Köln, 10. Mai
1998
An die Redaktionen:
Aktuelles/Ausland/Türkei/Kurdistan
Die Zeitung „Ülkede Gündem“ wurde für 10 Tage geschlossen
Ein Tag vor dem Muttertag griff die türkische Polizei die Samstagsmütter
an: 20 Festnahmen
In den Gefängnissen wurden die Gefangenen angegriffen:
Dutzende Verletzte
Um bessere Schläge auszuüben, kommen am 19. Mai
die türkischen Chefpolizisten nach Deutschland
Strafe für Meinungsfreiheit: 10 Tage Herausgabeverbot
Seit dem ersten Erscheinungsdatum, 7. Juli 1997, ist die Zeitung „Ülkede
Gündem“ den Angriffen und Unterdrückungen des türkischen
Staates ausgesetzt. Am 25. Dezember 1997 wurde sie von dem Istanbuler Staatssicherheitsgericht
(DGM) zu 10 Tagen Publikationsverbot verurteilt. Dieser Beschluß
wurde von der 8. Strafkammer des Revisionsgerichtshofes bestätigt.
Demnach wird die Zeitung bis zum 19. Mai 1998 nicht erscheinen. Es
ist nicht zu übersehen, daß die türkische Regierung gerade
in der Zeit, wo sie ihre militärischen Operationen verstärkt
durchführt, dieser Zeitung - die der Öffentlichkeit die Menschenrechtsverletzungen
vor Augen führt und wahrheitsgemäß die Öffentlichkeit
informiert - verbietet zu publizieren. Grund für diese Strafmaßnahme
ist, daß der kurdische Abgeordnete, Hatip Dicle, der noch im Gefängnis
ist, am 4. August 1997 einen Artikel in der „Ülkede Gündem“
mit der Überschrift „Dersim´s Drama“ geschrieben hat. Das Gericht
hat den verantwortlichen Redakteur, Hayrettin Demircioglu, zu einem Jahr
Gefängnis- und 960 Tausend türkische Lira Geldstrafe verurteilt.
Diese Strafe wurde zu einer Geldstrafe von 5 Millionen und 370 Tausend
türkische Lira umgewandelt. Angriffe der Sondereinsatzpolizisten
und der „Robocops“ auf die Samstagsmütter Wie bekannt ist, machen
die Mütter jeden Samstag einen Sitzprotest auf dem Istanbuler Galatasaray-Platz
für ihre verschwundenen und ermordeten Kinder. Sie fordern, daß
die Verantwortlichen hierfür zur Rechenschaft gezogen werden.
Als die Samstagsmütter am 9. Mai 1998 zum 156. Mal auf dem Platz ihren
Sitzprotest wie üblich fortsetzen wollten, waren bereits die Sondereinsatzpolizisten
auf dem Platz. Als die Mütter sich zusammenschlossen, reagierte die
Polizeitruppe, indem sie sagte: „Ihr seid 155 Male zusammengekommen, aber
das 156. Mal wird es nicht geben“. Von den angegriffenen Müttern
wurden 20 festgenommen. Diese wurden im Bus auf brutaler Art und Weise
geschlagen. Folgende Namen der Festgenommenen erreichten uns:
Düzgün Tekins Mutter, Elif Tekin; Hüseyin Morsümbüls
Mutter, Fatma Morsümbül; Fehmi Tosuns Ehefrau, Hanim Tosun; Kiymet
Tosun; Hüseyin Toromans Tante, Nuray Yazici;
Ridvan Karakocs Bruder, Hasan Karakoc; Hasan Ocaks Bruder, Ali Ocak;
das Vorstandsmitglied des IHD Nimet Tanrikulu; die Ehefrau des ermordeten
Oberst Ridvan Özdens, Tomris Özden; das Mitglied der internationalen
Bewegung der unter Haft Verschwundenen, Birgül Kutan; Emine Duman;
Kiymet Cengiz; Aydin Kosan und Ömer, sein Nachname konnte nicht festgestellt
werden. Angriffe des türkischen Staates auf die Gefangenen im
Amasya-Gefängnis Wegen der Behauptung des Gefängnisleiter in
Amasya, die politischen Gefangenen hätten einen Tunnel in der 13.
