Berlin,
01. August 2002
Die
Entwicklungen sind kein Resultat des Erfolges der jetzigen Regierung
sondern des Misserfolgs
Eine
Bewertung des Präsidialrat der Kurdistan Freiheit und Demokratie
Kongress (KADEK) über die politischen Entwicklungen in
der Türkei
Die Türkei durchlebt gegenwärtig wichtige politische
Entwicklungen, die starke Auswirkungen auf die Türkei,
auf uns und auf die Region haben. Die Regierung, die mit dem
Ziel und Anspruch antrat, eine langfristige Regierung sein zu
wollen, ist gescheitert. Nun haben die Regierungsparteien den
Entschluss gefasst, im November vorgezogene Wahlen durchzuführen;
nicht etwa aus freier Entscheidung, sondern, weil sie dazu gezwungen
wurden. Die Demokratische Sozialistische Partei (DSP) unter
Ministerpräsident Bülent Ecevit ist im Auflösungsprozess.
In Folge dieser Auflösung entwickelt sich eine neue Partei.
Auch die nationalistische Koalitionspartei MHP durchlebt ähnliche
Probleme. Es wird offensichtlich, dass auch sie an Stärke
verloren hat und diese auch in Zukunft nicht wieder zurück
gewinnen wird. Es gibt unterschiedliche Gespräche und Bündnisbemühungen.
Kurzum, die Türkei befindet sich in einer politischen Restrukturierungsphase.
Sowohl die Parteien, als auch das Parlament und die Regierung
befinden sich in einer solchen Phase.
Zweifellos
ist die politische Restrukturierung wichtig. Sie ist eigentlich
ein Anzeichen für die Veränderungsphase in der Türkei;
denn um in Bereichen der Wirtschaft, im sozialen und kulturellen
Bereich sowie in der Verwaltung eine Veränderung zu erreichen
und die Restrukturierung zu vollziehen, ist es notwendig, dass
sich in erster Linie die politischen Einrichtungen erneuern
und verändern. Dies wiederum setzt neue Ideen und eine
Erneuerung im Denken voraus.
Fand
in der Türkei eine Veränderung auf der gedanklichen
Ebene statt? Beruhen die politischen Entwicklungen auf einer
Veränderung im Denken? Man kann ohne weiteres sagen: Die
Türkei hat in den letzten drei Jahren ihre größte
Diskussionsphase durchlebt. Dies war vielleicht die mutigste,
tiefgründigste und umfassendste Erneuerung von Gedanken
und Diskussionen. Es war eine Phase, in der die Tabus etwas
durchbrochen wurden, wenn auch nicht vollständig. Themen,
die für die Türkei beängstigend waren, wurden
zur Diskussion gestellt. Daher kann gesagt werden, dass sich
wichtige Veränderungen auf dieser Grundlage im Denken und
in der Anschauung entwickelt haben. Auch wenn dies noch keine
ideologische Form angenommen hat und die Gedankenströmungen,
die im Entstehen sind, sich nicht klar herausgebildet haben,
so haben diese Diskussionen doch zu einer gewissen Bewusstseinsveränderung,
vor allem in der Gesellschaft, geführt. Diese Veränderung
hat sich auch auf die politischen Institutionen und die politische
Führung ausgewirkt. Die Türkei ist gegenwärtig
mit einer umfassenden ideologischen und geistigen Diskussion
Schauplatz eines innenpolitischen Kampfes.
Kurzum:
Die Entwicklungen in den politischen Institutionen beruhen nicht
auf einem Zufall und sind nicht plötzlich aufgetreten,
sondern sie haben ein Fundament; es sind Entwicklungen, die
für die Türkei eine neue Zukunft festlegen werden.
Wie
also ist eine solche Entwicklung entstanden? Wie konnte eine
Regierung, die bei jeder Gelegenheit ihre Entschlossenheit zur
Sprache brachte, bis zum Jahre 2004 im Amt zu bleiben, in die
gegenwärtige Situation geraten? Um diese Fragen beantworten
zu können, lassen Sie uns diese gemeinsam im Zusammenhang
mit dem politischen Kampf und den Entwicklungen in der vergangen
Zeit behandeln. Denn die entstandene politische Situation steht
in Bezug zu uns, zur Innenpolitik der Türkei, zur Region
und zu den politischen Entwicklungen auf der ganzen Welt. Wir
können sagen, dass die jüngste Entwicklung den Abschluss
einer Zwischenphase darstellt, die sich mit dem internationalen
Komplott entwickelt hatte. Wenn wir es aus dieser Perspektive
heraus betrachten, so ist die Rolle unserer Bewegung und ihrer
Auswirkung auf die Türkei bei der Entstehung einer solchen
politischen Entwicklung klar erkennbar. Es ist angebracht, diese
Entwicklung als das Resultat unseres 8. Kongresses zu verstehen.
Denn die apoistische Bewegung hat ihre Veränderungs- und
Umwandlungsphase, die mit dem Komplott auf die Tagesordnung
kam, auf ihrem 8. Kongress abgeschlossen. Sie hat die theoretische
Bewertung, das politische Programm, ihre strategische und taktische
Annäherung und mit der Praxis die Phase der Erneuerung,
Veränderung, Bildung und Vorbereitung abgeschlossen und
ist nun in die Phase des aktiven Kampfes und der praktischen
Arbeit übergegangen.
Wir
wissen, dass die erste Reaktion der internationalen Reaktionäre
auf eine solche Entwicklung die Aufnahme der PKK auf die EU-Liste
der terroristischen Organisationen war. Es war eine klarer Schritt
gegen unseren Kongress und seine Ergebnisse. Die internationale
Reaktion wollte mit dieser Aufnahme eine neue Phase gegen unsere
Bewegung und das Niveau, das unsere Revolution auf ihrem 8.
Kongress erlangt hat, einleiten. Dies führte zu einem ernsten
Kampf. Die Volksmassen, demokratischen Kräfte, unsere organisatorische
Kraft und unsere Freunde haben dagegen sowohl im Land als auch
im Ausland einen aktiven politischen Kampf geführt. Damit
ist eine neue Kampfphase zwischen dem internationalen Komplott
und unserer nationalen demokratischen Bewegung eingeleitet worden.
