Berlin,
Dezember 2001
Aufruf
zur Teilnahme an Newroz-Delegationen 2002 nach Kurdistan
Stellen
Sie sich vor
- ein
maskiertes und bewaffnetes Polizeikommando stürmt im
Morgengrauen ihre Wohnung, Sie werden aus dem Bett gerissen,
geschlagen. Man schreit Sie an, zerstört die Einrichtung
und nimmt Familienmitglieder mit
- nach
dem Besuch eines Angehörigen im Gefängnis werden
Sie festgenommen und selber ins Gefängnis gesteckt
- Sie
verlassen das Gerichtsgebäude mit Ihrem Mann, neben
Ihnen bremst ein Auto, jemand rempelt Sie an, Ihr Mann wird
in das Auto gestoßen, gezogen, das Auto rast davon
- der
Kulturverein nebenan wird von der Polizei geschlossen, weil
eine Theatergruppe ein Stück in kurdischer Sprache
aufführen wollte
- Ihre
Wochenzeitung ist verboten, weil darin angeblich zum "Separatismus
aufgestachelt" wird. Alle ihre Tageszeitungen in den
letzten 8 Jahren waren oder wurden verboten
Stellen Sie sich vor, das alles geschieht. Es geschah gestern
und heute. Vielleicht geschieht es gerade jetzt, wo Sie diesen
Text lesen? Es geschieht überall in der Welt. Es geschieht
im Urlaubsland Nr. 1 der Deutschen, in der Türkei. Genauer
gesagt, im Südosten der Türkei. Noch genauer gesagt:
es geschieht dort, wo Kurden leben und Oppositionelle. Kurden
in der Türkei sind Oppositionelle, wobei nicht alle Oppositionellen
Kurden sind. Doch sie alle, fast alle, nennt man auch "Terroristen"
in der Türkei, oder zumindest "Unterstützer
von Terroristen". Sie glauben es nicht? Lesen Sie den
letzten Bericht des Türkischen Menschenrechtsvereins
(IHD, www.ihd.org.tr) oder der Türkischen Menschenrechtsstiftung
(TIHV, www. tihv.org.tr), dort sind die Fälle dokumentiert.
Und noch mehr.
Stellen
Sie sich vor, ihre Nachbarin ist Kurdin. Ihr Mann wurde in
den frühen Morgenstunden verschleppt, ihr Sohn ist im
Gefängnis, ihre Tochter schloss sich der kurdischen Guerilla
an. Ihre Nachbarin hat eine Kusine. Deren Vater wurde tot
aufgefunden, deren Bruder ist im Gefängnis, dessen Freund
hat sich der kurdischen Guerilla angeschlossen und fiel in
einem Gefecht . Die Kusine hat eine Schwester, die floh gerade
mit ihren zwei Kindern auf einem überladenen Schiff nach
Griechenland, weil ihr Mann in den frühen Morgenstunden
verschleppt und sie selber vor den Augen ihrer Kinder vergewaltigt
wurde. Stellen Sie sich vor - das alles geschieht. Heute,
mitten unter uns. Sie glauben es nicht? Lesen Sie die Berichte
des Frauenrechtsbüros in Istanbul (www.womensrightproject.de)
Stellen
Sie sich vor, die Türkei ist seit zwei Jahren Beitrittskandidatin
für die Europäische Union. Wir finden das richtig
und unterstützen den Beitrittsprozess. Aber nicht so!
Die Rechte der kurdischen Bevölkerung sind für uns
Maßstab der Demokratie in der Türkei. Und darum
ist es schlecht bestellt. Das alljährliche Neujahrsfest
in Kurdistan, NEWROZ (21. März), ist ein Beleg. Über
Jahre hinweg fand es unter militärischer Belagerung statt.
Soldaten, Hubschrauber, Panzer, alles war im Einsatz. Gegen
kurdische Kinder, Frauen und Männer, gegen Besucherdelegationen,
gegen Journalisten, die berichten wollten. Internationale
Öffentlichkeit, Delegationen, Berichte haben erreicht,
dass sich das änderte. Im vergangenen Jahr feierten in
Diyarbakir 500 000 Menschen auf den Straßen. Doch schon
heute ist das in Gefahr, kein demokratisches Recht ist gesichert.
Nicht für Kurden, nicht in der Türkei. Damit das
ein Ende hat, ein für alle Mal, laden wir Sie ein. Unterstützen
Sie mit uns Frieden und Demokratie für Kurden und Türken
in der Türkei. Im Jahre 2001 waren es Hunderttausende,
die ein friedliches NEWROZ in den kurdischen Städten
feierten. Wie viele werden es sein im Jahre 2002?
Kommen Sie mit uns an den Ort des Geschehens, in die Türkei.
Genauer, in den kurdischen Südosten. Kommen Sie mit uns
zu kurdischen Familien, Organisationen, Parteien, Zeitungsredaktionen.
Dort wird man uns hautnah über den Alltag im Belagerungszustand
berichten. Und über die Hoffnungen und die Arbeit für
eine friedliche, gleichberechtigte und menschenwürdige
Zukunft.
Sehen
Sie selbst, damit auch Sie es sich vorstellen können.
Zur Beobachtung und Dokumentation des kurdischen Alltags im
Prozess der Demokratie.
Sehen
Sie selbst, damit auch Sie sich entscheiden können, für
Frieden, Demokratie und Gerechtigkeit. Das ist lebensnotwendig.
Nicht nur in der Türkei, nicht nur für die Kurden.
Es ist notwendig für die Zukunft der ganzen Welt. Heute
und besonders morgen. Unbedingt.
Reisetermin: Um das Neujahrsfest, Newroz 2002 (Newroz ist
immer am 21. März)
Nähere
Information und Anmeldung: Kurdistan Informations-Zentrum
e.V.