Berlin,
25. Juli 2002
Der
Vorsitzende des Kongresses für Freiheit und Demokratie
in Kurdistan, Abdullah Öcalan, hat über seine Anwälte
in einem Artikel die letzten Entwicklungen in der Türkei
und in der kurdischen Frage bewertet. Dieser Artikel erschien
in einer Wochenzeitung in der Türkei. Im folgenden geben
wir den Text leicht gekürzt wieder:
"Eine
Organisierung von Kopf bis Fuß ist notwendig."
von Abdullah Öcalan
"Es
gibt eine gute Basis für die demokratische Entwicklung.
Bei der Entwicklung der Demokratie sollte man die entschlossenen
Menschen ihre Rolle spielen lassen. Wenn uns dies nicht gelingt,
wird die Ausweglosigkeit sich vertiefen. Es muss aufgedeckt
werden, wer ein Hindernis und wer der Sprecher dieser Linie
ist. Dies ist auch aus ethischem Grund wichtig. Es gibt sehr
viele Menschen, die sich mit Herz und Seele unserem Kampf verbunden
fühlen.
In
meiner Eingabe an den EGMR habe ich die Geschichte des Mittleren
Ostens wissenschaftlich dargelegt. Die Linie der Demokratie
und des Sozialismus' ist in meiner Eingabe vorhanden. Ich habe
die Freiheitslinie des kurdischen Volkes dargelegt. Talabani
und Barzani können vielleicht anderen etwas vormachen,
mir können sie aber nichts vormachen. Denn ich bin freiheitsliebend,
mit mir können sie keinen Kompromiss eingehen. Ich habe
im Namen eines entschlossenen Volkes, im Namen eines leidenden
Volkes gesprochen. Ich habe alles für das kurdische Volk
gemacht.
Es
ist ungewiss, was den Kurden angetan wird, wenn jetzt ein Angriff
auf den Irak erfolgt. Wir möchten neue Halabjas verhindern.
Der Druck auf die Türkei ist offensichtlich. Auch gibt
es Pläne in Bezug auf die Türkei. Ich sagte, lasst
uns gemeinsam diese Pläne durchbrechen. 1920 gab es eine
kurdische Aufsteigergesellschaft, deren Zentren in Diyarbakir
und Istanbul lagen. Sie hatte Beziehungen zu den Engländern.
Atatürk hat folgendes gesagt: "Fallt nicht auf das
Spiel der Engländer rein. Sie werden Euch auch das, was
ihr noch besitzt, weg nehmen. Sie werden für Euch kein
Kurdistan gründen". Es war richtig, was er gesagt
hat. Wir können unsere Rückständigkeit nicht
verleugnen. Ich sage, dass die Linie des Aufstandes uns verlieren
liess und der Vernichtung unseres Volkes Vorschub leistete.
Unsere Freunde, alle die wirklich mit uns verbunden sind, sollten
sich bewusst beteiligen. Ich habe das demokratische Verständnis
dargelegt.
Die
Spiele von Talabani und Barzani liegen auf der Hand. Was werden
die USA und England den Kurden geben? Auch wenn Saddam gestürzt
werden sollte, so können neue Saddams auftauchen. Es kann
wieder zu neuen Halabjas kommen. Barzani und Talabani würden
auf die Kopfjagd gehen. Alle Pläne und Intrigen richten
sich gegen uns und das Volk.
Die
MHP betreibt einen strikt türkischen Nationalismus. Aber
hat er nicht 30 Mio. angenommen ? (Gemeint sind die finanziellen
Kredite, die die Türkei u.a. vom IWF erhalten hat, Anm.
d. Ü. ). War das nicht das Geld für diese Szenarien
? So sieht der türkische Nationalismus aus. Wo ist der
Nationalismus von Mustafa Kemal Atatürk ? (Gründer
der Türkischen Republik, Anm. d. Ü.). Die Ultranationalisten
haben das Land bis zum Hals zum Verkauf freigegeben. Wurde das
Geld nicht von Kemal Dervis gesammelt und hat nicht die MHP
diese Verträge ebenfalls unterschrieben? Ein MHP-Minister
wirft Dervis vor, er sei der Vertreter des griechischen Generalstabs.
Das ist eine Beleidigung für das Türkentum. Patriotismus
heißt sich nicht für die Spiele der USA und England
herzugeben.