Diese ist nicht nur auf Nordkurdistan und die Türkei beschränkt,
auch nicht nur auf die vier Teile Kurdistans, sondern schließt,
entsprechend des überregionalen Charakters unserer Strategie,
die gesamte Welt ein. Daher muss die Veränderung bei den
politischen Institutionen der Türkei im Zusammenhang eines
solchen Kampfes analysiert werden. Die Antwort der EU und der
USA auf unseren Kongress und sein Einfluss auf sie führte
zu einer "Terroristischen Liste".
Vor diesem Hintergrund müssen auch die Veränderungsbemühungen
der gegenwärtigen Regierung, des Parlaments und der Parteien
in der Türkei als Ergebnis des Einflusses unseres Kongresses
und der Erneuerungsbemühungen ihres Gegenkampfes betrachtet
werden. Das stellt die Stärke unserer Bewegung in Bezug
auf die Veränderung und Umwandlung der Türkei dar.
Das ist der erste und zugleich der Hauptfaktor der gegenwärtigen
Entwicklungen.
Die
Annäherung einiger Kreise, vor allem der nationalistisch-chauvinistischen
und der Bandenkreise, die Entwicklungen ausschließlich
als Resultat äußeren Drucks darzustellen, entspricht
nicht der Realität. Natürlich spielen auch die äußeren
Entwicklungen eine wichtige Rolle bei diesem Ergebnis, aber
es ist nicht der erste Faktor. Die Hauptfaktoren ist das Entwicklungsniveau
unserer Bewegung, das sie mit dem 8. Kongress erlangt hat und
unsere Bemühungen, die Ergebnisse des Kongresses in die
Praxis umzusetzen, ihre Auswirkungen auf die Atmosphäre
in der Türkei und ihre Stärke. Wie wirksam diese Kraft
bei der Veränderung der Türkei ist, zeigt sich bei
der Auflösung der Ecevit-Regierung, trotz starken Widerstandes.
Das Niveau unserer Bewegung hat dies erreicht, indem sie die
kurdische Bevölkerung beeinflusst und in Bewegung gesetzt
hat, indem sie die Türkei zur Demokratisierung gezwungen,
diese gelenkt und gefördert hat. Die Statistik weist auf,
dass 85% der türkischen Bevölkerung eine demokratische
Veränderung wollen. Die apoistische Bewegung, in der Vergangenheit
als PKK, heute als KADEK bekannt, hat in allen demokratischen
Entwicklungen der Türkei eine führende Funktion und
einen Anteil.
Sie war es auch, die die großen Diskussionen innerhalb
der letzten drei Jahre in der Türkei begonnen hat. Es ist
die Phase, die unser Vorsitzender eingeleitet hat. Dies begann
mit den Imrali-Diskussionen und ging weiter mit den Gedanken,
die er in dieser Zeit entwickelte. Nun ist es das demokratische
Zivilisationsmanifest des Vorsitzenden, das die Richtung der
Diskussionen angibt. Unsere Bewegung hat schon jetzt eine wichtige
mentale Veränderung, die die Analyse, Entwicklung und Annahme
neuer Ideen beinhaltet, entwickelt. Sie hat die demokratischen
Kreise in der Türkei in Bewegung gesetzt. Sie hat ihnen
Wille, Entschlossenheit und Hoffnung vermittelt und Kraft verliehen.
Sie hat sie zu neuen Ideen und zur Entwicklung einer neuen Politik
und erneuter Organisierung gelenkt. Das Wichtigste ist, dass
sie nun diese Kräfte zur Einheit bewegt. Sie bewegt sie,
Bündnisse zu schließen, sich zu einer organisierten
Kraft zu entwickeln, eine demokratische politische Struktur
hervorzubringen, die mit den Parteien, dem Parlament und der
Regierung eine politische Institution erreicht, die die Türkei
zu einer demokratischen Veränderung und Restrukturierung
bringt. Unsere Bewegung hat die Linke, sozialistische und sozialdemokratische
Kreise und alle übrigen demokratischen Kräfte vor
diese Aufgabe gestellt.
Wenn unsere Bewegung sich nicht auf diese Weise erneuert, verändert
und restrukturiert hätte, wären die gegenwärtigen
politischen Entwicklungen in der Türkei nicht entstanden.
Wären wir noch einflussreicher, hätten wir die Tagesordnung
der Türkei noch schneller und wirksamer beeinflussen können,
wären die gegenwärtigen Veränderung viel früher
aufgetreten.
Die Erfolglosigkeit des internationalen Komplottes und der Kampf,
der sich zunehmend ausweitetet, haben die Türkei vor solche
Entwicklungen gestellt.
Die
Entwicklung dieser Regierung, dieses Parlaments und der gegenwärtigen
Parteien entstand in der Atmosphäre des internationalen
Komplottes. Daher repräsentieren sie keine gewöhnliche
Phase, sondern die Realität des internationalen Komplottes.
Diese politischen Institutionen, diese Regierung, dieses Parlament
sind mit dem Komplott verwoben und mussten ihre Aufgaben innerhalb
dieses Rahmens, der ihnen durch das Komplott auferlegt wurde,
mit Erfolg füllen. Wäre es ihnen gelungen und das
Komplott wäre erfolgreich gewesen, wäre diese Regierung
nicht so zerbröckelt, die Parteien hätten sich nicht
aufgelöst und das Parlament wäre nicht auseinandergefallen.
Die Entwicklungen heute sind ein Beweis dafür, dass diese
politische Institution ihre Aufgaben nicht erfüllt hat,
nicht erfolgreich war. Diese Entwicklungen sind kein Resultat
des Erfolgs, sondern des Misserfolgs.
Diese
Rolle ist bewusst Ecevit auferlegt worden. Die Komplottkräfte
kamen zu dem Ergebnis, dass nur Ecevit in der Lage sein würde,
im Rahmen der zivilen Politik in der Türkei eine nationale
Einheit von Rechts und Links zu entwickeln. Dies trat auch ein.
