Köln, den 25. Mai 1998
An die Redaktionen
Aktuelles/Ausland/Naher Osten/Türkei
ERNK-Erklärung zum Einmarsch türkischer Armee in Südkurdistan
SOS-Signal aus der Türkei nach weiteren Haftbefehlen gegen HADEP-Funktionäre
ERNK-Erklärung zum Einmarsch türkischer Armee in Südkurdistan
Die Europavertretung der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK)
nahm in einer heute veröffentlichten Erklärung Stellung zu dem
Einmarsch türkischer Armee in Südkurdistan/Nordirak. In
der Erklärung heißt es, daß die Invasion der türkischen
Armee nicht nur die „Zerschlagung der PKK“ zum Ziel habe, sondern vor allem
die Bildung eines turkmenischen Marionettenstaates in dieser Region. Das
Handeln der Türkei gleiche ihrem Vorgehen in Zypern. Bei dieser Offensive
besitze die Türkei die aktive Unterstützung der USA und Israels.
Seit der Invasion Südkurdistans am 14. Mai vergangenen Jahres hätten
sich die türkischen Streitkräfte nicht mehr vollständig
zurückgezogen. Vielmehr seien kleine mobile Einheiten und Spezialtruppen
in KDP-kontrollierten Gebieten verblieben, wo sie Turkmenen bewaffnet und
ausgebildet hätten. Vor einem Jahr hätten türkische Regierungsvertreter
von der „größten Militär Operation in der Geschichte der
Türkei seit der Intervention in Zypern“ gesprochen. Indem die Türkei
die in dieser Region ansässigen Turkmenen bewaffne, ziele sie wie
in Zypern auf die Besetzung der Region. Das türkische Vorgehen sei
eine große Gefahr für Frieden und Stabilität in der Region.
Die laufenden Pläne der Entente Türkei-Israel-USA seien nicht
geeignet, den Interessen der Völker in der Region zu dienen. Die internationale
Gemeinschaft, die westlichen Staaten dürfen gegenüber diesen
Vorhaben nicht schweigen. Südkurdistan sei schon seit über einem
Jahr für die Weltpresse gesperrt.
Die Presse solle diese seitens der Türkei veranlaßte
Nachrichtensperre durchbrechen, forderte die ERNK-Europavertretung.
Alle internationalen Institutionen, vor allem die Vereinten Nationen, müssen
handeln und Schritte gegen diese internationales Recht verletzende Invasion
einleiten.
Die ERNK-Europavertretung berichtete, daß seit dem 21. Mai schwere
Zusammenstöße zwischen Guerillakräften der Volksbefreiungsarmee
Kurdistans, ARGK, und türkischen Armee stattfinden, die durch KDP-Kräfte
unterstützt werden. Die PKK werde mit dem Vertrauen und der Unterstützung
des Volkes den Widerstand weiter entwickeln.
SOS-Signal aus der Türkei nach weiteren Haftbefehlen gegen HADEP-Funktionäre
Der türkische Staat hat sein Vorgehen gegen die prokurdische Demokratiepartei
des Volkes (HADEP) erneut verschärft. Die HADEP ist eine legale demokratische
Partei, die in den kurdischen Regionen der Türkei über großen
Anhang verfügt. Am 23. Mai wurden gegen weitere 38 Mitglieder
des Exekutivrates und Parteirates der HADEP auf Anordnung des Staatssicherheitsgerichtes
Ankara Haftbefehle erlassen. Die Begründung lautet, daß sie
Anführer bewaffneter Banden seien. Zudem wird ihnen Separatismus vorgeworfen.
Die Mindeststrafe für diesen Vorwurf beträgt fünfzehn Jahre.
Zu diesem Zeitpunkt befanden sich bereits dreizehn Vorstandsmitglieder
der HADEP in Haft. Gegen folgende Mitglieder des Exekutivrates und
Parteirates der HADEP wurde Haftbefehl erlassen:
Güven Özata, Osman Özcelik, Bahattin Güven, Abdullah
Kaya, Aziz Dogan, Selim Özalp, Sinan Bozkurt, Cihan Sincar, Ismail
Arslan, Melike Alp, M. Nuri Günes, Erdem Önal, Ihsan Durukal,
Recep Doganer, Kudret Gözütok, Ahmet Yücedag, Seracettin
Kirici, M. Emin Altun, Ahmet Cihan, Abdullah Akin, Feridun Celik, Veli
Aydogan, Hikmet Fidan, M. Selim Okcuoglu, Aynur Gürbüz, Firat
Anli, Mürvet Demir, Niyazi Bulgan, Hasan Dogan, Hasan Karageci, Cezayir
Ferin, A. Turan Demir, Giyaseddin Kaya, Ismail Karakurt, Kemal Parlak,
Aysenur Zarakoglu, Edip Yildiz, Selma Tanrikulu.
Die Ausstellung dieser neuen Haftbefehle erfolgte wenige Tage vor dem
nächsten gerichtlichen Verhandlungstermin gegen den Parteivorsitzenden
Murat Bozlak. Am Donnerstag, den 28. Mai 98, wird gegen diesen und weitere
acht Führungsmitglieder der HADEP der Prozeß vor dem 2. Staatssicherheitsgericht
in Ankara fortgesetzt. Sie sind am 12. Februar 1998 während einer
Razzia in der Zentrale der HADEP festgenommen worden. Auch ihnen wird laut
Artikel 168 des türkischen Strafgesetzbuches Separatismus vorgeworfen.
Repression und Verfolgung der HADEP rissen auch in anderen Städten
nicht ab. Die HADEP-Parteibüros in den Istanbuler Stadtteilen Fatih,
Kagithane und Eminönü von Anti-Terror-Einheiten durchsucht und
die Räumlichkeiten verwüstet. Anschließend wurden diese
Parteibüros von der Polizei geschlossen. In der kurdischen Stadt
Batman hat der türkische Gouverneur ohne die Nennung von Gründen
sämtliche politischen Aktivitäten der HADEP verboten. Zugleich
wurde der HADEP-Kreisvorsitzende festgenommen. Im Namen der HADEP-Kreisverbandes
Batman protestierte das Kreisvorstandsmitglied Salih Özdemir in einer
Erklärung scharf gegen die Verhaftungen und die Folterungen seiner
Kollegen aus dem Parteivorstand, Dr. Sakir Kakalicoglu, M. Sait Yüksel,
Abdurrahman Celik und Kasim Imret. In der Erklärung heißt es,
die Direktiven zur Unterdrückung und Verfolgung aller demokratischen
Institutionen und Vereine seien auf der letzten Versammlung des Nationalen
Sicherheitsrates der Türkei am 28. Februar dieses Jahres ausgegeben
worden. Der türkische Staat hat in den letzten Wochen sein Vorgehen
gegen unabhängige demokratische Parteien und Vereinigungen intensiviert.
Der Künstlerverein Mesopotamisches Kulturzentrum (MKM), die unabhängige
Tageszeitung ‘Ülkede Gündem’, der türkische Menschenrechtsverein
(IHD), die Samstagsmütter, die gegen das Verschwinden ihrer Kinder
protestieren, oder auch gewerkschaftliche Verbände wie KESK, die sich
gegen den Krieg in Kurdistan und für eine friedliche und demokratischen
Lösung einsetzen, stehen unter starkem staatlichen Druck. Die Angriffe
auf diese Organisationen haben massiv zugenommen. Im Mittelpunkt der Angriffe
steht die HADEP.
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