verloren, die Menschlichkeit
hat einen großen Verlust erlitten. Eine vergleichbare
Auseinandersetzung zwischen dem türkischen und kurdischen
Volk, sowie die Ausrichtung der politischen und ökonomischen
Interessen der Türkei auf diesen Konflikt, würde
zwangsläufig für die Türkei, die Region und
die Menschlichkeit eine Niederlage bedeuten. Deshalb muss
von solchen Vorhaben Abstand genommen und verantwortungsbewusst
gehandelt werden.
Die Angriffe
gegen die Vereinigten Staaten von Amerika sind unentschuldbar,
mit welcher Begründung auch immer sie durchgeführt
wurden. Zwangsläufig wird sich die internationale Politik
und Sicherheitspolitik tiefgreifend verändern. Jedoch
dürfen Errungenschaften wie Menschenrechte, Demokratie
und Rechtsstaatlichkeit, nicht einer wie auch immer gearteten
Sicherheitspolitik geopfert werden. Es darf nicht vergessen
werden, dass sich die These einer sicheren Welt nur dann verwirklichen
lässt, wenn in der Welt die Menschenrechte, Demokratie
und Rechtsstaatlichkeit als ganzes verwirklicht. Nur auf dieser
Grundlage werden sich ökonomische und politische Gemeinschaften
entwickeln können.
Aus diesem
Grund ist bei allem weiteren Handeln, ein sehr verantwortungsbewusstes
Vorgehen aller Kräfte unabdingbar. Die Aufteilung der
Welt in zivilisierte und unzivilisierte Welt, sowie die Vorherrschaft
der einen über die andere wird zwangsläufig zu massiver
Konfrontation führen. Dies wird Kreise in Bewegung setzen,
die sich Gewinn davon erhoffen, wie das heute schon in der
Türkei der Fall ist. Deshalb ist gegenüber solchen
Kreisen und deren Provokationen größte Aufmerksamkeit
von allen geboten.