Nach den Wahlen am 18. April 1999 wurde ohne große Diskussionen
erklärt, dass eine Koalitionsregierung unter DSP, MHP und
ANAP gebildet wird und dies wurde auch umgesetzt . Es war die
allgemeine Haltung, daß es diese Koalition sein sollte
- ohne, dass Gespräche und Bemühungen um eine andere
Koalition geführt wurden. Daher ist diese Haltung nicht
die Folge der Wahlergebnisse, sondern schon während der
Wahlphase wurde dies der Bevölkerung vermittelt. Daher
waren alle für eine solche Regierungsbildung.
Dass Ecevit diese Rolle eingenommen hat, kann auch vor dem Hintergrund
der Geschichte bewertet werden. Ecevit, der die PKK während
ihrer Gründungszeit nicht vernichten konnte, erhielt von
den reaktionären Kräften nach dem internationalen
Komplott erneut die Aufgabe, sie zu vernichten. Ecevit wurde
von der militärisch-faschistischen Führung des 12.
September dafür verantwortlich gemacht, dass er die Entstehung
und Entwicklung der PKK nicht verhindern konnte und ihr somit
Entwicklungsmöglichkeiten gab. Ecevit war lange einer solchen
Kritik und eines solchen Drucks ausgesetzt. Das Emporkommen
Ecevits in der politischen Atmosphäre der 90er Jahre hing
mit der Entwicklung eines neuen Konzeptes gegen die PKK zusammen.
Dieses Konzept wurde als "totaler Krieg" definiert
und gewann zunehmend einen internationalen Charakter.
Ende der 90er Jahre wurde dieser Angriff zum internationalen
Komplott. Indem Ecevit erneut an die Spitze der Umsetzung dieser
Pläne gesetzt wurde, sollte er sein Versäumnis nachholen
und somit seine Schuld begleichen.
Die
vorgezogenen Wahlen am 18. April waren schon neun Monate zuvor
festgelegt worden. Das entspricht keinem natürlichen Vorgang.
Mit der Entwicklung des internationalen Komplotts wurde die
Aufgabe des Regierens Ecevit übertragen - obwohl seine
Partei eine Minderheit darstellte. Der 15. Februar 1999 (der
Tag an dem der PKK-Vorsitzende Abdullah Öcalan in die Türkei
verschleppt wurde, Anm. d. Ü.) fiel in eine Zeit, in der
ein Beschluss für vorgezogene Wahlen schon gefallen war
und in der Ecevit in einer Minderheitsregierung an der Führung
war. Die politischen Trümpfe des 15. Februar wurden somit
der DSP und Ecevit in die Hand gespielt. Die Wahlen am 18. April
wurden unter dem Einfluss des 15. Februar durchgeführt.
Es waren Wahlen, die im Zusammenhang zum Komplott standen und
die Wahlergebnisse wiesen auch dementsprechend die Eigenschaften
des Komplottes auf. Die DSP hat den Bonus, während des
15. Februar an der Regierung gewesen zu sein, in konkrete Wahlstimmen
verwandelt, und die MHP hat die nationalistische Atmosphäre
der Gewalt, die unmittelbar nach dem Komplott entstand, in Wahlstimmen
verwandelt. Das Parlament und die Regierung, die sich auf diese
beiden Parteien stützen, wurden ausschließlich auf
dieser Grundlage gebildet. Die Aufgabe, die dieser Regierung
auferlegt wurde, war die Liquidierung der PKK. Somit wurde Ecevit,
dem es nicht gelang, die Entwicklung der PKK 1978 zu verhindern,
1999 erneut die Aufgabe durch alle reaktionären Kräfte
übertragen, die PKK zu vernichten. Ecevit hat angenommen.
Hierbei
gab es Zwiespältigkeit. Einige Kreise wollten Profit daraus
schlagen, eine Phase der Vernichtung und der militärischen
Auseinandersetzung zu entwickeln, andere wiederum wollten Profit
aus der Atmosphäre schlagen, die sich nach der Vernichtung
der PKK ergeben würde. Die Rolle Ecevits hierbei war es,
die Phase der militärischen Auseinandersetzung zu verhindern
und die PKK zu vernichten, indem sie in eine auseinandersetzungsfreie
Atmosphäre gezogen wird. Dies wird klar in seiner Haltung
gegenüber der MHP. Der Hauptgrund hierfür kann in
der Regierungsstruktur Ecevits gesehen werden, da er 1998 in
einer Minderheitsregierung an die Macht gebracht wurde. Er ist
an die Macht gebracht worden, um den Bestrebungen chauvinischtisch-nationalistischer
und rassistischer Kräfte und der Banden, welche eine Atmosphäre
der Vernichtung und der bewaffneten Auseinandersetzung verbreiten,
vorzubeugen, sie zu bremsen und zu kontrollieren.
Diese Haltung kann als Annäherung an die Kräfte betrachtet
werden, die eine Auseinandersetzung verhindern wollen. Daher
war neben der Haltung unseres Vorsitzenden, neben der Haltung
und den Interessen äußerer Kräfte auch die Existenz
der Regierung von Ecevit in der Türkei von großer
Bedeutung dafür, dass sich das 15. Februar Komplott nicht
in die Richtung von Vernichtung und Auseinandersetzung entwickelt
hat. Somit nahm das internationale Komplott eine Strategie ein,
wonach die PKK durch die Erhöhung des politischen und organisatorischen
Drucks vernichtet werden sollte, und zwar in einer gewaltfreien
Atmosphäre. Der Regierung der Wahlen vom 18. April wurde
diese Aufgebe erteilt. Auf dieser Grundlage bildete sich die
nationalistische und liberale Rechtskoalition. Die MHP wurde
in die Regierung aufgenommen, um sie in Schach halten zu können
Die
internationale Reaktion hatte nach dem Komplott eigentlich die
Auflösung der PKK innerhalb von sechs Monaten zum Ziel.
Als dies nicht eintraf, hat die gegenwärtige Regierung
die Phase unseres 7. Kongresses zur Phase der Auflösung
erklärt. Hier hat die Regierung ihre Rolle gespielt. Ihre
wichtigste Aufgabe war der Beschluss vom 11. Januar 2000, in
dem die Vollstreckung der Todesstrafe gegen unseren Vorsitzenden
aufgehoben wurde und folglich die Akte solange nicht dem Parlament
vorgelegt wird, bis der Europäische Menschenrechtsgerichtshof
den Einspruch behandelt und ein Urteil gefällt hat. Die
Regierung hat die Kraft aufbringen können, einen solchen
Beschluss zu fassen. Mit diesem Beschluss wurde die Kontrolle
über die politischen Institutionen der Türkei hergestellt.
