Berlin,
14. Juni 2002
Parallel zur Aufnahme der Kurden in die "Terrorliste"
durch die EU hat der türkische Staat seine Militäroperationen
ausgeweitet
Gegen
25 Kinder wird Gefängnisstrafe bis zu 3 Jahren und 4 Monaten
gefordert, weil sie Bildung in kurdischer Sprache gefordert
haben.
Seit dem
3. Mai führt die Türkei ununterbrochen im türkischen
und irakischen Kurdistan Militäroperationen gegen Kurdinnen
und Kurden durch. Wie bekannt wurde, kam es im Rahmen der Militärangriffe
ab dem 29. Mai 02 in der Region Tunceli am 7. Juni zu Gefechten,
wobei viele Menschen ihr Leben verloren haben. Die Operation
in der Region Dersim (Tunceli) umfasst nach unseren Informationen
die Gebiete Kutudere, Demenan, Sibirya, Kirmizidag und Desdere
und wird mit umfassender Militärkraft durchgeführt
und zunehmend ausgeweitet.
Bei den
Militäroperationen im Grenzgebiet des Kreises Yüksekova
bei Hakkari, die etwa zeitgleich mit den Angriffen in Dersim
begonnen wurden, gehen die türkischen Militärkräfte
repressiv gegen die Zivilbevölkerung vor. Es wird auf Menschen,
die ihr Vieh zum Weiden führen, entweder geschossen oder
sie werden festgenommen und in Polizeistationen gebracht. Auch
diese Operation wurde in den frühen Morgenstunden des 29.
Mai begonnen und wird bis heute in der Gegend von Onbaslari
bis zur Grenze zum Iran geführt.
Forderung
nach Gefängnisstrafe für Kinder und Jugendliche
Im Prozess gegen 27 Kinder und Jugendliche im Alter von 11-18
Jahren aus Cakirli bei Diyarbakir wegen Durchführung einer
Demonstration im Zusammenhang mit der Forderung nach muttersprachlicher
Bildung hat vor dem 3. Staatssicherheitsgericht Diyarbakir der
erste Hauptverhandlungstag stattgefunden. Wie ihr Verteidiger
Tahir Elci, der zugleich Vorstandsmitglied der Anwaltskammer
in Diyarbakir ist, erklärte, verstößt dieses
Verfahren gegen die Verfassung und gegen das UN-Abkommen für
die Rechte von Kindern. In der Anklageschrift werden wegen "Unterstützung
der PKK" gegen die Jugendlichen, darunter auch elfjährige
Kinder, drei Jahre und vier Monate Gefängnisstrafe gefordert.
Desweiteren
wurden gegen Tufan Akcan, der seiner Tochter den Namen "Berivan"
gab und gegen den Beamten im Standesamt, der für Tufan
Akcan die Geburtsurkunde anfertigte, Verfahren vor dem Amtsgericht,
dem Strafgericht sowie vor dem Staatssicherheitsgericht eröffnet.
Auch gegen Kocalak Koc, der seiner Tochter den Namen Rojin und
seinem Sohn den Namen Rojad gab, wurden rechtliche Schritte
eingeleitet. Wie bereits auch in der türkischen Presse
thematisiert, hatte der türkische Innenminister R. Kazim
Yücelen 600 Namen für verboten erklärt und die
Direktive erteilt, gegen Personen rechtliche Schritte zu unternehmen,
die diese Namen angenommen haben. Die türkischen Staatsvertreter
sind nicht in der Lage, auch nur die geringste positive Reaktion
in bezug auf die kurdische Bevölkerung zu tolerieren. Der
jüngste Vorfall in diesem Zusammenhang betrifft den Ökonomen
Atilla Yesilada, gegen den die Staatsanwaltschaft in Sile Ermittlungen
eingeleitet hat, weil er auf einem Gipfeltreffen von Wirtschaftspolitikern
den KADEK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan mit der geläufigen
Anrede "Geehrter Herr Öcalan" bezeichnet hatte.
Die ausbleibende
Reaktion der EU-Staaten auf die vor den Augen der Weltöffentlichkeit
kontinuierlich durchgeführten Militäroperationen der
türkischen Armee sowie auf die ständigen Verletzungen
der Kopenhagener Kriterien wirkt sich ermutigend auf den türkischen
Staat aus. Wenn die EU-Staaten weiterhin für die Entwicklung
der Demokratie in der Türkei sowie für die Lösung
der kurdischen Frage auf politischen Wege eintreten, dürfen
sie gegenüber diesen negativen und gefährlichen Entwicklungen
nicht schweigen. Im weiteren ist es unumgänglich, dass
die EU die kurdischen Organisationen aus der "Terroristenliste"
streicht.
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