Wir
bewegen uns auf eine stürmische Situation zu. Sie möchten
über 15.000 Mann in der Türkei verteilen. Das ist
der Wunsch von Talabani. Dahinter stecken auch die USA und England.
Wir müssen das verhindern. Um das vermeiden zu können,
kommt auf die türkische Politik eine große Aufgabe
zu. Eigentlich geht es um die Türkei, wenn es auch dem
Schein nach sich gegen den Irak und Saddam richtet. Ich habe
der Türkei meine Friedenshand gereicht. Auch Deniz Gezmis
(ein türkischer Revolutionär, der 1972 hingerichtet
wurde) besaß ein patriotisches Verständnis. Das Ziel
seiner Gruppe war eine unabhängige und freie Türkei.
Sie waren die tapferen Söhne der Türkei. Ich habe
Respekt vor ihnen und fühle mich ihnen verbunden. Das Spiel
gegen die Türkei war schon zur Zeiten von Deniz vorhanden.
Auch damals hat man von den USA Geld genommen, Korruption waren
allgegenwärtig und Banken wurden in den Konkurs getrieben.
Wir
sind für die Demokratisierung Iraks. Die Guerilla ist für
die Entwicklung eines demokratischen Iraks. Die Türkei
hat gegen Irak einen Fehler gemacht. Seit 1992 unterstützt
sie Barzani und Talabani und kann jetzt ihre Hände nicht
zurückziehen. In dieser Form wird im Irak - wenn überhaupt
- nur ein Barzani-Talabani-Fürstentum entstehen. Die Bedeutung
davon ist klar: Neue Sharons und Arafats. Die USA würden
sich in dem Mittleren Osten verankern und Waffen in den Mittleren
Osten verkaufen. Sie haben auch mit uns gespielt. Es muss erkannt
werden, dass ich einem solchen Spiel geopfert wurde. Ich habe
eine Persönlichkeit, um nicht auf dieses Spiel hineinzufallen.
Ich bin freiheitsliebend und aus diesem Grunde bin ich hier.
(Gemeint ist die Gefängnisinsel Imrali/Türkei, Anm.
d. Ü.).
Eine
Organisierung von Kopf bis Fuß ist notwendig.
Wir
dürfen nicht auf das Spiel äußerer Mächte
hereinfallen, wir dürfen nicht unter ihre Kontrolle geraten.
Wir sind zu allem bereit, bis ein ehrenvoller Frieden erreicht
wird, bis diese Frage gelöst ist. Weil Talabani weiß,
dass ich seit 25 Jahren gegen dieses Spiel bin, schreit er auf.
Deshalb erklärt er: "Apo soll mich in Ruhe lassen".
Ich bin ein großes Hindernis für ihn. Nicht nur für
ihn, sondern auch für die internationalen Mächte bin
ich das größte Hindernis. Sie versuchen im Süden
(Südkurdistan - Nordirak, Anm. d.Ü. neue Talibane
zu schaffen. Waren es nicht die USA, die die Talibane geschaffen
haben ? Auch die Interessen Israels brauchen diese. Ciller sagt,
man solle ihr den Posten des Ministerpräsidenten geben.
Ciller ist die Tochter von Thatcher, ihr Bündnis geht in
die Vergangenheit zurück. Diesem Bündnis gehört
auch Talabani an. Talabani und Ciller haben mit den Engländern
in London gemeinsame Ölfirmen. Für Öl werden
sie Blut vergießen lassen. Im Endeffekt werden Guerillas
und Soldaten sterben. Um dies zu verhindern, habe ich die Selbstverteidigung
erklärt. Die Türkei wird es früher oder später
begreifen. Die Patrioten in der Türkei werden das begreifen.
Alle
müssen sich weiter entwickeln, um dieses Spiel zu beenden.
Alle Einrichtungen müssen sich qualitativ und quantitativ
vergrößern und dieses Spiel durchbrechen. Die Türkei
sollte die Kurden als eine befreundete Kraft ansehen. Ciller
sagt, sie wird wieder kommen, das bedeutet Krieg. Ich rede von
einem totalen Freiheits- und Demokratiekampf anstatt eines Bürgerkrieges.
Ich sage es dem Iran, der Irak und der Türkei: Wenn vernünftige
und verantwortungsbewusste Menschen vortreten kann sich eine
Lösung entwickeln."
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