Dieser Beschluss war zweifellos die Verhinderung der bewaffneten
Auseinandersetzung. Wenn ein solcher Beschluss nicht getroffen
worden wäre, wären die Entwicklungen nicht zu stoppen
gewesen und man hätte eine Situation geschaffen, die die
heutigen Auseinandersetzung zwischen Palästina und Israel
hundertfach übertroffen hätte. Mit diesem Beschluss
wurde eine solche Entwicklung unterbunden. Eigentlich hat die
Regierung mit diesem Beschluss ihre Aufgabe abgeschlossen.
Wie
kam die Regierung dazu, einen solchen Beschluss zu fassen, welches
Ziel steckte dahinter? Hatte sie tatsächlich einen Demokratisierungsplan,
verfolgte sie ein Projekt der demokratischen Veränderung
und Umwandlung? Nein, ein solches Ziel verfolgte sie nicht.
Sie wollte die bewaffneten Auseinandersetzungen beenden, die
PKK vernichten und somit auch die demokratische Veränderungs-
und Wandlungsrealität in der Türkei zerstören.
Die einheitliche Beschlussfassung der Koalitionsparteien und
der Kräfte, die hinter ihnen standen, hing mit diesem Ziel
und den Zusicherungen in dieser Richtung zusammen.
Berechnungen wurden aufgestellt, dass eine Auflösung der
PKK mit dem 7. Parteikongress eintreten würde. Diesbezüglich
wurden Pläne gemacht und Hoffnungen gehegt. Während
wir auf dem Kongress die Veränderung und Wandlung diskutierten,
den theoretischen Rahmen und das Programm entwickelten, um die
neue strategische Phase abzuschließen und die gedankliche
und organisatorische Einheit zu schaffen, haben unsere Gegner
mit dem Beschluss vom 11. Januar versucht, diese Entwicklung
umzukehren und den Weg für die Liquidierung der PKK zu
eröffnen.
Parallel zu dieser Phase traten Provokationsversuche auf. Haltungen
wie etwa Disziplinlosigkeit und Zerstörung der Ordnung,
die Provokationen und Liquidierungsbemühungen Tür
und Tor öffnen, entwickelten sich. Es war kein Zufall,
dass solche Haltungen, die sonst selten aufkommen, in dieser
Zeit aufgetreten sind. Sie sind auch nicht von selbst entstanden,
sondern hingen mit dem Plan unseres Gegners zusammen. Die Provokationen
und zerstörerischen Haltungen als direkte Handlungen des
internationalen Komplotts sind der Ausdruck des direkten Dienstes
für das Komplott. Gegen diese Haltungen wurde natürlich
aktiver politischer Widerstand geleistet. Die Haltung des Vorsitzenden
hat eigentlich all diese Pläne ins Leere laufen lassen
und ins Gegenteil verkehrt. Der Beschluss vom 11. Januar, den
die reaktionären Kräfte und die türkische Oligarchie
trafen, war nicht als Garant des Lebens unseres Vorsitzenden
und zur Entwicklung der national-demokratischen Bewegung gedacht.
Im Gegenteil: Dieser Beschluss wurde mit der Absicht getroffen,
den Vorsitzenden politisch - organisatorisch zu vernichten und
somit die Bewegung zu liquidieren. Obwohl dieser Plan so offensichtlich
war, wurden wir für diesen Beschluss kritisiert. Wir hingegen
haben die notwendige Arbeit geleistet und hatten das Ziel, uns
zu wandeln, neu zu organisieren und das internationale Komplott
ins Leere laufen zu lassen. Es war eine Phase, deren Ende von
der Arbeit des Gegners abhing.
Die inneren Provokationen als Teil des internationalen Komplotts
waren erfolglos. Sie erlitten eine Niederlage. Demnach war im
Sommer 2000 das Ziel des internationalen Komplotts erneut gescheitert.
Mit den Diskussionen und den Arbeiten, die die Organisation
durchgeführt hat, hat sie sich eine organisatorische Linie
angeeignet. Mit weiteren Konferenzen und Kongressen hat sie
sich im Rahmen der Kongresslinie gesammelt, ein neues organisatorisches
Niveau, ein neues Niveau der Vorbereitung gewonnen und ihre
Einheit gestärkt. Somit gelangte unsere Bewegung und unsere
Haltung gegenüber der Führung mit einer neuen Art
des Kampfes zum Erfolg. Weil die internationale Reaktion dies
sah, entwickelte sie in der zweiten Hälfte des Jahres 2000
- unmittelbar nach der Bekanntgabe der Ergebnisse unseres Kongresses
- eine militärischen Belagerung, um uns auf diese Weise
zu liquidieren. Die militärischen Angriffe der PUK sind
das Resultat davon. Es ist bekannt, dass ein großer Widerstand
gegen diesen Angriff geleistet wurde. Während dieser Widerstandsphase
haben wir mehr als 100 Gefallene zu beklagen. Die Realität,
dass die PKK sich unter jeder Bedingung verteidigen wird und
die Linie der Führung bis zuletzt verteidigen wird, wurde
offensichtlich. Ende 2000 wurde auch ersichtlich, dass die PKK
auch mit militärischer Gewalt nicht zu vernichten ist.
Dass
Ecevit seine gesamte Aufgabe nicht erfolgreich erfüllen
wird, wurde eigentlich nach diesem Krieg klar. Somit war die
Rolle dieser Regierung vollendet. Die Regierung hätte eigentlich
schon damals zurücktreten müssen. Obwohl schon im
Jahre 2000 Diskussionen darüber aufkamen, dass die Regierung
ihre Mission vollendet habe und nun sich zurückziehen solle,
um ihren Platz einer neuen Regierung zu überlassen, und
obwohl wir öffentlich bekannt gegeben haben, dass eine
neue politische Phase begonnen hat und im Rahmen der Angriffe
des internationalen Komplottes die PKK nicht mit ideologischen,
organisatorischen und militärischen Mitteln zu vernichten
ist, hat die Regierung sich nicht auf die vergangenen Erfolge
und gewonnene Kraft beziehend zurückgezogen und keine neue
Annäherungen entwickelt. Das Beharren der Ecevit Regierung,
nicht zurückzutreten, begann sich im Jahre 2001 zu entwickeln.