Zelle gegraben, wurden sie am 4. Mai 1998 durch 100 Gefängniswärter
angegriffen. Die Gefangenen Nevzat Atabay, Bisar Hazar, Mehmet Üstek,
Mehmet Ali Tatli, Sait Gürkan, Selam Avci, Bahattin Öncü
und Ömer Baltas wurden schwer verletzt. Das Vorstandsmitglied des
TAY-DER Meliha Özcan erklärte, daß die Verletzten Yilmaz
Yildirim, Ali Ühsan Kitay, Veysi Dogan, Metin Opan, Osman Yavuz und
Hüseyin Hosgören in Isolationshaft gesteckt worden sind. Nach
den Berichten der Eltern von Gefangenen, die zu Besuch waren, seien die
Gefangenen mit Schlagstöcken brutal geschlagen und in jeweils 3 bis
5’er Gruppen auf dem Hof völlig nackt fast zu Tode geprügelt
worden. Am Abend des 5. Mai seien auch die Zellen der weiblichen Gefangenen
angegriffen worden.
So wie die Männer wurden auch die Frauen nackt auf den Hof gebracht
und brutal geschlagen. Dabei wurden Gülten Alatas, Nurcan Aktas, Filiz
Kizilkaya, Suna Yildiz, Dedia Erdem, Hatice Bakir und Kadriye Ecer verletzt,
berichteten die Eltern. Obwohl die Forderungen der politischen Gefangenen
im Spezial Typ und E Typ Gefängnis in Erzurum akzeptiert worden waren,
werden diese Rechte und das Abkommen durch den Gefängnisleiter mißachtet,
so der Stellvertretende Vorsitzenden des IHD, Rechtsanwalt Osman Baydemir.
Deutschland soll die türkischen Polizeichefs weiterbilden Am 8.
Mai berichtete die türkische Tageszeitung „Hürriyet“ mit der
Überschrift „Deutsche Taktiken für türkischen Sondereinsatzeinheiten“
folgendes:
„Das türkische Polizeipräsidium wird die türkischen
Sondereinsatzkomandos nach den Taktiken der deutschen Polizei ausbilden.
Aus diesem Anlaß werden der Vorsitzende der Sondereinsatzpolizei
des Amtes für Ordnung und Sicherheit, Levent Caliskan, der Chef des
Sondereinheitskomandos von Istanbul, Turan Tuna, der Stellvertretender
des Polizeipräsidiums von Ankara, Kutlay Celik und der Stellvertretender
des Polizeipräsidiums von Izmir, Murat Kaplan, am 19. Mai nach Deutschland
reisen. Diesen wird hier beigebracht, wie die „Robocops“ bei gesellschaftlichen
Auseinandersetzungen, taktisch und technisch angreifen können.
Unter anderem werden sie in der Nutzung von Schutzschilden und Fahrzeugen
ausgebildet. Nach der Ausbildung werden die Chefs in der Türkei die
gelernten Taktiken und Techniken den türkischen Sondereinsatzpolizisten
beibringen.“
Noch einmal hat die Sendung „MONITOR“ am 7. Mai 1998 uns durch Augenzeugen
gezeigt, wie deutsche Waffen gegen die kurdische Zivilbevölkerung
eingesezt werden. Als ob das nicht ausreicht, ist Deutschland sogar bereit,
auch die türkischen Polizeichefs auszubilden. Wir sind neugierig,
was für eine Erklärung die Bundesregierung diesmal herausgeben
wird. Oder wird sie wie üblich ihr Schweigen fortsetzen?
Wir fordern die deutsche Regierung auf, ihre Beziehungen zur Türkei
zu überdenken und die geplante Ausbildung der türkischen Polizeichefs
zu stoppen. Deutschland sollte seine Beziehungen zur Türkei nicht
für die Weiterführung des Krieges in Kurdistan und die Verletzung
der Menschenrechte in der Türkei nutzen, sondern für eine Beendigung
des Krieges und für eine Demokratisierung der Türkei.
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