Berlin,
4. Juli 2002
Das Verbot gegenüber der kurdischen
Sprache wird weiterhin aufrecht erhalten
Die
türkische Koalitionsregierung hält weiterhin daran
fest, keine positiven Schritte für die Anerkennung des
Rechtes auf Bildung und Medien-Veröffentlichung in kurdischer
Sprache sowie für die Abschaffung der Todesstrafe zu unternehmen.
Aus diesem Grunde befindet sie sich in einer ernsten politischen
Krise. Nachdem der MHP- (Partei der Nationalistischen Bewegung)
Abgeordnete Mesut Türk den türkischen Ministerpräsidenten
Ecevit verbal angegriffen hatte, erklärten nun auch der
Vizevorsitzende des Türkischen Parlaments, Murat Sökmenoglu,
und der Abgeordnete Cemal Enginyurt (beide gehören der
MHP-Fraktion an), dass die MHP sich von der Koalition zurückziehen
werde, wenn für die Zulassung der kurdischen Sprache in
den Bereichen Bildung und Medien mit anderen Parteien außerhalb
der Koalition Bündnisse eingegangen werden sollten.
Lehrer
wegen Kurdisch versetzt
Gegen
Vorstandsmitglieder der Gewerkschaft Egitim-Sen (Gewerkschaft
für Erziehung) aus Bingöl wurde ein Verfahren eingeleitet,
weil auf dem 1. Ordentlichen Kongress der Egitim-Sen Transparente
mit der Aufschrift "Muttersprache teilt nicht, sie vereint"
und "Muttersprache ist ein Recht und kann nicht verhindert
werden" angebracht wurden. Im Laufe des Verfahrens wurde
gegen acht Vorstandsmitglieder ein einjähriges Beförderungsverbot
und gegen sechs Vorstandsmitglieder ihre Versetzung außerhalb
des Bezirks verhängt. Demnach wurde der Vorsitzende der
Egitim Sen von Bingöl nach Kastamonu versetzt, die Vorstandsmitglieder
Yavuz Karaaslan und Saliha Aydin nach Rize (Schwarzmeerregion),
Tarkan Demirkis nach Istanbul, Mustafa Akgül nach Yozgat
und Cevdet Caka nach Kocaeli.
Aufgrund
der Forderung nach kurdischer Sprache wurden in Van, in Amed
(Diyarbakir) und in Urfa gegen HADEPler und Lehrer der Egitim-Sen
Strafen wie Versetzung verhängt. Gegen Vargül wurde
vor dem Staatssicherheitsgericht in Van ein Verfahren eingeleitet,
weil er einen Vortrag gehalten hat über die negativen Auswirkungen
auf Kinder, wenn sie Bildung ausschließlich ohne Muttersprache
erhalten. In der Anklageschrift wird ihm vorgeworfen, eine Rede
gemäß der Konferenzbeschlüsse der PKK und des
KADEK gehalten zu haben. M. Nesip Gültekin, Lehrer und
Mitglied der Egitim-Sen, wurde auf Anordnung des Gouverneurs
des Ausnahmezustandsgebietes von Amed nach Karayazi bei Erzurum
versetzt. Der Grund ist eine Einladungskarte zu einer Feier
mit kurdischer Aufschrift.
HADEP-Bezirksvorstandsmitglieder
wurden auf ihrem Weg zum Kongress der HADEP-Hani auf der Schnellstrasse
von Diyarbakir nach Hani von Militärangehörigen angehalten.
Bei der Durchsuchung wurden kurdische Kassetten mit Steuerbanderolen
des Kulturministeriums beschlagnahmt. Die Fahrer Hasan Aslan,
Kemal Acmaz, Abdülkerim Koc und Masuk Bulmadi wurden von
den Militärs festgenommen und dem Staatsanwalt vorgeführt.
Der Staatsanwalt verhängte gegen Hasan Aslan, Kemal Acmaz
und Masuk Bulmadi eine Geldstrafe in Höhe von 2 Milliarden
850 Mill. Lira.
Kommission
für "gefährliche" Namen
Mit
einem Erlass an die Gouverneure hat der türkische Innenminister
die Bildung von Namenskommissionen angeordnet, um zu verhindern,
dass Kinder kurdische Namen erhalten. Diese Kommissionen sollen
in allen Bezirken gebildet werden und die Namen feststellen,
die der "unteilbaren Einheit des Staates" entsprechen
oder nicht. Das Innenministerium hat sich mit diesem Erlass
auch an die Einwohnermeldebehörden gewandt und gefordert,
diejenigen zu denunzieren, die für ihre Kinder einen kurdischen
Namen beantragen wollen. Es wurde auch bekannt, dass einige
Beamte des Einwohneramtes Anträge mit kurdischen Namen
nicht bearbeiten.
(Nachrichten aus Radikal, Milliyet, Özgür Politika
und BBC-Turkish vom 1. und 2. Juli 2002.)
Es
gibt einen klaren Zusammenhang zwischen der Aufnahme der PKK
in die EU-Liste der "terroristischen Organisationen"
und der Zunahme der Repressionen in Bezug auf die Forderung
nach Zulassung der kurdischen Sprache. Die Türkei, die
sich durch die o.g. Liste ermutigt sieht, beharrt auf ihrer
bisherigen Politik und ist nicht bereit, Veränderungen
in Bezug auf die in den Kopenhagener Kriterien festgeschriebenen
kulturellen Rechte (Sprachrecht einbezogen) einzuleiten. Deshalb
rufen wir die EU-Staaten dazu auf ihre demokratischen Werte
zu verteidigen und konstruktive Unterstützung für
die Zulassung der kulturellen und freiheitlichen Rechte der
Kurden zu leisten.
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