Somit entstand eine Regierung, die nicht im Einklang mit der
Realität der Türkei stand.
Die
fehlende Harmonie hat sich folgendermaßen gezeigt: Zum
einen war die Aufgabe, die PKK zu liquidieren, nicht verwirklicht.
Mit dem Beschuss vom 11. Januar ist es der Regierung zwar gelungen,
die Atmosphäre der Auseinandersetzungen zu beenden, aber
die PKK konnte sie auf der Grundlage dieses Beschlusses auch
nicht liquidieren. D.h. es wurde offensichtlich, dass mit den
Methoden der Regierung die PKK nicht zu vernichten ist. In diese
Situation war es für die Türkei notwendig, sich zu
erneuern, zu verändern und zu demokratisieren, d.h ein
sich neues Programm anzueignen und eine neue politische Annäherung
zu entwickeln. Als zweites fehlte es der Regierung an der Kraft,
ein neues Programm zu entwickeln. Daher ist die Mission einer
Regierung, die die PKK nicht vernichten konnte und keine Führung
bei der demokratische Umwandlung der Türkei übernehmen
konnte, vollendet.
Das
Beharren der Regierung, trotz dieser Tatsache hat die gegenwärtige
Krise hervorgebracht. Die Wirtschaftskrise im Februar letzten
Jahres ist im Zusammenhang mit dieser Entwicklung entstanden.
Verschiedene Kreise haben erklärt, dass diese Krise keine
wirtschaftliche, sondern eine rein politische sei und von der
Regierung geschaffen wurde. Das ist eine richtige Bewertung.
Wir haben in der Atmosphäre der Krise mit der demokratischen
politischen Arbeits- und Kampfmethode die Regierung zu Stürzen
versucht. Wir haben den politischen Kampf entwickelt. Unter
dem Namen "Zweite Friedensoffensive" haben wir versucht,
ein politisches Programm umzusetzen. Wir haben versucht, die
Serhildans (Volksaufstände) in allen Bereichen zu entwickeln.
Dieser Kampf hat ein gewisses Niveau erreicht. Unsere Serhildans
haben die Krise in der Türkei vertieft, sie haben allen
gezeigt, dass diese Regierung erfolglos ist und das die Türkei
mit dieser Regierung nicht fortschreiten kann. Aber auch wir
hatten nicht die Kraft, die Regierung zu stürzen und zu
verändern. Wir waren in dieser Hinsicht schwach und unzureichend.
Wir haben diese Situation in unsere 6. Konferenz hineingetragen
und haben uns damit auseinandergesetzt. In Folge der Diskussionen
haben wir die Gründe für unsere unzureichende Haltung,
die eine Veränderung nicht erzielen konnte, aufgedeckt
und verurteilt. Letztendlich wollten wir dieses Niveau auf dem
8. Kongress verändern. Denn unser Ziel mit diesem Niveau
erreichen zu wollen, trug Gefahren in sich. Deshalb musste es
überwunden werden. Auf dem 8. Kongress haben wir dem unzureichenden
Niveau ein Ende gemacht. Wir haben uns im Hinblick auf das neue
Programm und die Kampfstrategie vollkommen überzeugt und
somit eine absolute Klarheit erlangt. Auf dieser Grundlage haben
wir eine neue taktische Phase der neuen Strategie, die Organisation
zu vergrößern und die Serhildans zu entwickeln und
somit gegen den internationalen Komplott einen aktiven Kampf
zu führen, entwickelt. Der 8. Kongress hat eine solche
Bedeutung. Der 8. Kongress ist demnach der Ausdruck sowohl für
die Erneuerung, für die strategische Umwandlung und Restrukturierung
als auch für den Beginn der taktischen Kampfphase. Diese
Entwicklung hat die Atmosphäre in der Türkei beeinflusst.
Sie hat die Türkei gezwungen, neue Beschlüsse zu fassen
und eine entsprechende Neuorganisierung vorzunehmen.
Europa hat sich mit der Aufnahme der PKK in die Liste der "terroristischen
Organisationen" schon frühzeitig auf diese Entwicklung
eingestellt. Die Ecevit-Regierung hingegen hat diese Entwicklung
entweder nicht verstanden oder wollte sie nicht verstehen. Sie
hat versucht, ihre Gegentaktik noch weiter umzusetzen mit der
Absicht unser Liquidierung. Sie versuchte, der internationalen
Reaktion einen solchen Plan aufzuzwingen. Sie möchte von
der türkischen Oligarchie und von der internationalen Reaktion
einen (politischen, Anm.d.Ü) Kredit bis zum Jahre 2004
erhalten. Aber das war nicht möglich, denn ihr Programm
hatte keine Erfolgsaussicht.
Mit
dieser Haltung hat die Regierung die Türkei zu einer ernsthaften
Erstarrung geführt. Die Regierung war nicht mehr in der
Lage, neue Beschlüsse zu fassen und konnte somit im Rahmen
der äußeren Entwicklungen kein gemeinsames Vorgehen
mit seinen Verbündeten entwickeln. Somit entsprach sie
auch nicht mehr den Interessen der Oligarchie und der äußeren
Bindungen. All das führte zur Auflösungsphase der
DSP. Die Kreise, die die Regierung zum Rücktritt gezwungen
haben, hatten gegenüber der starren Haltung der Regierung
keinen Erfolg. Nun versuchen sie, mit den Rücktritten die
ganze Regierung zum Rücktritt zu zwingen - mit Erfolg.
Nachdem die Regierung vorgezogene Wahlen nicht mehr verhindern
können, versucht sie wenigstens bis zu den Wahlen im Amt
zu bleiben. Inwieweit sie damit Erfolg haben wird ist ungewiss.
Warum hat die Regierung so starr reagiert, während Koalitionsparteien
wie die MHP ihre Amtszeit dafür genutzt haben, die wichtigsten
Bereiche unter ihre Kontrolle zu bringen und ihre Kraft zu vergrößern.
Sie hat von den Machtmöglichkeiten stark profitiert. Einige
Kreise in der DSP und auch in der ANAP haben profitorientierte
Interessen verfolgt und wollten, dass diese Regierung anhält.
Aber auch die Ängste von Ecevit haben hierbei eine Rolle
gespielt. Ecevit befürchtet, dass er seine zweite Erfolglosigkeit
gegenüber der PKK teuer bezahlen würde. Er hat Angst,
dass sobald er aus der Regierung zurücktritt, ihm etwas
zustoßen würde. In der Türkei gibt es den Fall
Özal. Die Haltung gegenüber der PKK legt nicht nur
die politische Zukunft der Politiker in der Türkei fest,
sondern auch deren physische Existenz.
Neben
dem erlangten Niveau unserer Bewegung und seinen Auswirkungen
auf die demokratische Veränderung in der Türkei haben
äußere Entwicklungen eine weitere Rolle bei der Entstehung
einer solchen Situation gespielt. Diese waren die Beziehungen
zur EU und zu den USA sowie der bevorstehende politisch-militärische
Krieg in dieser Region. Diese Regierung hat auch die Kraft für
eine harmonische Zusammenarbeit mit seinen äußeren
Bündnispartnern verloren. So musste z.B. in der Beziehung
zur EU ein bestimmter Beschluss getroffen werden. Das Treffen
der EU im Dezember diesen Jahres in Kopenhagen ist hierfür
von großer Bedeutung. Hierfür muß sie umfassende
und tiefgründige demokratische Veränderungen vornehmen,
um der Türkei einen neuen Weg aufzuweisen und ihre Beziehungen
zur EU zu verbessern. Aber die gegenwärtige Regierung ist
nicht in der Lage zu solchen Veränderungen. Sie kann keine
mit der EU im Einklang stehende Politik entwickeln und diese
umsetzen. Auch wenn die ANAP dies zu wollen scheint und die
DSP ebenfalls dafür zu sein scheint, so hat MHP eine solche
Politik und eine Mitgliedschaft in die EU abgelehnt. Sie hat
die für die Mitgliedschaft in die EU notwendigen rechtlichen
Veränderungen verhindert. Damit nicht genug, hat Bahceli
die EU in Brüssel unter Kritik genommen. Obwohl sie sich
bemühen muß, die EU-Kriterien anzunehmen, um in die
EU aufgenommen zu werden, hat sie beinahe Europa gezwungen,
ihre Maßstäbe anzunehmen. Den 11. September hat sie
auf diese Weise zu nutzen versucht. Das war ein Irrtum, eine
falsche Bewertung. Die Regierung ist davon ausgegangen, mit
der Unterstützung der USA Europa beeinflussen zu können.
Deshalb hat sie die von ihr erwarteten notwendigen Schritte
nicht erfüllt und ignoriert. Das hat die Beziehungen belastet.
Die jetzige Regierung ist weit davon entfernt, die Türkei
näher an die EU zu bringen. Das wirkte sich ebenfalls auf
die Entstehung der Krise aus.
Auf der anderen Seite hat die Beziehung der Türkei zu den
USA zu diesem Ergebnis beigetragen. Die USA versuchen, die Türkei
in ihrem Kampf im Mittleren Osten wirksam zu nutzen, sie versuchen,
die Türkei für ihre Irakpolitik zu gewinnen und will
ihr dabei Platz einräumen. Sie misst sogar der Türkei
in dem "Dritten Weltkrieg gegen den Terrorismus" eine
militärische Rolle bei. Sie möchte die Türkei
wie eine Gendarmerie benutzen. Das ist die Türkeiannäherung
der neuen US-Strategie.
Der
US-Vizepräsident hat den Mittleren Osten bereist, während
der Präsident Bush Europa und Russland bereiste. Das Resultat
dieser Reisen war, das die Türkei für ihre Politik
gewonnen werden konnte. Sie haben begriffen, dass wenn sie wirksam
gegenüber dem Irak und im allgemeinen im Mittleren Osten
sein wollen und ihre Politik in dieser Region umsetzen wollen,
sie auf die Kraft und Unterstützung der Türkei angewiesen
sind. Wenn die USA Erfolg bei ihrer militärischen Intervention
im Irak haben möchte, ist es von großer Bedeutung,
dass sie die Unterstützung der Türkei erhält.
Wenn die USA die Unterstützung der Türkei erhält,
wäre sie in der Lage, ohne weitere Unterstützung gegen
den Irak vorzugehen. Die Lage der Türkei bietet eine solche
Möglichkeit. Die gegenwärtige Regierung in der Türkei
scheint aber nicht willens zu sein, gegenüber der US Politik
dermaßen engagiert und verbunden zu sein. Vor allem Ecevit
möchte in einer solchen Politik nicht vollständig
engagiert sein. Zwar hat Ministerpräsident Ecevit während
seines Staatsbesuchs Ende 2001 den USA eine gewisse Unterstützung
zugesagt, ein Abkommen getroffen und erklärt, sie würden
nicht mehr den US-Politik entgegenstehen. Aber dennoch hat er
der von den USA geforderten militärischen Unterstützung
nicht in dem Maße zugestimmt, wie es den USA lieb gewesen
wäre.
Diese
Probleme kamen auch bei dem jüngsten Besuch der Außen-
und Vizeverteidigungsminister in der Türkei zum Vorschein.
Die US-Verteter erklärten "Wenn ihr Euch von Anfang
an amKampf gegen Irak beteiligt, d.h. gemäß der US-Politik
handelt, werdet ihr Platz am Tisch haben. Wenn nicht, werdet
ihr gegenüber den Angriffen Iraks zwangsweise in den Krieg
ziehen. Bei letzterem werdet ihr keinerlei Gewinne erzielen".
Damit wollen die USA die Türkei zum gemeinsamen Handeln
zwingen. Es ist auch eine gewisser Drohung. Die USA möchten
die Türkei im Kampf gegen den Irak als eine aktive und
wirksame militärische Kraft einsetzen. Die USA waren aus
diesem Grunde bemüht, die PKK auf die Liste der "terroristischen
Organisationen" der EU aufnehmen zu lassen, um die Türkei
näher an die US-Politik zu bewegen. Das war zwar ein Schritt,
aber es hat nicht ausgereicht, um die Regierung vollständig
auf die eigenen Seite zu ziehen. Wenn auch Ecevit die USA nicht
ablehnt und sie akzeptiert, so ist sie doch unwillig und entlarvt
sogar in gewisse Weise die Annäherung der USA. Sie führt
entgegen den USA Kontakte zum Irak. Es ging soweit, dass Ecevit
verhindert hat, dass der Vizepräsident der USA in der Türkei
eine Pressekonferenz durchführen konnte. Das war aus Sicht
der USA zwingend.
Die USA haben zunehmend die Intervention in den Irak thematisiert.
Die Zeit für den Angriff nähert sich, sie fühlen
sich gezwungen zu intervenieren. Von den Arabischen Ländern
haben sie die erhoffte Unterstützung nicht erhalten. Iran
war ein Faktor, der den Angriff zu erschweren versucht hat.
Die EU verweigert noch den USA die vollständige Unterstützung.
Wenn Russland auch keine Widerstand wie früher zeigt, so
bleibt auch hier die erhoffte Unterstützung aus. Vor diesem
Hintergrund fühlt sich die USA genötigt, die vollständige
Unterstützung der Türkei zu gewinnen. Die jetzige
Regierung hat das nicht geboten. Je näher der Interventionstermin
vorrückt, desto stärker ist der Wunsch den USA, in
der Türkei die Regierung gegen eine andere auszutauschen,
die im totalen Einklang zu ihrer Irak- und Mittelostpolitik
steht. Als die Regierung nicht mehr in der Lage war, die Interessen
der äußeren Verbündeten zu vertreten, verlor
sie auch die Unterstützung dieser Kräfte. Der innere
Druck unserer Bewegung gegenüber der Türkei, sich
zu demokratisieren und die o.g. Entwicklungen mit den äußeren
Verbündeten haben zu einem solche Umbruch geführt.
Was
wird nun in der Türkei passieren? Welche Entwicklungen
werden voraussichtlich auftreten?
Es
waren zwei Faktoren, die zur Auflösung der Regierung geführt
haben. Deshalb wird der Kampf dieser beiden Faktoren die weiteren
Entwicklungen bestimmen. Es ist klar, dass für die Türkei
die Übergangszeit, die Zwischenzeit abgeschlossen ist.
D.h., dass die Kraft, die die Entwicklung in der Türkei
verhindert hat, in gewisse Weise am Ende ist. Das ist das Ende
der Regierung und der Koalitionspartner DSP und MHP. Eine Erneuerung
der politischen Institutionen ist daher unumgänglich.
Die Wahlen sind ein Weg der Erneuerung. Aber es wird auch über
eine Regierung diskutiert ohne Wahlen. Einige Kreise, vor allem
äußere Mächte, wollen eine Regierung, die vollkommen
die Politik der USA verwirklicht. Zu einer solchen Regierung
sagen sie auch "eine Regierung der nationalen Übereinstimmung".
Diese Version ist ebenfalls an der Tagesordnung. Anstatt mit
Wahlen eine neue Regierung zu bilden, soll eine Regierung ohne
Wahlen gebildet werden, die im totalen Einklang zu US-Interessen
steht. Zwar gibt es Bemühungen in dieser Richtung, aber
inwieweit es umgesetzt wird ist unklar. Diese Option ist eine
gefährliche Option. Dies würde die Türkei sehr
nach Außen binden. Das ist eine Strategie, die die Demokratisierung
der Türkei verhindern und die Türkei zum Gendarmen
der "Anti-Terror-Kriegs"-Strategie der USA machen
würde.
Die andere Option wären die Wahlen. Dies müsste das
Parlament entscheiden, aber es ist nicht vorhersehbar, wie es
entscheiden wird. Es gibt Abgeordnete, die eine vorgezogene
Wahl nicht befürworten werden, weil sie höchstwahrscheinlich
bei Neuwahlen nicht mehr ins Parlament einziehen werden. Deshalb
werden sie an ihre Interessen denken. Was passiert, wenn der
Beschluss für vorgezogene Wahlen nicht vom dem Parlament
abgesegnet wird? Die Erstarrung wird anhalten. Die Regierung
müsste zum Sturz gebracht werden, um die Erstarrung zu
überwinden. Wenn die Regierung gestürzt wird und eine
neue Regierung nicht gebildet werden kann, so räumt die
Verfassung dem Staatspräsidenten das Recht ein, das Parlament
aufzulösen und Neuwahlen zu beschliessen. Der Staatspräsident
kann dieses Verfahren einleiten, er hat sich ohnehin positiv
dazu geäußert. Es ist ungewiss, welcher Weg eingeschlagen
wird; sicher ist aber, dass diese Regierung, die der Ausdruck
für die Zwischenzeit ist und Veränderungen blockiert,
am Ende ist. Die Türkei wird eine neue politische Führung
und eine neue politische Struktur erlangen. Der Weg hierfür
ist offen, eine solche Phase hat bereits begonnen. Die stärkste
Option sind die Wahlen. Aber dennoch darf nicht übersehen
werden, dass in der Türkei eine starker innerer Kampf geführt
wird. In Folge dieses Kampfes können auch andere Optionen
an den Tag treten.
Es
gibt zwei Tendenzen, die in der Frage, welchen Weg die Türkei
in Folge dieser Veränderungsphase bestreiten wird, im Kampf
gegeneinander stehen. Der erste Weg, den die USA mit der Unterstützung
der Kriegsbefürworter lenkt und dem auch nationalistisch-chauvinistische
Kreise in der Türkei zustimmen und gleichzeitig ihre Interessen
ausdrücken, ist der Weg der Auseinandersetzung und des
Krieges. Diese Kreise sind gegen eine Demokratisierung und auch
gegen eine demokratische Veränderung im Rahmen der EU.
Um eine Demokratisierung zu verhindern, bringen sie Krieg und
Auseinandersetzung auf die Tagesordnung. Diese Kreise hatten
mit dieser Vorgehensweise gegenüber der Phase, die unsere
Bewegung eingeleitet hat, einen Erfolg erzielen können.
Nun versuchen sie es, angelehnt an den Krieg, den die USA begonnen
haben und an den bevorstehende Eingriff in den Mittleren Osten,
in der Türkei erneut durchzusetzen. Sie versuchen, die
Türkei wieder in eine Gewaltatmosphäre zu drängen.
Tansu Ciller (Vorsitzende der DYP - Partei des Rechten Weges)
hat erklärt, dass sie die Ministerpräsidentin einer
solchen Phase sein möchte. Viele Kräfte innerhalb
der MHP sind ebenfalls dafür. Auch andere Kreise in der
Türkei und außerhalb unterstützen eine solche
Entwicklung. Wenn die Türkei tatsächlich einen solchen
Weg bestreiten sollte, würde die Demokratisierung vollkommen
beiseite gelegt werden. Militaristische, chauvinistisch-faschistische
Vorgehensweisen wären vorherrschend. Die Politik des Krieges
in der Region, des Krieges gegen das kurdische Volk und der
Gewalt gegen demokratische Kräfte in der Türkei wären
die herrschende Politik. Hat diese Tendenz eine Chance? Es besteht
die Gefahr, dass die kriegstreibende und national-chauvinistische
Tendenz an die Macht gerät. Dies würde der Beginn
eines neuen Krieges und einer Gewaltatmosphäre bedeuten.
Die Resultate wären unberechenbar, sie würde sich
nur nach den Interessen dieser Kräfte und ihrer äußeren
Bündnispartner richten. Die von uns eingeleitete Friedens-
und Demokratiephase würde sabotiert werden, und erneut
würden Vernichtung und Gewalt an die Tagesordnung treten.
Auch würde die Lage unseres Vorsitzenden neu behandelt
werden.
Die o.g. Kräfte sind bemüht, einer solche Entwicklung
den Weg zu bahnen. Es gibt auch Kreise innerhalb Kurdistans,
die eine solche Entwicklung unterstützen. Es handelt sich
hierbei um die Komplottkräfte. Erst kürzlich hat PUK
uns mit einer solchen Entwicklung gedroht. Sie sagte: "Ich
kann den Krieg beginnen, in dem ich mich mit den USA und Türkei
verbinde". Sie bereitet sich auch schon darauf vor. Auch
andere Kräfte unterstützen sie. Außen gibt es
Russland, Griechenland und bestimmte Kräfte innerhalb der
EU und den USA. Diese Gefahr darf nicht unterschätzt werden.
Es ist eine ernste Gefahr und Bedrohung. Wir müssen dies
verhindern.
Der zweite Weg ist die demokratische Veränderung und Restrukturierung
der Türkei. Diese Phase hat eigentlich unsere Bewegung
entwickelt. Unser Vorsitzender hat den theoretischen und politischen
Rahmen aufgezeigt. Es beinhaltet die Mitgliedschaft in die EU,
die Erneuerung der Politik in der Türkei im Rahmen der
Kopenhagener Kriterien. Dies wird von unterschiedlichen Kreisen
unterstützt, vor allem haben diese seit drei Jahren zugenommen.
Nach Umfragen sind 85% der Bevölkerung der Türkei
für eine solche Entwicklung. Parallel dazu entwickeln sich
neue politische Tendenzen. Auch im islamischen Flügel gibt
es Entwicklungen, die dorthin tendieren. In liberalen und rechten
Kreisen gibt es Entwicklungen, die demokratische Tendenzen aufzeigen
und diese Politik annehmen. Die Situation der ANAP (Mutterlandspartei)
und der DTP (Partei der Demokratischen Türkei) zeigt das.
Desweiteren gibt es Entwicklungen im linken Spektrum. Die linken
Kräfte haben sich gestärkt, aber sie sind noch sehr
weit davon entfernt, eine Einheit zu bilden. Sie haben keine
Bündnisse und sie weisen einen zersplittertes Bild auf.
Die sozialistische Linke lebt diese Uneinigkeit am stärksten,
sie ist weiterhin marginal. Ihre Worte unterscheiden sich um
180 Grad von ihrer Praxis, so widersprüchlich und zweideutig
sind sie. Sie überschätzen sich und widersprechen
der Realität der Türkei.
Die sozialdemokratische Linke befindet sich in einem ähnlichen
Zustand. Es gibt eine Teilung innerhalb der CHP (Republikanischer
Volkspartei) und DSP (Demokratisch Sozialistische Partei). Eigentlich
eröffnen solche Trennungen den Weg und lösen die Erstarrung
in der Türkei, aber es ist noch unklar, welches Ergebnis
daraus hervorgehen wird. Die Frage, wie es gewährleistet
werden soll, dass in Folge solcher Entwicklungen eine demokratische
Türkei entsteht, blieb bislang unbeantwortet. Solange dieser
Zersplitterung nicht überwunden ist, wird es keine Entwicklung
in Richtung Demokratisierung der Türkei geben. Die Türkei
befindet sich nun in einem Kampf zwischen diesen beiden Tendenzen.
Die Veränderungsphase wird die Phase sein, in der eine
dieser Tendenzen an die Macht getragen wird. Trotzt alledem
ist diese Entwicklung positiv und vor allem besser als die Situation,
die das Land in Ausweglosigkeit gehalten hat. Die Kräfte,
die sich für die Demokratisierung aussprechen, sind groß
und vielfältig. Diese Tendenz deckt sich auch mit unserem
taktischen Kampf. Auch wir sind für eine Veränderung
der Türkei auf diese Weise. Die Tatsache, das gegenwärtig
die Tendenz der demokratischen Veränderung der Türkei
überwiegt und die Tatsache, dass die Gefahr der Entwicklung
einer Gewaltatmosphäre nicht vollständig beseitigt
ist, erlegt allen demokratischen Kräften große Verantwortung
auf. Kriegsprofitierende Kräfte können nur mit einem
umfassenden aktiven Kampf überwunden werden. Die Phase
der demokratischen Veränderung und Umwandlung ist die erste
Kampfangelegenheit. Politik, Organisation und Bündnisse
für einen solchen Kampf müssen entwickelt werden.
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